„Draußen nein! drinnen ja!“ Ansteckungsgefahr für Covid 19 unter freiem Himmel gleich Null

Prof. Dr. Dieter Köhler

Hochsauerlandkreis (25.4.2021). – 72 Neuinfizierte und 46 Genese verzeichnet das Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises mit Stand von Freitag, 23. April (9:00 Uhr), in einer Statistik. Die immer wieder genannte 7-Tage-Inzidenz beträgt 145,5 (Stand: 23. April, 0:00 Uhr). Insgesamt gibt es damit aktuell 616 Infizierte, 7.341 Genesene sowie 178 Sterbefälle in Verbindung mit einer Corona-Infektion im Hochsauerlandkreis seit Bekanntwerden der Corona-Pandemie. Stationär werden im HSK 43 Personen behandelt, fünf intensivmedizinisch und davon werden zwei Personen beatmet. Die Zahl aller bestätigten Fälle im Hochsauerland beträgt 8.135. Die Infizierten verteilen sich wie folgt auf die Städte und Gemeinden im Hochsauerlandkreis: Arnsberg (191), Bestwig (31), Brilon (39), Eslohe (40), Hallenberg (12), Marsberg (25), Medebach (13), Meschede (101), Olsberg (20), Schmallenberg (42), Sundern (87) und Winterberg (15).

Intensivbetten im Hochsauerlandkreis nicht an der Auslastungsgrenze

Wie die aktuellen Zahlen der an Covid Erkrankten im Hochsauerlandkreis zeigen, liegen die Intensivbettenkapazitäten (etwas über 100) nicht an der immer wieder in den Medien heraufbeschworenen Kapazitätsgrenze. Eine Erklärung, warum im Sauerland nur 10 % der Intensivbetten belegt sind in vielen anderen Regionen aber 90 % und mehr suchen wir von Prof. Dr. Dieter Köhler zu bekommen. Von 1986 bis 2013 war Köhler ärztlicher Direktor des Fachkrankenhauses Kloster Grafschaft, einer weit über die Grenzen des Sauerlandes hinaus anerkannten Lungenfachklinik. Prof. Köhler gehört zum erweiterten Beratergremium der Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Zusammen mit seinen Kollegen Dr. Thomas Voshaar, Leiter der Lungenklinik in Moers und Dr. Gerhard Scheuch hat der Sauerländer die aktuelle Aerosol-Forschung zu Corona vorangetrieben. Die wissenschaftlich eindeutig belegten Ergebnisse zeigen, dass eine Mund-Nasen-Schutzpflicht draußen und nächtliche Ausgangssperren wenig sinnvoll und reine Symbolpolitik seien. Prof. Dr. Köhler im Gespräch mit WOLL: „Draußen ist die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus gleich Null. Drinnen laueren die Gefahren. Hier ist eine Maske und am besten eine FFP-2-Maske erforderlich, um sich so wirksam vor einer Ansteckung zu schützen.“

Niedrige Innenräume und längerer Aufenthalt in Toilettenräumen besonders gefährlich

Durch seine unmittelbare Nähe zu den verantwortlichen Politikern und Experten für die verordneten Gesetze und Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, kennt Prof. Dr. Köhler die schwierigen Entscheidungswege. Bei unserem Gespräch auf dem wunderschön gelegenen Golfplatz Schmallenberg, dessen Präsident der umtriebige Lungenexperte nebenbei ist, äußert er sich auch zur Situation in der heimischen Gastronomie. „Die Restaurants und Gasthöfe sollten unter Beachtung sinnvoller Regeln sofort öffnen können. Und das nicht nur in der Außengastronomie. Mit Mund-Nasen-Schutz, der nur beim Essen und Trinken für eine akzeptable Zeit abgenommen wird, kann das Risiko sich zu infizieren erheblich gesenkt werden, zumal wenn immer mehr Menschen geimpft sind und daher praktisch nicht mehr zu einem Super-Verbreiter des Virus werden können. Durch die eindeutigen Ergebnisse aus der Aerosol-Forschung wissen wir, wie und wo die großen Ansteckungen passieren. Der Besuch in einem Restaurant gehört jedenfalls nicht dazu.“ Im weiteren Verlauf weißt der bestens informierte und in der Wissenschaftsszene vernetzte Professor aus Winkhausen auf einen besonderen Risikoort für Ansteckungen hin. „In den Toilettenräumen ist die Ansteckungsgefahr deutlich erhöht. Man kennt das vom Zigarettenrauch, der sich lange in geschlossenen Räumen hält, auch wenn der Verursacher schon lange den Raum wieder verlassen hat. Das sind Aerosole die wir riechen. Viren riechen wir nicht. Sie bleiben lange und sind dann besonders gefährlich, wenn sie sich in engen Räumen immer mehr verdichten. Deshalb empfehle ich, die Maske auch beim Toilettenbesuch aufzubehalten Da sich die Aerosolwolke in schlecht belüfteten Innenräumen lange halten kann, sind sich Ansteckender und Angesteckter oft nie begegnet. Daher kommt es auch nicht zur Aktivierung der Corona-Warn App.“

Symbol der Unvernunft

Wie die offiziellen Statistiken für die Corona-Pandemie im Hochsauerlandkreis zeigen, ist die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus relevant, die Erkrankung bis hin zum schweren Verlauf mit Aufenthalt auf einer Intensivstation abschätzbar. In diesem Zusammenhang verweist Prof. Dr. Köhler auch auf die unterschiedlichen Beatmungsmethoden von schwer erkrankten Patienten mit dem Covid-Virus. „Im Fachkrankenhaus Grafschaft werden Patienten, die einen schweren Verlauf einer Lungenerkrankung haben, extensiv, wenn man so will, sanft beatmet und nicht intubiert. Das haben wir in Grafschaft mit entwickelt und machen es seit 1995 so. Zu Beginn der Coronapandemie wurde in den Krankenhäusern weltweit, auch in Deutschland, überwiegend invasiv beatmet, also intubiert. Patienten, deren Zustand sich dann weiter verschlechtert, kommen, wie man im Volksjargon sagt, an eine Herz-Lungen-Maschine (ECMO), was fast immer überflüssig ist. Hier sind oftmals bis zu 50 % der so behandelten Patienten anschließend verstorben.“ Prof. Dr. Köhler führt weiter aus, dass sein Kollege Dr. Thomas Voshaar zum Beispiel am Bethanien Krankenhaus in Moers von Anfang an auf die Vermeidung der Intubation gesetzt hat und dort die Corona-Patienten strikt von anderen Kranken getrennt wurden, um die Weiterverbreitung des Virus schon auf diese Weise zu unterbinden. Die Sterberate von beatmeten Patienten in Moers beträgt 7,7 Prozent, während sie insgesamt auf deutschen Stationen bei 28 % und höher lag. Umgerechnet auf die bisher 26.000 Tote auf den deutschen Intensivstationen darf die Vermutung angestellt werden, dass etwas weniger als die Hälfte der Verstorbenen noch leben würde, wären sie nicht invasiv behandelt worden. Prof. Dr. Dieter Köhler zum Abschluss unseres Gespräches: „Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben, so wie wir auch mit dem Grippevirus leben müssen. Dazu gehört es aus meiner Sicht, alle Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie, mit Vernunft und dem Vertrauen in die Eigenverantwortung der Menschen zu beschließen. Draußen sind die Gefahren einer Ansteckung so gering, dass ich allen Menschen nur empfehlen kann, an die frische Luft zu gehen und rücksichtsvoll mit den anderen umzugehen. Unter freiem Himmel sind Masken oder ein Mund-Nasen-Schutz nicht mehr als ein Symbol der Unvernunft.“ Und warum sind im Hochsauerlandkreis nur 10 % der Intensivbetten belegt und in vielen anderen Regionen bis zu 100 %? Prof. Dr. Köhler: „Wir leben hier in der Regel nicht so eng zusammen, Begegnungen bei großen Menschenansammlungen sind eher selten und ausreichend frische Luft haben wir vor der Haustür. Vermutlich sind die Sauerländer aber auch vernünftig diszipliniert und die Verantwortlichen beim Kreis und in den Kommunen haben Vieles richtig gemacht.“

Prof. Dr. Dieter Köhler
Prof. Dr. Dieter Köhler und sein Airedale Terrier Aiko nach dem Gespräch mit WOLL

Das Gespräch führte WOLL-Herausgeber Hermann-J. Hoffe am 16. April morgens auf dem Golfplatz Schmallenberg. Der Text wurde am Sonntag, 25. April nochmals mit Prof. Dr. Dieter Köhler abgestimmt.