Dorf suchte Arzt – Arzt fand Dorf

Es gibt Ärzte aus Leidenschaft. Nicht nur im TV-Vorabendprogramm – auch bei uns im Sauerland. Paul Stüeken ist einer von ihnen. Seit 2014 praktizieren der Allgemeinmediziner und sein Team an fünf Tagen in der Woche – dreimal vormittags und zweimal nachmittags – in Wenholthausen. Ein besonderes Engagement der 1.400-Seelen-Gemeinde Wenholthausen machte damals Schlagzeilen. Die Aufschrift „Dorf sucht Arzt“ prangte weit sichtbar am Haus der heutigen Praxis, in Zeitungen und im Fernsehen wurde darüber berichtet. Im Regionalfernsehen des WDR sah auch Paul Stüeken, der seit 27 Jahren in Balve eine gut etablierte Arztpraxis betrieb, damals diesen Beitrag. Warum nicht in einer Zweitpraxis meine langjährigen Erfahrungen einbringen, dachte er und suchte den Kontakt. Was er vorfand, waren optimal eingerichtete Räume. Schnell war man sich einig.

Zwischen Balve und Wenholthausen
Sechs Jahre ist das nun her und es funktionierte von Anfang an. „Ich bin Sauerländer und liebe die Region“, sagt Stüeken. „Schon als junger Bursche bin ich mit meinem Käfer durch das Land der 1.000 Berge gefahren und habe mich an der Landschaft erfreuen können. So ist es auch noch heute. Für mich ist die Fahrstrecke zwischen den beiden Praxisstandorten keine Last. Im Gegenteil, wenn ich nach Feierabend von Wenholthausen Richtung Balve starte, befahre ich oft die landschaftlich schöneren Nebenstrecken und kann so richtig entspannen.“ Damit der Termindruck nicht allzu stark wird, hat sich Stüeken Verstärkung gesucht. Der Kollege Georg Tschuck, ebenfalls Allgemeinmediziner, unterstützt ihn in Balve und teilt sich die wöchentlichen Sprechstunden in Wenholthausen mit ihm. „Außerdem führen mein Sohn Dr. Paul Stüeken jun. und ich seit diesem Jahr unsere Balver Praxis als Gemeinschaftspraxis.“ Alles eine Sache der Organisation.

Die Politik und die Kassenärztliche Vereinigung sind bemüht, dem Trend des Ärztemangels in ländlichen Regionen entgegenzusteuern. „Gut so“, findet auch Paul Stüeken. Eine mögliche Novellierung der Zulassungs-kriterien zum Studium könnte ein Bestandteil dieser Änderungen sein. „Man sollte vor Studienbeginn ein längeres einschlägiges Praktikum gemacht haben“, regt Stüeken an. „Viele studieren heute Medizin, nur weil sie ein gutes Abitur gemacht haben. Das reicht aber nicht. Der Wunsch nach dem Dienst am Menschen muss absolut im Vordergrund der Entscheidung stehen.“ Viele ausgebildete Mediziner ziehen außerdem die Stadt als Lebens-Mittelpunkt dem Land vor. „Geschmackssache“, findet Paul Stüeken. Das Leben in der Stadt sei anders, aber nicht unbedingt besser.

Festes Mitglied der Gesellschaft
Ist man auf dem Land ein anderer Arzt als in der Stadt? „Aber ja“, so Stüeken. Viele Patienten und deren Familien begleitet man hier über einen langen Zeitraum. Man kennt ihre Schicksale und Lebensumstände. Als Nachbar und vielleicht aktives Vereinsmitglied ist man auch in der Freizeit präsent. „Ich mag das und ziehe es auf jeden Fall einem anonymeren Miteinander vor.“

Auch in Wenholthausen ist Paul Stüeken bekannt. „Ein schöner Ort“, schwärmt er. „Wenn ich nicht schon in Balve meinen Pflock gesetzt hätte, könnte ich mir auch vorstellen, hier zu wohnen. Wir werden sehr wertgeschätzt.“ Er zitiert einen Patienten, der sich vor kurzem etwas länger als gewohnt gedulden musste: „Ich hätte auch noch zwei Stunden länger gewartet, ich bin einfach so froh, dass Sie bei uns sind“, war seine Antwort. So etwas sei natürlich schön zu hören, so der Mediziner. Über die Patientenzahlen in seiner Praxis kann er sich nicht beschweren. Viel mehr könne er kaum versorgen.

Paul Stüeken hat seine Entscheidung, eine Zweitpraxis in Wenholthausen zu betreiben, nicht bereut. Der Standort ist gut, gerade für diejenigen, die Familie und Beruf parallel in ihrem Leben unterbringen möchten. Im Grunde habe man ja nur halbtags geöffnet. Da bleibe genügend Zeit für die Familie. Ans Aufhören möchte der 68-Jährige noch nicht denken. „Solange es meine Gesundheit erlaubt, werde ich diese Praxis nicht aufgeben. Und wenn ich hier mal nicht mehr praktizieren sollte, werde ich alles daransetzen, die Praxis in gute Hände zu übergeben“, verspricht er.