
Quelle: Stadtwerke Iserlohn
Die von mir dargestellte Entwicklung der Trinkwasserversorgung für Iserlohn beruht im Wesentlichen auf einer Veröffentlichung von Dipl.-Ing. Helmut Sakowsky in der Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der Stadtwerke Iserlohn.
Frühe Wassergewinnung
„Bestes SauerlandWasser seit 150 Jahren – das liefern wir Ihnen zuverlässig und rund um die Uhr“. So werben die Iserlohner Stadtwerke in Ihrem Prospekt aus dem Sommer 2024. Das würde bedeuten, dass die Stadt Iserlohn seit dem Jahr 1874 mit Trinkwasser versorgt wird. Das stimmt nur insofern, weil sich von dieser Zeit an ein städtisches Wasserwerk um die Versorgung der Stadt kümmerte. Will man die Bemühungen um eine geregelte Wasserversorgung verstehen, müssen wir ins 18. und 19. Jahrhundert blicken und den geologischen Untergrund betrachten, auf dem die Stadt sich ausbreitet.
Durch das Zentrum der Stadt zieht sich von West nach Ost ein breiter Massenkalkstreifen. Im südlichen Bergland finden sich Lenneschiefer und Grauwacke. Da in den Klüften und Spalten des Massenkalks das Wasser versickert, konnten hier keine Brunnen angelegt werden. Das Augenmerk für die Wasserversorgung richtete sich zur damaligen Zeit auf die südlichen Täler, wo das Schiefergestein eng gepackt ist und das Wasser speichert. Wie Forschungen ergeben haben, dienten seit Mitte des 18. Jahrhunderts 6 Teiche im Wermingser Bachtal, die sog. „Stadtsteiche“ – der Name mit dem s in der Mitte ist ein ortstypischer Sprachgebrauch der Iserlohner Bevölkerung – der Stadt Iserlohn als Wassergewinnungsanlage. Über 120 Jahre hinweg wurde damit die Stadtbevölkerung mit Trinkwasser versorgt. Es war zunächst ausschließlich Oberflächenwasser, das im unteren der 6 Teiche gesammelt und mit Hilfe einer Holzröhrenleitung ungefiltert mitten in die Stadt geleitet wurde. Die Leitung hatte ein Gefälle von 7 Metern vom unteren Teich bis zur Stadtmitte. Dort floss es in zahlreiche Brunnen, aus denen es von den Verbrauchern geschöpft werden konnte. Auf der ca. 2,5 km langen Leitung war jedoch durch undichte Verbindungen der Wasserverlust erheblich. Von einem nach heutigen Maßstäben einwandfreien Trinkwasser konnte zu dieser Zeit noch keine Rede sein. Krankheiten, die durch das Trinkwasser hervorgerufen wurden, waren bis Mitte des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit. Auch war die Menge des gewonnenen Wassers in der erstarkenden Industriestadt – Iserlohn hatte Mitte des 19. Jahrhunderts bereits 15000 Einwohner – nicht ausreichend. Über das veraltete Versorgungssystem konnten beispielsweise in den Jahren 1869/1870 nur rund 10 bis 15 Liter pro Tag und Kopf abgegeben werden. Die Forderung nach einem neuen Konzept zur Wasserversorgung war unumgänglich.
Nutzung von Quellen und Grundwasser
Im Jahr 1869 gelang es dem Hagener Ingenieur Disselhoff, den man für die Planung einer zentralen Wasserversorgung beauftragt hatte, das Wasser von 20 Quellen aus dem Wermingser Tal in „Brunnenstuben“ zu sammeln und von nun an nicht mehr in Holzröhren, sondern in einer eisernen Druckrohrleitung der Stadt zuzuführen. Die Sammelteiche wurden von dem Zeitpunkt an nicht mehr eingesetzt. Disselhoff konzentrierte sich für die Wasserbeschaffung auch auf das Lägertal. Hier wurde der mehr als einen Kilometer lange „Rudolfstollen“, benannt nach dem stellvertretenden Bürgermeister Rudolf Schrimpff, in die Asbecke und bis zum Bräker Kopf vorgetrieben. Aus dem Stollen und den zahlreich erschlossenen „Brunnenstuben“ floss das Wasser über eine druckfeste Stahlrohrleitung mit natürlichem Gefälle von der Station Lägertal zu dem 1875 erbauten Hochbehälter auf der Hardt. Der Hochbehälter als Wasserspeicher wurde notwendig, da die Stadtsteiche als Speicher nicht mehr benutzt wurden. Durch das Stadtgebiet wurde ein großzügig geplantes Wasserverteilungsnetz verlegt.
Zugriff auf die ehemaligen Gruben

Zur Jahrhundertwende war die Einwohnerzahl auf nahezu 27000 gewachsen. Der Pro-Kopf-Verbrauch stieg ständig. Auch waren die Quellen weniger ergiebig als in früheren Jahren. Es machten sogar Überlegungen die Runde, eine Talsperre im Wermingser Tal oder im Obergrüner Tal anzulegen. Aus Kostengründen ließ man den Plan fallen. Auch die Hinwendung zu den Flussauen der Lenne oder der Ruhr schied zu damaligen Zeit aus. Da bot es sich an, insbesondere nach der Trockenperiode im Jahr 1901 neue Wasservorkommen aus den stillgelegten Schächten des Galmeibergbaus zu gewinnen. Nach zähen Verhandlungen mit dem Bergwerksverein gelang es, den Westiger Schacht im Gebiet von Hemer als auch den Schacht „Krug von Nidda“ zu erwerben. Der Name geht auf den Oberberghauptmann Dr. Otto Krug von Nidda aus dem preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe zurück. Der Westiger Schacht senkt sich 50 Meter in das Kalkgebirge hinein, verfügt über mehrere Stollen und wurde zu einem Pumpwerk ausgebaut. Er konnte innerhalb von 24 Stunden etwa 3000 m3 Wasser fördern. 1905 war die Anlage mit der 4,5 Kilometer langen Rohrleitung zum 85 Meter höher gelegenen Hochbehälter auf der Hardt fertiggestellt. Im selben Jahr wurde der Bau eines zweiten Hochbehälters am Rande des Mühlenbergs begonnen. Er liegt 26 Meter höher als der auf der Hardt. 1914 wurde eine zweite Rohrleitung von der Brunnenkammer im „Rudolfstollen“ zum Hochbehälter am Mühlenberg verlegt, um die Quellen im Lägertal besser ausnutzen zu können. Spätestens 1921 zeigte sich, wie sinnvoll diese Investitionen waren. Eine sehr große Trockenheit ließ die Quellen fast vollständig versiegen. Die zuvor täglich erzeugten 3500 m3 schrumpften auf nur noch 700 m3 oder weniger. Da war das Westiger Werk mit seiner inzwischen auf zwei Tiefbrunnenpumpen erweiterten Anlage der Retter in der Not. Außerdem musste im „Krug von Nidda“ eine provisorische Pumpenanlage voll eingesetzt werden. 1930 wurde das Wasserwerk „Krug von Nidda“ weiter ausgebaut.

Wegen der steigenden Einwohnerzahl – 1937 belief sich diese auf rund 36000 Personen – musste die Wasserversorgung stetig erweitert werden. So wurde in diesem Jahr unterhalb des Fröndenbergs, auf dem Frauenstuhl, 340 Meter über Normalnull ein neuer Hochbehälter erstellt, der der Versorgung des südwestlichen Stadtteils diente. Er wurde durch eine automatisch arbeitende Druckstation an der Südstraße befüllt. 1939 wurden am unteren Teich der Stadtsteiche und im Lägertal Entsäuerungs- und Enteisungsanlagen gebaut und in Betrieb genommen, um den hohen Eisenanteil im Trinkwasser zu reduzieren und das Rohrleitungssystem vor Verkrustungen zu schützen. Diese rein technischen Aufgaben gewidmeten Bauten fügen sich in ihrer Fachwerkbauweise gut in die Landschaft ein.

Wasser von der Ruhr
Während des Zweiten Weltkrieges konnten keine der notwendigen Erweiterungsbauten vorgenommen werden. Auch nach dem Ende des Krieges blieb die Versorgungslage angespannt, so dass die Stadtwerke am 31. Juli 1946 folgenden Appell an die Bürgerinnen und Bürger richteten: „Die Wasserversorgung der Stadt Iserlohn ist auf das Äußerste gefährdet. Nur Wasser zum Trinken und Kochen verwenden! Jeder andere Verbrauch ist verboten und wird bestraft!“
Bis zum Oktober 1950 war die ausreichende Wasserversorgung immer noch ein Problem. Die vier Wassergewinnungsanlagen konnten – insbesondere in den Sommermonaten – die Nachfrage nicht mehr ausreichend decken. Das früher erwogene Projekt einer Trinkwasser-Talsperre wurde aus Kostengründen erneut verworfen. Die Stadtwerke entschlossen sich aber zur Zusammenarbeit mit einem der großen Wasserwerke im Ruhrtal. Von der Lage und der günstigen Leitungsführung bot sich das Wasserwerk Hengsen der damaligen Dortmunder Stadtwerke AG an. (Seit 01. 01. 2001 schlossen sich die Dortmunder mit Gelsenwasser zusammen und nennen sich seitdem Wasserwerke Westfalen GmbH). 1952 bauten die Stadtwerke eine Leitung vom Werk Hengsen bis zum Seilersee, dazu den Hochbehälter am Hemberg mit einem Fassungsvermögen von 2000 m3 und das Pumpwerk Düingsen. Um die Versorgungssicherheit weiter zu gewährleisten, wurde auf der Höhe des Seilerberges ein Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 4000 m3 errichtet.
Erweiterung und Zentralisierung
In den Jahren 1968 bis 1972 wurde die Wasserversorgung in der Gemeinde Kesbern, die erst nach der Gebietsreform zu Iserlohn kam, mit rund 20 km Rohrnetz, zwei Hochbehältern und acht Druckerhöhungsanlagen geplant und gebaut. Auch in den nördlichen weniger stark besiedelten Bereichen wurde die Wasserversorgung noch vor der Eingemeindung der Orte Rheinen, Hennen, Kalthof, Drüpplingsen und Sümmern eingerichtet und stetig ausgebaut. In Sümmern insbesondere, um die Entwicklung des Industriegebiets Rombrock zu ermöglichen. In den Jahren 1976 bis 1979 führten die Stadtwerke die Planung und Bauleitung für die Anlagen des Wasserbeschaffungsverbandes Mark aus. Dazu wurde als Kernstück eine Leitung vom Stadtteil Gerlingsen über Oestrich nach Letmathe und von dort weiter durch das Lennetal nach Nachrodt und Altena verlegt. Da Letmathe seit 1975 zu Iserlohn gehört, erwarben die Stadtwerke Ende 1981 von der Gelsenwasser AG die dortigen Wasserversorgungsanlagen.

Durch die Trinkwasserverordnung von 2001 stiegen die Qualitätsanforderungen. Durch eine Zentralisierung der Gewinnungsanlagen konnte mittelfristig die Eigenversorgung gesichert werden. Die bisherige Gewinnungsanlage „Krug von Nidda“ wurde 2006 nach umfangreichen Investitionen als zentrales Trinkwasserwerk in Betrieb genommen. Dort werden die Rohwässer aus der eigenen Förderung – im „Krug von Nidda“ wird das Wasser aus 190 Meter Tiefe gewonnen – und den Gewinnungsanlagen Westig, Lägertal und Wermingser Tal vermischt aufbereitet. Bis zu 800 m3 fließen stündlich durch das moderne Wasserwerk. Hier wird es zu Trinkwasser in Lebensmittelqualität aufbereitet und ständig kontrolliert. 15 Hochbehälter speichern das Trinkwasser im Stadtgebiet. Die Stadtwerke betreuen zurzeit 532 Kilometer Rohrleitungsnetz. Es gibt 20739 Hausanschlüsse und 3963 Hydranten. Pro Person fällt ein durchschnittlicher Verbrauch von 120 l/ Tag zum Trinken, Duschen, Putzen und Waschen an. In Iserlohn und Umgebung sorgen die Stadtwerke dafür, dass diese wichtige Lebensquelle niemals versiegt – und das schon seit 150 Jahren. Dieses runde Jubiläum würdigen die Stadtwerke Iserlohn mit dem Slogan „Jahr des Wassers 2024“.