Die Schinderhannes-Mühle zwischen Drolshagen und Valbert

Die Bezeichnung Schinderhannes-Mühle in Verbindung mit dem Sauerland lässt den Besucher des alten Fachwerkhauses schon etwas stutzig werden. Der berüchtigte Räuberhauptmann aus Rheinhessen, sein bürgerlicher Name war Johannes Bückler, soll auch hier, so weit von seiner Heimat entfernt, sein Unwesen getrieben haben? Zumindest einer landläufigen Legende nach hat er das! Angeblich ist er mit seinen Spießgesellen in die ehemalige Ingemerter Mühle eingedrungen – allerdings nur wenig erfolgreich, wie er kurz vor seiner Hinrichtung im Jahre 1803 in Mainz noch öffentlich gesagt haben soll. Heute beherbergt das Wohnhaus der Mühle – das alte Mühlengebäude ist 1928 komplett abgebrannt – eine Gastwirtschaft, die von den Dorfbewohnern gern besucht wird. Es ist ein Ort, an dem noch ein ordentlicher Skat gedroschen wird und der Wirt Zeit für ein „Pröhlken“ mit seinen Gästen findet.

Anja und Wilfried Turk führen diese rustikale Gastronomie in nostalgischer Ausstattung mit vielen geschichtsträchtigen Gegenständen. Ihre Gäste sind, in einer Zeit, in der die Gaststätten reihenweise aufgeben, oft erstaunt, noch so eine urige Landkneipe zu finden. Von den 25 Kneipen, die es noch vor etwa 30 Jahren in Valbert gab, existieren heute nur noch zwei. Schaut man sich die historischen Schränke aus dem 19. Jahrhundert, die Bilder, das alte Porzellan oder das bejahrte Telefon aus Backelit, dem ersten industriell gefertigten Kunststoff, an, so glaubt man, sich in einem kleinen beschaulichen Heimatmuseum zu befinden. Das Telefon war übrigens das erste im Dorf, wie mir Wilfried Turk verriet, und für alle Dorfbewohner bei Geburten, schweren Krankheitsfällen und anderen wichtigen Anlässen der schnellste Kommunikationsträger in die weite Welt – oder Empfangsstation für bedeutsame Informationen für die Einwohner der Ortschaft.

Wo früher die private Werkstatt war – hier kam das ehemalige Mühlenrad als Antriebsfaktor immer noch zum Einsatz –, befindet sich heute ein großer Versammlungsraum, der auch für Familienfeiern wie Hochzeiten und Geburtstage oder Firmenjubiläen genutzt wird. Die Familie Turk veranstaltet in ihrer Jausenstation jährlich ein Oktoberfest und an Christi Himmelfahrt den traditionellen Vatertag. Als die bei der Stadtverwaltung Meinerzhagen angemeldeten Veranstaltungen zu zahlreich wurden, bat man Anja Turk, sich doch um eine dauerhafte Lizenz zum Betrieb einer Gaststätte zu bemühen.

So entwickelte sich im Laufe der Jahre die Gastronomie weiter, die mit schmackhaften Spezialitäten wie dem Elsässer Speckkuchen, Reibeplätzchen mit Schwarzbrot, winterlichem Grünkohl oder einem variationsreichen Grillbuffet aufwarten kann. Auch die Jausenstation am Wanderweg zwischen Drolshagen und Meinerzhagen ist mittlerweile mehr als ein Geheimtipp geworden, wo die Besucher bei entsprechendem Wetter ebenfalls im Außenbereich eine erholsame Rast bei Sauerländer Bier oder anderen Erfrischungsgetränken einlegen können. Natürlich werden die von Anja Turk gekochten Spezialitäten auch im Biergarten den hungrigen Besuchern gerne serviert. Gerade in Zeiten häufiger Personalnot in der Gastronomie kann die Großfamilie eine wichtige Stütze des Betriebes sein, denn neben den eigenen fünf Kindern gibt es mittlerweile auch fünf Enkelkinder in der Familie Turk. Der alte Familienname Ihne, der Name der Großmutter, war übrigens bei den Einheimischen noch lange in Gebrauch, so wurde die Oma von Wilfried Turk noch Jahrzehnte lang Ihnes Klärchen genannt.

Die Ingemerter Mühle wie auch das gesamte Dorf wurde bereits 1503 erstmalig urkundlich als Bannmühle des Klosters Drolshagen zusammen mit einem nahen Hammerwerk erwähnt. Heute erinnert nur der ehemalige Mühlenteich und einige alte Mühlengerätschaften noch an die

Wassermühle, die nach dem hohen Bergrücken in der Nachbarschaft, dem Ingemert, benannt wurde. Der nahe Mühlenteich wird von der Hespecke gespeist, die ein Stück weiter beim Örtchen Krummenell zur Krummenau wird, bevor dieser Fluss in der noch kleinen Lister einmündet. Die Mühle bewirtschaftete die Familie Ihne rund 300 Jahre als Pachtmühle. 1803, nach Auflösung des Klosters, erwarb der Müller der damaligen Regierung sie endgültig als Eigentum. Die Eichener Mühle im südlichen Teil Drolshagens gelegen, wechselte damals ebenfalls nach knapp 300 Jahren, wie der gesamte Klosterbesitz, in private Hände.

Und um noch einmal auf den Schinderhannes und den Namen der Mühle zurückzukommen: Die Legende berichtet, dass der Räuber noch kurz vor seiner Hinrichtung in Mainz vor angeblich 30.000 Menschen gesagt haben soll: „Er sei noch nie in seinem Leben so angeschmiert worden wie durch den Müller im Sauerland.“ Der Schinderhannes hatte nämlich die Mühle überfallen, allerdings wehrte sich der Müller mit seinen Flinten und erschoss dabei einen seiner Kumpane. Die Müllersfrau soll gerufen haben: „Es ist kein Pulver mehr da.“ Ihr Mann aber rief geistesgegenwärtig: „Doch, hinten auf der Kommode steht noch ein ganzes Steinfass, bring es schnell her!“ Darauf sei der Räuber entmutigt mit seinen Gesellen verschwunden und der Müller und seine Familie waren gerettet.

Öffnungszeiten der Mühle
Die „Schinderhannes-Mühle“ liegt an der Landstraße 869 – zwischen Scheda/Beul nahe des Wesmecke- und Schoppenwassertales.
Im Normalbetrieb hat die Jause immer freitags ab 18 Uhr, samstags von 14 bis 18 Uhr und sonntags von 12 bis 19 Uhr mit selbstgebackenem Kuchen geöffnet.
Zusätzlich öffnet die Mühle auch für größere Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstags-, Firmen- und Weihnachtsfeiern. Das jährliche Oktoberfest mit bayerischem Bier findet seit 2017 statt.