Ein lebendiger Fluss fließt wieder durch Ramsbeck
Es ist vollbracht: Auf 6,1 Kilometern Länge wurde die Valme in Ramsbeck für rund eine Million Euro renaturiert, also in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Wir haben mit Umwelt-Ingenieur Friedhelm Koch vom Bau- und Umweltamt Bestwig und Dipl.-Ing. Axel Sobirey vom Ingenieurbüro WAGU Kassel gesprochen.
WOLL: Laut Europäische Wasserrahmenrichtlinie müssen die Flüsse in »einen guten ökologischen Zustand« versetzt werden. Wie konkret sind diese Richtlinien?
Friedhelm Koch: Bei der Renaturierung sind vielfältige, örtlich völlig unterschiedliche Parameter zu berücksichtigen. Grundsätzlich immer zu beachten, ist aber die Verbesserung der Wasserqualität, die Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Fische und Kleinstlebewesen, eine möglichst naturnahe Gestaltung der Gewässer und Uferbereiche und auch die Verbesserung des Hochwasserschutzes.
WOLL: Worin genau besteht der Nutzen für Mensch und Umwelt?
Friedhelm Koch: Die ökologische Verbesserung unserer Fließgewässersysteme ist ein entscheidender Beitrag, damit auch zukünftig Trinkwasser – als unser „Lebensmittel Nr. 1“- in der von uns gewohnten Qualität genutzt werden kann.
Der zentrale und dezentrale Hochwasserschutz gewinnt übrigens auch immer mehr an Bedeutung. Die teilweise verheerenden Hochwässer der vergangenen Jahre haben eindringlich gezeigt, wie wichtig der Rückbau von begradigten, kanalisierten Abschnitten auch an kleineren Gewässern für den schadlosen Wasserabfluss ist.
WOLL: Es heißt, das Projekt sei aufgrund der Förderungen durch Arnsberg sowie das Erlangen von »Ökopunkten« für die Gemeinde kostenneutral. Können Sie das etwas konkreter erklären?
Friedhelm Koch: Die Förderung durch das Land NRW beträgt derzeit 90 %. Der jetzt noch zu tragende Eigenanteil wird der Gemeinde in Form von sogenannten „Ökopunkten“ gutgeschrieben. Diese dringend benötigten Punkte werden dann – anstatt kostenpflichtiger Ausgleichsmaßnahmen – bei der Realisierung anderer baulicher Projekte herangezogen.
WOLL: Ist Renaturierung ein neuer Trend?
Axel Sobirey: Die Renaturierung ist kein Trend, sondern vielmehr die „Behebung von Schäden“, die in der Vergangenheit aus diversen Gründen heraus von uns Menschen an den Gewässern und deren Auen vorgenommen wurden. Mit Beginn der Nutzbarmachung der Auen für uns Menschen als landwirtschaftliche Nutzflächen oder Bauland wurden die Gewässer immer stärker an die Randlage eines Tales verlegt, um gut zu bearbeitende, große landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Hierdurch wurde die Lauflänge der Gewässer stark verkürzt. Zur Vermeidung unkontrollierter Erosionsvorgänge wurden gezielt kleinere Absturzbauwerke (Querbauwerk) in den Gewässerlauf eingebaut, an denen die Höhenunterschiede lokal überwunden wurden. Durch die Nutzung des Wassers zum Antrieb von Mühlen im Mittelalter sowie von Generatoren mit der aufkommenden Industrialisierung wurden große Staubauwerke angelegt. Diese der Wasserkraft dienenden Querbauwerke waren zu großen Teilen für die natürlicherweise im Gewässer vorkommenden Fische und Fischnährtiere im Rahmen ihrer aufwärtsgerichteten Wanderung nicht passierbar und wirkten als Barrieren.
WOLL: Im September 2019 sagten Sie, Herr Koch, man könne schon bald sehen, wie sich das Leben im und am Fluss neu entwickelt – trägt dies bereits Früchte?
Friedhelm Koch: Die Durchgängigkeit für Fische und andere Lebewesen ist jetzt definitiv wieder möglich. Auch die positive Entwicklung der Valme und der angrenzenden Uferbereiche ist zu erkennen. Durch die Schaffung eines Zuganges zum Gewässer im Ortsmittelpunkt am Dorfplatz wird den Menschen die Möglichkeit gegeben, das Gewässer wieder als Bestandteils des eigenen Umfeldes zu erleben und sich hautnah ein eigenes Bild von der Entwicklung zu machen.
WOLL: Es wurden neben 24 Querbauwerken auch Betonelemente entfernt. Was hatte es damit auf sich?
Friedhelm Koch: Die Betonelemente beziehen sich auf seinerzeit angebrachte Straßenbefestigungselemente. Diese waren mittlerweile bereits stark beschädigt oder baufällig.
WOLL: Wie lange hat es gedauert von der Idee bis zur Umsetzung?
Friedhelm Koch: Mit den ersten grundlegenden Planungen für die Valme in Ramsbeck wurde in 2014 begonnen. Die eigentlichen Erd- und Wasserbauarbeiten erfolgten in 2019. Gegenwärtig werden noch Restarbeiten erledigt.
WOLL: Gibt es Arbeiten, auf die Sie gern hinweisen würden, weil der Betrachter sie so nicht sehen kann?
Axel Sobirey: Die Ufer- und Sohlenbereiche, die einem höheren Strömungsdruck ausgesetzt sind, sind mit einer Steinschüttung gegen Erosion gesichert. Die Überdeckung mit nährstoffreichem Boden und entsprechender Einsaat lässt diese Sicherungen nicht gleich zum Vorschein kommen. Der Brückenübergang im Bereich des Bergbaumuseums hat mit Umsetzung der Maßnahme ein aus meiner Sicht positiveres Bild erhalten. Mit der Umgestaltung dieses Bereiches sowie im Bereich des Dorfplatzes wurden Zugänge zu der Valme unter dem Aspekt „Gewässer erleben“ geschaffen.
WOLL: Kamen Sie hin mit dem Geld? Falls ja: Wohin gehen überschüssige Mittel?
Herr Koch: Nach derzeitigem Kenntnisstand gehe ich davon aus, dass der ursprünglich kalkulierte Kostenrahmen klar unterschritten wird. Die sich dann ergebenden überschüssigen Fördermittel gehen vollständig zurück an das Land NRW.
WOLL: Wie wird es weitergehen?
Axel Sobirey: Die Entwicklung des umgestalteten Valmeabschnittes wird natürlich sehr stark von den Bürgern beobachtet und mögliche unerwünschte Uferabbrüche der Gemeindeverwaltung mitgeteilt. Natürlich wird die Gemeindeverwaltung selber die Gewässerentwicklung beobachten.
Friedhelm Koch: Auch die übrigen Abschnitte der Valme in der Gemeinde Bestwig sollen entsprechend naturnah gestaltet werden. Ein konkreter Zeitrahmen steht aber derzeit noch nicht fest.
Die Gemeinde Bestwig ist für die Gewässerunterhaltung zuständig. In Zusammenhang mit den Fachbehörden wird dabei auch die weitere Entwicklung der Valme begutachtet.
WOLL: Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Friedhelm Koch: Die endgültige Bauabnahme steht zwar noch aus, mit dem Ergebnis bin ich aber bis jetzt voll und ganz zufrieden. Ein besonderer Dank daher an alle, die bei der Realisierung mitgewirkt haben.
WOLL: Wer war außer Ihnen war noch an dem Projekt beteiligt?
Friedhelm Koch: Weitere Stellen, die an dem Projekt beteiligt waren, sind die Fachbehörden der Bezirksregierung und des Hochsauerlandkreises, örtliche Institutionen, Vereine und Privatpersonen. Hierzu zählen z. B. der Ortsvorsteher Paul Schüttler, die Fischereigenossenschaft Ruhr-Valme-Elpe, die ehrenamtlichen Betreiber der historischen „Alten Mühle“, das Bergbaumuseum, die örtliche Feuerwehr, die Eigentümer von Anliegergrundstücken sowie Brückenfachmann Hubertus Kreis.
Axel Sobirey: Ich bin zufrieden und hoffe, dass die Maßnahme bei den Bürgern von Ramsbeck positive Eindrücke hinterlässt. Gespräche in der Örtlichkeit haben bereits sehr viel positive Resonanz vermittelt.