Die Meisterfamilie Veh

Auf unterschiedlichen Wegen zum (Fleischer-) Meister 

Draußen Erfahrungen machen, zuhause Erfahrung einbringen. Das ist eines der Erfolgsrezepte der Neheimer Fleischer-Familie Veh. Die sechs Meister der Familie sind recht unterschiedliche Wege gegangen. Angekommen sind sie alle in ihrem Traumberuf. „Wir leben Fleisch, setzen auf das Tierwohl und produzieren so viel wie möglich selbst, natürlich immer frische Ware“, so das Leitmotiv. Eine Attraktion ist die Ladentheke, von der die Kunden regelrecht schwärmen. 

Und die schwärmen auch und besonders von Vehs Fleischwurst, einem Verkaufsschlager. Wenn am Vormittag die heiße Fleischwurst aus dem Kessel kommt, ist das selbst für die gestandenen Neheimer Fleischer noch immer etwas Besonderes. Ein Duft, der gute Erinnerungen weckt, für viele der Duft der Kindheit. Da geht es den Kunden nicht anders, die teils ihre Einkaufszeiten darauf abstimmen, um leckere Fleischwurst möglichst frisch zu bekommen. Und dann heißt es nur noch: „Mit oder ohne?“. 

Sechs Meister – sechs Berufswege 

Sechs Meister – sechs Berufswege: Die Fleischer-Familie verkörpert buchstäblich hohes handwerkliches Niveau. Rupert Veh ist heute 90 Jahre und schon lange im Ruhestand. Gelegentlich zieht es ihn noch in den Laden. Dann kommt wohl die ein oder andere Erinnerung hoch: 1956 kam er als Geselle nach Neheim, machte seinen Meister und heiratete Marianne Scheiwe, die Tochter des Neheimer Metzgers Heinrich Scheiwe. Gemeinsam übernahmen sie den elterlichen Betrieb, der 1885 von Theodor Scheiwe in der Neheimer Hauptstraße gegründet wurde und sich 1953 auf das Geschäft in der Graf-Gottfried-Straße ausweitete.  

Dass der heutige Firmenchef Heinrich Veh den Familienbetrieb eines Tages übernehmen würde, hielten seine Eltern für unwahrscheinlich: „Ich habe vorher keinen Finger gekrümmt in der Firma.“  Irgendwann hat er sich einfach gesagt, dass er Metzger wird. Einfach so. Sein Vater sei „baff“ gewesen, damit hatte er nicht gerechnet. Dann bekam er eine Lehrstelle bei „so tollen Leuten, dass ich einfach Spaß an dem Beruf gekriegt habe.“ Damals war er 15, hatte gerade die Mittlere Reife gemacht und ging allein nach Lippstadt. Leidenschaft kann anstecken, denn seitdem wollte er nie mehr etwas anderes machen. Nach seiner Ausbildung arbeitet er einige Zeit bei verschiedenen Fleischern. Freiburg, Stuttgart, Augsburg und die Schweiz waren seine Stationen. Heute ist Heinrich Veh, der Oberst der Neheimer Schützen, Fleischermeister und Betriebswirt des Handwerks – einer der ersten, die eine duale Ausbildung gemacht haben. 1987 übernahm er die Fleischerei in der Neheimer Markthalle, 1992 den gesamten Betrieb. Der Obermeister der Fleischerinnung teilt die Leidenschaft für den Beruf mit seiner ganzen Familie. 

Heike Veh ist „die gute Seele des Hauses“  

Gerade mal vierzehn Jahre war Heinrichs Ehefrau Heike, sie als nach der Schule im Geschäft ihres Onkel Alfred Bergkemper auf Bergheim aushalf. „Da hab ich geholfen, die Theke einzuräumen. Und ich weiß noch, dass ich damals schon von meinem Onkel 50 Mark für zwei Tage bekommen habe.“ Nicht nur 50 Mark erhielt sie, sondern auch das Angebot eine Lehre zu machen. Eigentlich gegen den Willen ihrer Eltern, „Aber ich wollte das unbedingt.“ Heute ist Heike im Prüfungsausschuss der Innung und leitet im Familienbetrieb den Verkauf. „Meine Frau ist eine Verkäuferin par excellence. Sie hat den Laden im Griff und ist die gute Seele des Hauses“, schwärmt Heinrich Veh von seiner Frau, „Und sie hat die schönste Thekenauslage westlich des Rheins.“ Die Theke als Visitenkarte: Auch die Kunden geraten ins Schwärmen.    

Die drei Töchter trugen in jungen Jahren Mini-Metzgerkittel 

Mittlerweile sind Heike und Heinrich seit 35 Jahren ein Paar, beruflich und privat. Das Ehepaar hat drei Kinder: Juliane, Theresa und Johanna. Als Kinder waren die drei Mädchen schon immer gern im Geschäft. Mit extra geschneiderten Mini-Metzgerkitteln: „Wir wollen auch so aussehen, wie die Verkäuferinnen. Irgendwie wollen wir schon damals dazugehören“, erinnert sich Johanna. Nach dem Abitur haben die Töchter unterschiedliche berufliche Laufbahnen eingeschlagen. Juliane, die älteste Tochter, ist Veterinärmedizinerin geworden, Theresa und Johanna haben sich für den Familienbetrieb entschieden.  

Theresa Veh und der kurze Umweg übers Studium 

Theresa ist heute Fleischermeisterin. Die Hobbyreiterin hat nach ihrer Meisterprüfung zunächst drei Jahre in Köln gearbeitet und auch „einen Umweg über das Betriebswirtschaftsstudium eingelegt“. Dabei „habe ich doch gemerkt, dass nur Büffeln und stures Pauken nichts meins sind. Ich wollte mitanpacken.“ Also entschied sie sich, das Studium abzubrechen. „Wenn man immer nur hier ist, kann man auch schnell betriebsblind werden. Und man ist immer die Tochter des Chefs“, sagt Theresa. Deshalb waren ihre Studienjahre und die Zeit in Köln auch ungemein wichtig für sie.  

Johanna Veh: Von der Köchin zur Fleischsommelier 

Johanna hat nach dem Abi zunächst eine Ausbildung zur Köchin gemacht und anschließend einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Auch sie hat einige Stationen in ihrem Lebenslauf vorzuweisen: ein gutbürgerliches Restaurant in Dortmund, Sterne-Gastronomie in der Hohensyburg, Eventcatering in Nürnberg, ein Hilton-Hotel in Schweden. „Die Jobs häufig zu wechseln, wird im Büro ja eher nachteilig ausgelegt, als Koch ist das aber ein riesiger Vorteil.“ Dann aber ging es in Richtung Fleischerwesen. In Augsburg war sie an der Fleischerschule, der „Akademie des Fleischerhandwerks“, hat eine Fortbildung zur Fleischsommelier gemacht. Aktuell arbeitet sie in Bonn als Eventmanagerin, weil sie mit ihren Mann aus beruflichen Gründen dorthin gezogen ist. Deshalb ist sie nur sporadisch in Neheim: „Aber im nächsten Jahr geht es ganz zurück in unsere Fleischerei.“ 

Johannes Zimmerling: Jüngster NRW-Fleischermeister mit 18 Jahren 

Der Lebensgefährte von Theresa, Johannes Zimmerling, wollte nach der Schule, statt zu studieren, lieber etwas machen „wo man anpacken kann“. Eines Morgen, er war mit seinem Vater auf der Jagd, sagte dieser zu ihm: „Junge, warum wirst du eigentlich kein Metzger? Du isst doch gern Wurst“. Also machte er zunächst ein Praktikum, dann in 2,5 Jahren die Ausbildung bei Veh. Anschließend ging es auf die Meisterschule. Bereits nach sechs Monaten hatte er seinen Meisterbrief in der Tasche. Mit gerade mal 18 Jahren war er damals der jüngste Fleischermeister NRWs In den alten Betrieb zurückzukehren, kam für ihn zunächst nicht in Frage. „Wenn man sofort wiederkommt, bleibt man „Stift“. Ich war auch erst 18 und die Gesellen fast alle doppelt so alt.“ Das konnte Heinrich Veh verstehen: „Du gehst – und kommst dann zurück!“ Zunächst ging er in eine andere Fleischerei, dann für 1,5 Jahre in die Industrie, nach Coesfeld auf den Schlachthof von Westfleisch. „Da habe ich auch viel gelernt, aber es war eine ganz andere Richtung, sehr innovativ. Schließlich zog es ihn wieder nach Neheim.  

Tierwohl spielt eine große Rolle 

„Mit den Erfahrungen und Ideen, die durch die Aufenthalte eingebracht werden, haben uns die jungen Leute schon ganz schön weitergebracht“, sagt Heinrich Veh. Stichwort Tierwohl. Vor einem gutem Jahr ist man auf „Strohschweine“ umgestiegen. Ganz leicht fiel Heinrich Veh die Entscheidung nicht, „denn die kosten mehr als andere Schweine“. Die Resonanz auf die „Strohschweine“ war gewaltig. „Es sind vor allem jungen Familien mit kleinen Kindern, denen das Tierwohl besonders am Herzen liegt.“ Vor einigen Monaten zog Veh auch beim Rindfleisch nach.  

Keine Nachwuchsprobleme 

Nachwuchsprobleme gibt es im Hause Veh nicht. Derzeit werden zwei Azubis ausgebildet, im Verkaufsbereich und in der Produktion. Die Auszubildenden ernst nehmen, sie fair zu behandeln und sie auch gelegentlich in Entscheidungen einzubeziehen, ist für die Vehs selbstverständlich. Dort werden sie aber vor allem von der Begeisterung für ihren Beruf angesteckt, „Fleischer ist der am meisten unterschätzte Beruf“, findet Heinrich Veh. Allerdings nicht in seiner Familie, denn die sagt unisono:  „Wir leben Fleisch“.