„Die Kuh genießt den Roboter!“

Foto: Tom Linke & Kirsten Lody

Hochmoderne Technik auf einem Caller Bauernhof

Für die beiden Bauern Markus Wegener und Friedrich Blanke aus Calle bei Meschede dient ihr Beruf nicht nur dem Broterwerb. Wenn die beiden über den von ihnen geführten Milchviehbetrieb mit einem Bestand von über 100 Kühen und über die für die Höfe des umliegenden Sauerlandes durchgeführten (Lohn)-Arbeiten berichten, merkt man sehr schnell, dass sie ihre Arbeit lieben und leben. Mit vor Staunen o­ enem Mund erfährt der Laie, was hochmoderne, digitale Technik auf dem Bauernhof der Gegenwart alles leisten kann.

Interview im Kuhstall

Die Gespräche mit den beiden Bauern finden selbstverständlich nicht im Büro, sondern vor Ort, also im Kuhstall, auf dem Traktor und der Weide statt. Friedrich Blanke ist der Hauptverantwortliche für die 110 Kühe des Hofes. „Wir standen vor einigen Jahren vor der Entscheidung, den Melkstand zu erneuern, da der Melkprozess mit dem alten Stand einfach zu lange dauerte“, berichtet der Bauer. „Wir haben uns dann statt für einen neuen Melkstand dafür entschieden, in zwei moderne Melkroboter zu investieren – und sind heute sehr glücklich mit unserer Entscheidung“. Die Kühe geben unterschiedlich viel Milch: In der sogenannten „Hochleistungsgruppe“ befinden sich die Kühe, die im Durchschnitt 38 bis 40 Liter Milch pro Tag geben, vereinzelt sogar bis zu 55 Liter. Wie kann man sich nun einen typischen Tag im Stall vorstellen?

Foto: Tom Linke & Kirsten Lody
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24 Stunden am Tag kann gemolken werden

„Der Roboter läuft 24 Stunden am Tag“ so Friedrich Blanke, „aber unterbrochen werden die Melkprozesse natürlich von Spül- und Desinfektionsphasen, außerdem bestimmen die Kühe ja den Rhythmus mit!“ Eine erstaunliche Tatsache, die später noch erläutert wird. Fehler passieren gelegentlich auch beim Melkbetrieb per Roboter, aber, so Blanke „der Roboter ruft mich dann auf dem Handy an!“ Wie geht denn das? Die Kühe tragen tatsächlich alle – neben ihren Erkennungsmarken im Ohr – zwei Halsbänder, die mit Sensoren ausgerüstet sind, welche wiederum die Verbindung zum Melk-Computer herstellen. Sollte sich nun etwas Außergewöhnliches ereignen – es löst sich beispielsweise ein Schlauch am Melkarm oder die Reinigung bzw. die Desinfektion funktioniert nicht ordnungsgemäß – setzt der Roboter automatisch eine exakte Fehlermeldung ab, die den Bauern per Handy erreicht. Dieser kann dann entscheiden, ob der Fehler sofort behoben werden muss, oder die Korrektur einige Stunden warten kann. „Schon angenehm, diese Genauigkeit. Gerade, wenn man nachts um drei Uhr angerufen wird“, berichtet Friedrich Blanke mit leichter Ironie in der Stimme.

Der perfekte Überwachungsgehilfe für Landwirte

Foto: Tom Linke & Kirsten Lody
Foto: Tom Linke & Kirsten Lody

Der Melkroboter kann aber noch viel mehr: Die Sensoren können beispielsweise feststellen, ob die Kuh brünstig ist und besamt werden muss. Oder ob die Milch über 40 Grad warm ist (was ein Anzeichen für Fieber sein kann). Die gerade gemolkene Kuh erhält automatisch – je nach Milchabgabemenge – sofort einen entsprechenden Kraftfutteranteil, außerdem werden Eiweiß- und Fettgehalte der Milch gemessen. Auch das Wiederkauverhalten kann gemessen werden, indem der Roboter per Sensor die „Auf und Ab-Bewegungen“ des Kiefers notiert. Wichtig, da das Wiederkäuen Auskunft über die Qualität des Futters gibt. Schon selbstverständlich erscheint, dass jede Kuh jeden Tag vom Roboter gewogen wird, so dass der Landwirt etwa bei außergewöhnlicher Gewichtsabnahme reagieren kann.

Den Kühen geht es gut!

Auf meine Frage, wie es den Kühen dabei geht, antwortet Friedrich Blanke voller Überzeugung: „Die Kuh genießt den Roboter!“ Und er macht dies auch gleich an einem Beispiel fest: Früher wurden die Kühe meistens zweimal, beispielsweise morgens um 8.00 Uhr und abends um 18.00 Uhr gemolken. Wenn sich die Kuh allerdings in einer Hochleistungsphase befindet, kann es sein, dass sie selbst schon früher, etwa mittags, das Bedürfnis hat, gemolken zu werden (sprich: einen geschwollenen und auch schmerzenden Euter hat). Tatsächlich werden die Kühe also nicht zum Melken geführt, sondern sie stehen selbst auf und suchen den Melkautomaten auf – ihr Instinkt führt sie dorthin!

Gerade bildet sich eine Schlange vor dem Melkroboter, fast ein bisschen so wie beim „Drive-In“…

Abschließend versichert uns Bauer Blanke authentisch, dass der Milchvieh-Betrieb nicht ausschließlich auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist: „Wir wollen, dass es unseren Kühen auch gut dabei geht, und wir sind überzeugt, mit dem Einsatz des Melkroboters den richtigen Schritt dahin getan zu haben!“

Alles ist bis ins Detail digital gesteuert

Wir wechseln nun ins Freie, auf eine der anliegenden, wunderschön saftig-grünen Weiden, die sich sanft hügelig von allen Seiten an den kleinen Ort Calle mit seinen Fachwerkhäusern und der Kirche in der Dorfmitte schmiegen. Hier wartet schon Markus Wegener, der uns auf den Beifahrersitz des hochmodernen Traktors, eher eine Multifunktions-Landmaschine, einlädt. Zwei Bildschirme im Fahrerstand fallen sofort auf. Einmal ist das der Steuerungs-Computer, das andere Mal das GPS-Gerät. „Mit der Steuerung kann ich zum Beispiel die Menge der Gülle steuern, die auf die Weiden ausgebracht wird. Einmal eingespeichert, wird jeweils die gleiche Menge ausgebracht, vollkommen unabhängig von der Geschwindigkeit des Traktors oder der Geländebeschaffenheit,“ so Bauer Wegener. Das GPS hingegen ist unter anderem zuständig für die Einstellung der „Arbeitsbreite“ der angehängten Gerätschaften. Sehr wichtig ist außerdem die genaue Einstellung der „Arbeitsspur“, welche der Traktor auf den Weiden zurücklegt. Diese kann gerade, mit Kontur oder kreisförmig angelegt und eingespeichert werden.

Foto: Tom Linke & Kirsten Lody
Foto: Tom Linke & Kirsten Lody

Hört sich nicht nach etwas Besonderem an? Nun, die Spur wird für jedes Feld, welches der Betrieb in der Umgebung bearbeitet, im Computer eingespeichert. Dies bedeutet, dass so passgenau gearbeitet werden kann, dass auch die kleinste Überlappung, sprich das mehrmalige Befahren des gleichen Bereichs, vermieden werden kann. Das spart immens – sowohl Zeit, Material (Dünger genauso wie Diesel) und damit auch Kosten. Zudem, werden auch die unterschiedlichen Arbeitsbreiten für die angehängten Geräte, sei es das Güllefass, die Sämaschine oder ein Pflug, nach einmaligem Speichern wiedererkannt. Markus Wegener: „Die Technik macht einfach unübertroffen effizientes Arbeiten möglich. Sogar die Materialverschwendung bei kleinen Spitzen oder Ecken des Feldes wird vermieden, da dort einfach für kurze Zeit die Maschine automatisch abgeschaltet wird!“

Markus Wegener und Friedrich Blanke geben, nach der Länge ihrer Arbeitstage befragt, Folgendes zur Auskunft: „Es geht morgens gegen 05.30 Uhr los, und jetzt in der Erntezeit, endet der Tag nicht vor 23.00 oder auch 24.00 Uhr. Nach der Ernte wird es aber etwas entspannter… .“

Abschließend lässt sich eines feststellen: Die erfolgreiche Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist auch heute noch, bei aller modernen Hilfe, ohne Leidenschaft und sehr großen persönlichen Einsatz nicht vorstellbar!