Die junge Generation – wirklich so schlimm wie ihr Ruf?

„Die Jugend von heute…“
Ob sie nun Generation Z heißt oder Generation Alpha, Generation E … grundsätzlich wird über die jüngere Generation geschimpft: Sie sei fauler, respektloser und vor allem ungebildeter als die eigene. Die Jugend von heute möchte vor allem Spaß haben und möglichst ohne viel Aufwand das große Geld und den Erfolg.

Sie gibt auf, wenn es mal schwierig wird und geht den Weg des geringsten Widerstands, inszeniert sich selber auf Instagram und Co., anstatt sich um Schule und Arbeit zu kümmern.

Haben Sie gerade zustimmend genickt? Ist Ihnen ein Seufzer aus tiefster Seele entwichen? Willkommen – dann gehören Sie wohl auch der älteren Generation an.

Vielleicht ist an der Behauptung etwas dran, dass die junge Generation viel weniger Eigeninitiative ergreift und bei vielen Dingen einfach den Hintern nicht hoch bekommt. Vielleicht ist es aber auch nur die Verklärtheit der eigenen Jugend im fortgeschrittenen Alter, die uns Ältere so denken lässt?

Oder ist es der unterschwellige Neid, da durch den wachsenden Wohlstand und technischen Fortschritt heute vieles leichter ist als in der eigenen Jugend? Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen.

Technischer Fortschritt macht bequem

Die Zeit ist schnelllebiger geworden und die Jugend muss mithalten. Wer den technischen Fortschritt nicht mitgeht, bleibt auf der Strecke.

Die sogenannte Generation Z bezeichnet die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ab Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre geboren wurden. Sie sind die „digital natives“, also mit Internet, Smartphone und Co, aufgewachsen.

Es ist wahnsinnig praktisch, mal eben, immer und überall im Internet nach Informationen zu suchen, eine Route zu navigieren, einzukaufen oder Nachrichten zu verschicken. Informationen, Dienstleistungen, Kommunikation per Smartphone – zu jeder Zeit, an jedem Ort. Während die Oma noch Gemüse im eigenen Garten anbaute und für den Winter Vorräte anlegte, können wir heute vom Sofa aus Essen bestellen und nach Hause liefern lassen. So gut wie alles ist digital zu erledigen und wir müssen kaum noch das Haus verlassen, wenn wir nicht wollen.


Die Jugendlichen von heute nutzen die Möglichkeiten, die wir früher nicht hatten

Vom Telefon mit Kabel, Wählscheibe und Brokatüberzug zum Smartphone, vom Brockhaus-Lexikon zum YouTube-Video, von der Schallplatte zu Streaming-Diensten – in den letzten Jahrzehnten hat eine rasante technische Entwicklung stattgefunden, die die junge Generation selbstverständlich annimmt und nutzt.

Viele junge Menschen scheinen aber mit ihrem Smartphone regelrecht verwachsen zu sein und bekommen quasi Phantomschmerzen, wenn mal keine stabile Internetverbindung besteht.

Sicherlich gibt es Jugendliche, die einen Großteil ihrer Zeit im Internet verbringen und diese aus Sicht der älteren Generation auch mit unsinnigen, unnötigen Dingen und Blödsinn vergeuden. Sie scheinen tagein, tagaus nur noch zu daddeln und sich nicht mehr anders beschäftigen zu können. Aber dürfen wir Älteren ihnen das vorwerfen? Ganz ehrlich, wie oft schauen wir heute selbst auf unser Smartphone? Mal eben die E-Mails checken oder in den sozialen Netzwerken schauen, was es Neues gibt, aus Angst, etwas Wichtiges zu verpassen.

Nicht alle in einen Topf werfen

Eine Generation besteht aber aus Individuen, die nicht alle gleich behandelt werden sollten. Jede Generation hat ihre Mitläufer, Nutznießer, Querulanten und Ignoranten hervorgebracht. Aber viel wichtiger ist doch: In jeder Generation gibt es auch Menschen, die sich engagieren, sei es für ihre Mitmenschen oder für ihre Umwelt, die den Mut haben, neue Wege zu gehen und gegen den Strom zu schwimmen; Menschen, die ehrgeizige Ziele verfolgen und sich für das Miteinander einsetzen.

Technik war schon immer Fluch und Segen

Im Hinblick auf die soziale Isolation während der Corona-Zeit ist das Internet und die Kommunikation über Handy oder Video-Chat ein Segen gewesen für die meisten Jugendlichen. Und auch so haben sie genug ertragen. Keine Freunde sehen, wochenlang nur Geschwister und Eltern zu Gesicht bekommen.

Wie viel mehr hätten sie ohne diesen digitalen Kontakt gelitten? Die steigende Zahl der Hilfesuchenden bei Ärzten und Therapeuten zeigt doch, dass Jugendliche unter der Isolation leiden und den Umgang mit Gleichaltrigen brauchen. Also genauso wie die Generation davor und davor und davor.

Das hätten wir uns früher nicht erlaubt

In manchen Situationen mögen viele aus der Großelterngeneration denken, dass sie sich als Kinder und Jugendliche damals nicht erlaubt hätten, so respektlos gegenüber Erwachsenen aufzutreten. Heißt erlaubt hätten vielleicht getraut hätten? Aus Angst vor körperlicher oder psychischer Bestrafung? Weil manche von ihren Eltern oder Lehrern geschlagen wurden?

Bestimmt fehlt es einigen Kindern und Jugendlichen heute an Respekt und guten Umgangsformen, aber es ist gut, dass es Strafen wie in früheren Jahren nicht mehr gibt. Gewalt und Angst sind keine angemessenen Erziehungsmethoden und das waren sie auch früher nicht.

Sätze wie „Das hat uns früher auch nicht geschadet“ sind einfach falsch. Doch, jeder Schlag hat geschadet. Da gibt es nichts schön zu reden. Was ist denn hinter verschlossenen Türen passiert, als die Männer aus dem Krieg kamen? Nichts ist aufgearbeitet worden, weitermachen, wieder aufbauen, vergessen war die Devise. Kinder und Jugendliche in den 1950er Jahren mussten gehorchen und funktionieren. Widerworte gab es nicht. Es war der Situation geschuldet und im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber es darf auch nichts beschönigt werden.

Der Enkelgeneration darf nicht vorgeworfen werden, dass sie keinen Krieg erlebt hat, dass sie nicht mehr auf dem Feld oder im Stall schuften muss, sondern ihre Freizeit mit Sport, Musik oder Freunden frei gestalten kann. Es ist gut, dass in unserem Land seit über siebzig Jahren kein Krieg mehr herrscht. Und es ist gut, dass es den meisten Kindern und Jugendlichen psychisch und physisch gut geht, sie keinen Hunger leiden müssen, zur Schule gehen können und ein Zuhause haben.

Natürlich gibt es auch heute noch Familien, die in Armut leben und niemand kann sagen, was hinter verschlossenen Türen passiert. Das war immer so und wird vermutlich leider immer so sein.

Der Großteil der Kinder und Jugendlichen im Sauerland hat aber heute das Glück, in Frieden und Wohlstand aufzuwachsen. Das lässt vielleicht in manchen Situationen eine gewisse Dankbarkeit und Demut vermissen. Aber wer nie Not leiden musste, kann sich ja auch schlecht in solche Situationen hineinversetzen.

Meine eigene Kindheit und Jugend in den 1970er und 1980er Jahren war sicherlich anders gestaltet, als die meiner Kinder heute. Wir sind nach der Schule nach draußen gegangen und haben mit den Kindern gespielt, die wir im Dorf getroffen haben. An Langeweile kann ich mich nicht erinnern. Unsere Eltern wussten nicht, was genau wir machten und wo wir uns aufhielten. Allein die Kirchenglocken waren für uns das untrügliche Zeichen, nach Hause zu gehen. Diese Kindheit funktionierte ganz ohne Handy, GPS-Tracker oder Whatsapp.

Das ist bei den meisten Kindern heute anders und vielen Eltern würde eine Portion Vertrauen in ihre Kinder nicht schaden. Sie sollten ihre Kinder loslassen, anstatt sie mit einem GPS-Tracker zu verfolgen oder ihnen alle noch so kleinen Steine aus dem Weg zu räumen.

Aber was hätten wir damals gemacht, wenn die unendliche Welt des Internets schon erfunden und wir alle ein Smartphone besessen hätten? Hätten wir trotzdem mit den Nachbarkindern Ball gespielt, Gummitwist und Humpelkästchen? Wir hätten das Smartphone genauso genutzt, wie die Kinder und Jugendlichen heute. Trotzdem glaube ich, dass gemeinsames Spielen, Streiten und wieder Vertragen gut für das soziale Miteinander war, die Fähigkeit, soziale Bindungen aufzubauen, sich in einer Gruppe zu bewegen und Empathie zu entwickeln.

Viele Jugendliche verbringen heute viel Zeit im Internet und ihre Kommunikation mit Freunden hat sich zum großen Teil in die Welt der sozialen Netzwerke und Messenger verlagert. Das soziale Miteinander haben sie aber trotzdem nicht verlernt.

Dinge verändern sich – mal zum Guten, mal zum Schlechten

Spiel- oder Handysucht, Mobbing in sogenannten sozialen Netzwerken, Hass und Hetze – das ist die Kehrseite der Medaille.

Ob die Jugend von heute es in allem leichter hat? Schwer zu sagen. Sie hat mit anderen Dingen zu kämpfen. Zum Glück müssen sich wohl die meisten Familien hier auf dem Land keine Sorgen machen um ein Dach über dem Kopf, gesichertes Einkommen, ausreichend Nahrung und Kleidung, Schulbildung.

Dafür gibt es häufig Wohlstandssorgen, Sozialneid, Mobbing, Ausgrenzung, Anfeindungen und sozialen Druck. 24/7 online, praktisch immer erreichbar zu sein – auch das kann Druck erzeugen. Auch die Gefahren, die von unbedachtem Surfen im Internet ausgehen, sind nicht zu unterschätzen. Deshalb müssen Kinder und Jugendliche begleitet und nicht mit diesen potentiellen Gefahren alleine gelassen werden. Medienkompetenz ist heute wichtiger denn je.

Den Jugendlichen steht die Welt offen. Ob das aber die Entscheidung, welchen beruflichen oder privaten Weg jemand einschlagen soll, erleichtert? Die Fülle an Möglichkeiten kann auch erdrückend sein. Schneller, besser, weiter, keine Zeit verlieren. Gute Noten, guter Abschluss, unbedingt studieren und viel Geld verdienen. Auch der soziale Druck unter vielen Eltern und Jugendlichen ist in den letzten Jahren enorm gewachsen.

Voneinander lernen statt Generationenkonflikt

Wahrscheinlich ist der optimale Weg, einen Generationenkonflikt zu vermeiden, voneinander zu lernen. Die Jugend kann von der Erfahrung der Älteren profitieren und die Älteren sich von der Begeisterung und Lässigkeit der Jugend etwas abschauen. Die Zeiten ändern sich und das sollten wir akzeptieren.

Nicht vergessen sollten wir auch, dass die junge Generation viele Fehler unserer oder unserer Eltern- und Großelterngeneration wieder ausbügeln muss, die durch politische Fehlentscheidungen, Umweltzerstörung, Konsumverhalten oder Ignoranz entstanden sind. Ich habe die große Hoffnung, dass spätestens die übernächste Generation, also die ab 2010 Geborenen, die neueste Technik einsetzt, um soziale Gerechtigkeit zu etablieren und letztendlich unseren Planeten zu retten, anstatt sie für die Verbreitung von sinnbefreiten Katzenvideos, Cybermobbing und -kriminalität zu missbrauchen.

Jede Generation steht für sich – und doch sollten wir alle voneinander lernen, uns gegenseitig wertschätzen und uns so verhalten, dass es der vorangegangenen und auch der nachfolgenden Generation gut geht.

Hinsichtlich solcher Bewegungen wie Fridays for Future, die weltweit junge Menschen für den Klimaschutz vom Sofa auf die Straße lockt, habe ich keine Bedenken, dass die Jugend von heute ihre Möglichkeiten verspielt. Wir sollten einfach mehr miteinander, statt übereinander reden und gemeinsam für eine gesicherte Zukunft in einer intakten Umwelt kämpfen. Aber auch die Jugend muss sich offen zeigen für den Erfahrungsschatz der älteren Generationen, damit gemachte Fehler sich nicht wiederholen.