Die Hundeversteher aus dem Sauerland

Erziehung der Hunde und Management der Menschen

Erstaunlich und bemerkenswert! Ein vor einigen Tagen auf der Facebookseite von WOLL geteiltes Bild mit einem netten Hund im Mohnfeld und der Frage: „Wie sieht euer Sauerland-Hund aus?“ erreichte bis zum Tag dieses Berichtes (27. Mai) über 46.000 Personen im Sauerland. Fast 7.000 Personen interagierten mit diesem Post. Sie teilten den Beitrag mit Bekannten und Freunden, schrieben einen Kommentar oder zeigten das Foto ihres „Sauerland-Hundes“. Hunde begeistern. Hunde regen zu Gesprächen an. Hunde machen Freude. Hunde scheinen ein wichtiger Teil im Alltag vieler Menschen im Sauerland zu sein. Wenn es dann auf einmal eine Website mit dem überraschenden Namen www.sauerlandhund.com gibt, dann ist die Neugier groß, etwas mehr über das Zentrum SauerlandHund zu erfahren.

Mensch und Hund unter die Lupe nehmen

Hubertus Theile aus dem großen Kückelheim und ich haben ein Kennenlernen für Sonntagmittag im Zentrum SauerlandHund vereinbart. Unser Treffpunkt ist die ehemalige Volksschule in Niederlandenbeck. Über Jahrzehnte befand sich dort nach Schließung der ehemaligen Dorfschule in den 70er Jahren ein Landschulheim. Vor einem Jahr haben Andre Papenberg und Jana Scholz das Gebäude am Abzweig Niederlandenbeck/Hengsbeck gekauft. Jungen und Mädchen werden hier jetzt nicht mehr unterrichtet. Dafür Hunde – und das sollte sofort gesagt sein – insbesondere deren Besitzerinnen und Besitzer. Aus der Volksschule ist eine Hunde- und Hundemenschenschule geworden.


Wir treffen Carolin Acker (35) mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn Carl. Zwei riesige, sehr entspannte Hunde begleiten sie. Die Industriekauffrau wohnt mit ihrer Familie, den beiden Rhodesian Ridgebacks, wie wir jetzt erfahren und drei Katzen im Repetal. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, sind Hunde, Katzen und Tiere seit sie denken kann, ihre Begleiter. Carolin Acker setzt sich seit 2015 mit der Ernährung, also dem gesunden und bedarfsgerechten Futter für Hunde auseinander. „Meine eigenen Hunde werden mit BARF versorgt, einer Ernährungsmethode für Hunde, bei der das Futter individuell aus Rohfutter zusammengestellt wird.“ Im Jahr 2017 gründete Carolin Acker die „Sauerländer Schnauzen“ für handgemachte Hundeaccessoires und Leckerchen, welche sie bis heute erfolgreich vertreibt. Ausserdem  seit 2020 vom VDH und FCI als Züchterin anerkannt. „Durch mein Interesse am Thema Hund und dessen Ernährung, entschied ich mich für eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin mit Schwerpunkt BARF für Hund und Katze, und das ist jetzt die Dienstleistung, die ich im Zentrum SauerlandHund anbiete“, sagt die Hundeversteherin aus dem Repetal. Vor dem Hintergrund der Zunahme fütterungsbedingter Erkrankungen (beispielsweise Allergien, Nierenerkrankungen, etc.) bei Haustieren und dem Wunsch der Besitzer, ihr Tier hochwertig, auf den eigenen Hund abgestimmt und vor allem gesund zu ernähren. Aus diesem Grund suchen viele Tierhalter nach einer Alternative. „Meiner Meinung nach ist BARF da die beste Lösung. Die Zusammensetzung der Ration orientiert sich dabei am Aufbau eines potentiellen Beutetiers und ahmt durch die Zugabe weiterer Futterkomponenten die natürliche Futterzusammensetzung eines wild lebenden Caniden nach“, so Carolin Acker.

Wenige Meter entfernt sitzt Tanja Krüger (32). 2019 hat sie die Ausbildung zur Hundephysiotherapeutin nach der Methode Blümchen/Wosslick ® erfolgreich abgeschlossen. Danach konnte sie ihre Liebe zum Tier zum Beruf machen. Damit nicht genug, hat Tanja Krüger direkt im Anschluss daran eine Ausbildung zur Hundeosteopathin absolviert. „Fort- und Weiterbildungen sind für mich selbstverständlich und mit einem abgeschlossenen Lerninhalt schließt sich immer ein Neuer an“, sagt die zweite Hundeversteherin in der Runde. Sie lebt zusammen mit den zwei Irish Soft Coated Wheaten Terriern Maybe und Jondis in Attendorn-Neuenhof. „Die beiden Hunde sind aus eigener Zucht.“ Seit 2004 züchtet die Familie diese lebhafte Hunderasse. „Ich bin den Terriern verschrieben“, sagt Tanja Krüger. Seit Eröffnung des Zentrums SauerlandHund bietet sie die Behandlungen nicht nur in Attendorn-Neuenhof, sondern auch in Niederlandenbeck an.

Die dritte Hundeversteherin Tina Schröder (34) ist studierte Menschenversteherin. Die Erziehungswissenschaftlerin arbeitet und promoviert in einem Forschungsprojekt an einer Universität, hat sich aber zusätzlich theoretisch und praktisch der Mensch-Hund-Beziehung verschrieben. „In jeder Interaktion mit dem Hund müssen wir Menschen uns auch selbst erkennen und begreifen – damit wir angemessen kommunizieren können, müssen wir unsere menschlichen ‚blinden Flecken‘ sehen und reflektieren lernen“, sagt Tina Schröder. In Seminaren thematisiert sie Erkenntnisse aus der Wissenschaft, die dabei unterstützen, menschliches Verhalten in Interaktion mit dem Hund wahrzunehmen und erklärt in welchen Punkten Missverständnisse und Konflikte entstehen können. „Um erfolgreich zu kommunizieren, müssen wir wissen, was uns kognitiv und sozial von unseren Hunden unterscheidet – eine Beziehung hat immer zwei Seiten und für einen gelingenden Dialog müssen wir uns auch selbst in den Fokus nehmen.“ Mit ihrem Border Collie und einem Border Collie-Mischling erlebt sie die sozialen Mensch-Hund-Beziehungen im täglichen Zusammenleben.

Andre Papenberg (32) ist studierter Maschinenbautechniker und war lange Jahre Bereichsleiter in der Automobilindustrie. In Sachen „Hund“ hat er sich schon früh mit Fragen der Erziehung beschäftigt – insbesondere weil seine Familie Jahre lang Deutsche Schäferhunde züchtete und in der Gebrauchshundearbeit aktiv war. Jetzt, nach einem erfolgreich absolvierten CANIS-Studium ist er der Leiter des Zentrums SauerlandHund und konnte seine Passion zum Beruf machen. Neben Fürsorge für die eigenen Hunden, ist der Hundefreund aus Niederlandenbeck ehrenamtlich im Tierschutz tätig und nimmt regelmäßig Hunde zur Pflege. Zudem steht er im Tierschutz jederzeit als Berater zur Verfügung. So sammelte Andre Papenberg im Laufe seines Lebens viele Erfahrungen über unterschiedliche Hundetypen und stellte dabei immer wieder fest, wie faszinierend eine Mensch-Hund-Beziehung ist. Dieses Wissen bietet er jetzt zum Nutzen von Hundehalterinnen und -haltern, Tierschützerinnen und -schützern und Hundefreundinnen und -freunden im Hundezentrum an. Im Juli wurde Andre Papenberg zum 1. Vorsitzenden des Berufsverbandes zertifizierter Hundetrainer e.V. gewählt. Im Zentrum SauerlandHund unterstützt ihn Lebensgefährtin Jana Scholz (25) bei allen Themen tatkräftig und sachverständig.

Jana Scholz arbeitet neben ihrem Hauptberuf im Qualitätsmanagement in der Industrie schon lange mit Hunden. Auch sie hat bei CANIS studiert und die Hundetrainerausbildung durchlaufen. Das Thema der Kommunikation zwischen Hund und Mensch interessiert sie besonders. Mehrere Jahre hat sie in der Rettungshundestaffel Südwestfalen mitgearbeitet. Dort konnte sie die verschiedensten Hundetypen dazu ausbilden, Menschen auf einer großen Fläche von rund 100.000 Quadratmetern und unter verschiedensten Wetter- und Umweltbedingungen zu suchen und anzuzeigen. Jana Scholz: „Dabei lernt man, wie vielseitig ein Hund lernen und motiviert werden kann. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich Rettungshunde bei der Arbeit sehe! Es ist beeindruckend, was unsere Hunde lernen können.“ Ein anderes Thema, das Jana Scholz sehr am Herzen liegt, ist der Umgang mit größeren Hunden. „Wir hatten schon einige schwierige Hunde in Pflege, mit denen wir trainiert haben um sie dann in ein neues Zuhause zu vermitteln. Einige der Hunde hatten bereits gebissen oder sind anderweitig Auffällig geworden. Ich denke, gerade kleine Menschen mit großen Hunden können sich bei mir Tipps abholen.“ Jana möchte die Hundehalterinnen und -halter bei der Hundeerziehung ermutigen, vor allem authentisch zu sein und auch sich selbst und ihre Wünsche an das gemeinsame Zusammenleben wahrzunehmen. Die Hundeversteherin lacht: „So, wie es viele unserer Hunde schon auf eine so herzige Art und Weise tun.“ 

Spirit der Hundeschule SauerlandHund

Wir betrachten das Thema „Hund und Mensch“ ganzheitlich. Daher bewerten wir im Hundetraining nicht ausschließlich situativ, sondern nehmen das ganze Zusammenleben mit dem Hund unter die Lupe. Hundehalter oder Hundehalterinnen geben das Ziel vor und gemeinsam erarbeiten wir einen Weg dorthin. Dazu ist es wichtig, mit den Haltern einerseits sich selbst, andererseits Rasse, Herkunft und Entwicklung des Hundes zu betrachten, um die Ziele bei Mensch und Hund im Verlauf des Trainings anzupassen. Nicht jeder Hund kann alles leisten – mancher Hund will auch mehr leisten als sein Mensch erwartet – andersherum genauso. Jeder Hund und jeder Mensch sind einfach individuell, aber gleichermaßen muss jeder Hund und jeder Mensch in seinen Bedürfnissen und Zielen wahrgenommen werden, damit ein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann

„Hundehalter und Hundehalterinnen kommen gegebenenfalls mit ernsten Problemen zu uns. Sie benötigen Hilfe und die bekommen sie hier.“

Mensch und Hund müssen ein gutes Team sein. Das kann über die Erziehung des Hundes und in Kombination dazu, besonders bei aggressiven Hunden, über das gelungene Management durch den Menschen geschehen. In der Zusammenarbeit mit Carolin Acker und Tanja Krüger decken wir Ernährungsthemen sowie die gesundheitliche Vorsorge und Nachsorge im Bereich Physiotherapie/Osteopathie ab.

Zusammen mit Tina Schröder führen Andre Papenberg und Jana Scholz Vorträge, Seminare und individuelle Coachings im Bereich Hundeverhalten und Mensch-Hund-Beziehungen durch. Das wissenschaftliche Fundament ist gemäß dem Motto „Coach den Coach“ nicht nur für die Arbeit mit Hundehalterinnen und -halter, sondern auch innerhalb des Teams wichtig. Regelmäßig setzen sich alle fünf Teammitglieder zusammen und coachen sich gegenseitig in den Bereichen, in denen sie jeweils Experten sind. Das bietet immer wieder Gelegenheit, neue gemeinsame Pläne und tolle multidisziplinäre Angebote zu erstellen. Das übergeordnete Ziel des Teams ist es, die richtigen Ansätze für Hund und Mensch zu finden. Und das unter Berücksichtigung des Wohles von Hundehalterinnen und -haltern, des Hundes, anderer Tiere und unserer Mitmenschen.

„Stimmt die Beziehung zwischen Mensch und Hund nicht, ist eine erlernte Technik am Ende eben nur eine Technik, die keine nachhaltige Wirkung hat.“

„Wir legen sehr viel Wert auf ein gesundes Fundament und einen kynologisch-pädagogisch-, und physiologisch sinnvollen Trainingsansatz Wir wollen Hund und Mensch ganzheitlich betrachten.“

*) Kynologie (griechisch κύων kýōn, deutsch ‚Hund‘ und -logie) ist die Lehre von Rassen, Zucht, Pflege, Verhalten, Erziehung und Krankheiten der Haushunde.