Die Herhagener St. Laurentius-Kapelle

Wo die Kirche noch mitten im Dorf steht

Vom Durchfahren kennt man Herhagen gut, liegt es doch als beinahe letzter Esloher Ortsteil vor Meschede und nahe der B55. Die Kapelle hingegen wird auf den ersten Blick kaum jemandem aufgefallen sein, sie liegt leicht versteckt hinter der Brücke im 70-Seelen-Dorf. Fast wie eine Hofkapelle wirkt sie, kaum höher als das Dach des Kuhstalls direkt gegenüber.

Beim Hereinkommen fällt der Blick sofort auf den hölzernen Altaraufbau. Hier sind neben Jesus am Kreuz auch der Heilige Laurentius sowie der Heilige Joseph zu sehen. Die modernen, dezent gestalteten Fenster lassen viel Licht herein. Erbaut wurde die Kapelle im Jahre 1681 als Fachwerkkapelle: Ein sorgfältig geschnitzter Holzbalken, der den Altarraum einrahmt, weist auf das Erbauungsjahr hin. 1945 wurde die Kapelle durch Granateinschläge beschädigt. Nach Kriegsende übernahm die Dorfgemeinschaft die Renovierung, sodass die Kapelle schon im Januar 1949 neu eingeweiht werden konnte. Der Altaraufbau konnte aus der alten Kapelle übernommen werden, Altartisch und Bänke wurden neu angefertigt. Seit 1985 steht die Kapelle unter Denkmalschutz. Vom starken Hochwasser im Juli 2021 blieb das Gebäude glücklicherweise verschont: Einige Häuser liefen mit Wasser voll und auf der Straße stand das Wasser fast kniehoch, erreichte die Kapelle jedoch nicht.

Am 10. August wird anlässlich des Patronatsfests von den Herhagenern eine Messe gefeiert. Das ist der Todestag des Heiligen Laurentius, einem als sehr sozial geltendem Erzdiakon aus dem dritten Jahrhundert, der mit Geldbeutel, Broten und Rost dargestellt wird. Der Sage nach wurde er zum Tod auf dem glühenden Rost verurteilt, tatsächlich aber erfolgte die Hinrichtung durch Enthauptung. Eine Reliquie des Hl. Laurentius findet sich im Altar. Außerdem dient der Kapellengrund als Grabstätte für sieben französische Soldaten aus dem Siebenjährigen Krieg (1756–63).

Christine Koch: Grundlage für ihren Lebensweg in Herhagen

Einige Meter weiter liegt das Geburtshaus der Lyrikerin Christine Koch. Sie ist weit über die Grenzen des Sauerlandes bekannt und schrieb Gedichte in sauerländischer Mundart. 1869 als Christine Wüllner, Tochter eines Bauern, geboren, war sie zunächst Lehrerin in Duderstadt, Padberg und Vogelheim (heute Stadtteil von Essen), bis sie 1905 aus gesundheitlichen Gründen den Schuldienst quittierte und ihren Vetter Wilhelm Koch aus Bracht heiratete. Sie war als Mutter, Hausfrau, Land- und Gastwirtin tätig und trat 1920 als Schriftstellerin dem Sauerländischen Künstlerkreis bei. Dessen Gründer Georg Hermann Nellius vertonte zahlreiche Texte von Christine Koch. Ihre meist im Sauerländer Dialekt geschriebenen Heimat- und Naturgedichte brachten ihr den Beinamen „Sauerländer Nachtigall“ ein.

All das wurde ihr wohl schon in Herhagen unweit der Kapelle in die Wiege gelegt, denn ihr Vater Caspar Wüllner galt – für einen Landwirt damals sehr ungewöhnlich – als sehr belesen und besaß eine große Sammlung von deutschen Klassikern wie auch plattdeutschen Lesebüchern. Somit hatte sieim Elternhaus eine gute Grundlage für ihren beruflichen Werdegang als Lehrerin und Schriftstellerin.

Station des Kapellenwegs

Neu „entdeckt“ wurde die Kapelle 2019, als der Kapellenweg des Kirchspiels Reiste fertiggestellt wurde. Der Rundweg verbindet insgesamt neun Kapellen mit der Pfarrkirche in Reiste und bietet auch am Wegesrand viele Stationen und Wegedetails. Den Stempel des Themenwegs gibt es in Herhagen direkt neben der Kapelle unter der Informationstafel.

Mit ihrer schlichten, unaufgeregten Bauweise fügt sich die Kapelle sehr harmonisch in die Sauerländer Landschaft ein. Auf der anderen Straßenseite, auf dem Rastplatz nahe der Henne, können Wanderer Kraft schöpfen und die Dorfidylle genießen.