Die Gründung der Winterberger Höhendörfer

Das älteste Dorf, Altastenberg, blickt auf mehr als 400 Jahre Geschichte zurück. Dennoch vergleichsweise nicht viel, wenn man Luftlinie einige Kilometer weiter in den Schmallenberger Raum schaut, wo die Dörfer ihr rund 1.000-jähriges Jubiläum feiern. Aber wieso wurde an den Höhen um den Kahlen Asten erst im 16. bis 18. Jahrhundert gesiedelt? Und wovon lebten die Menschen?

Kalte Winter und karge Böden

Bereits die Jubiläumschronik Neuastenberg weist darauf hin, dass nur wenige Dörfer in Westfalen unter so extremen äußeren Bedingungen und so spät gegründet wurden. Die damaligen Siedler, sei es auf der Nordseite oder der Südseite des Kahlen Astens, sahen sich großen Herausforderungen gegenübergestellt. So gab es im Grenzgebiet zwischen Wittgenstein und dem Sauerland nicht nur oft blutige territoriale Fehden und Auseinandersetzungen. Die Kleine Eiszeit, die etwa vom 13. bis zum 19. Jahrhundert andauerte, bescherte den Menschen außerdem lange frostige Winter und kühle, kurze Sommer – das machte sich erst recht in den Höhenlagen bemerkbar.

Über Neuastenberg weiß man zum Beispiel, dass dort Ende Juni 1773 noch Frost herrschte. Was das für die Landwirtschaft und das tägliche Leben der Menschen bedeutete, kann man sich heutzutage kaum vorstellen. Hinzu kam der karge und steinige Boden, der bei den Gründungen der Dörfer erst urbar gemacht werden musste. Die wirtschaftlichen Erträge waren begrenzt, das Leben hart und die Armut groß.

Altastenberg – das erste und höchste Höhendorf

Altastenberg, das bis 1785 noch Lichtenscheid hieß, wurde um 1536 gegründet. Damit ist es das älteste und das höchstgelegene der sechs Höhendörfer. Der Nordhang des Astens war zu dieser Zeit noch Waldecksches Lehnsgebiet und der Kahle Asten wurde zur Weidenutzung an Winterberg verpachtet. 1536 wurde diese Pacht aufgelöst, um die Fläche selbst zu nutzen und Hirten anzusiedeln. Die Wahl war kein Zufall. Das Schaf gab sich auch mit den Heidegewächsen und dem mageren Gras am Asten zufrieden, es gab Milch und brachte zudem Wolle ein, die nicht nur für den Eigengebrauch, sondern auch für den Handel nützlich war.

Viele Bewohner waren Köhler

Neben den Hirten waren es vor allem die Köhler, die das waldreiche Gebiet um den Kahlen Asten besiedelten. Die Arbeit des Köhlers war dreckig und einsam. Er musste wohnen und bleiben, wo sein Holzkohlemeiler war, um dafür zu sorgen, dass dieser nicht erlosch und das Holz nicht verbrannte. Der Meiler schwelte so lange, bis daraus Holzkohle entstand, welche vom aufkommenden Eisengewerbe gebraucht wurde. Das kleine Höhendorf Lenneplätze geht auf eine solche Köhlersiedlung, wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert, zurück. Noch heute sind Relikte von alten Holzkohlemeilern in der Umgebung zu finden und auch für die vier übrigen Höhendörfer sollte die Köhlerei ein Hauptgewerbe werden.

Die Wittgensteiner Höhendörfer

1713 gilt als Gründungsjahr der fehlenden vier Höhendörfer Neuastenberg, Mollseifen, Langewiese und Hoheleye. Gegründet wurden sie vom Graf Casimir von Sayn-Wittgenstein-Berleburg unmittelbar an der Grenze zwischen Wittgenstein und dem Sauerland. So wollte der junge Regent zum einen die Wirtschaft in den höhergelegenen Gebieten am Rothaarkamm stärken, aber gleichzeitig auch seine politische Kontrolle im bisher leeren Grenzraum sichern, wo es immer wieder Auseinandersetzungen gab.

Das Besondere: Graf Casimir ging erstaunlich tolerant vor: Konfession und territoriale Herkunft der neuen Siedler spielten keine Rolle, sodass sich dort sowohl Sauerländer als auch Wittgensteiner ansiedelten. Durch die Einrichtung von so genannten Kanonhöfen waren die neuen Siedler außerdem zu deutlich weniger Abgaben verpflichtet. 14 Männer waren es insgesamt, denen Graf Casimir im Kanonbrief vom 30. Juli 1713 zusagte, sich unter seinem Schutz am „Astenberge“ ansiedeln zu dürfen.

Von einem, der auf Reisen ging …

Da weder die Arbeit als Köhler noch die als Hirte oder Bauer genug einbrachte, um das Überleben zu sichern, wurden vor allem im Winter in Heimarbeit Holzprodukte hergestellt. Löffel und andere Küchenwerkzeuge wurden in der dunklen Jahreszeit bei Kerzenschein geschnitzt und später über Fernhandelswege verkauft. Der Hausierhandel nahm stetig zu und gerade im 19. Jahrhundert lässt sich als Berufsbezeichnung in alten Kirchenbüchern zuhauf „Handelsmann“ finden. Handelsmänner zogen in die Ferne, bis in die Niederlande oder nach Dänemark. Dokumente von 1849 weisen zum Beispiel nach, dass drei Lenneplätzer zusammen mit zwei Männern aus Grönebach und Niedersfeld zum Handeln in Dänemark einreisten. Noch heute erinnert auf dem Winterberger Marktplatz die Statue des Handelsmannes, auch Kiepenkerl genannt, daran, wie wichtig der Handel von selbsthergestellten Waren für die Höhendörfer, Winterberg und die ganze Region bis ins 20. Jahrhundert hinein war.

Spätgesiedelt wurde aus vielerlei Gründen

Wieso erfolgte die Besiedlung der Höhendörfer im Vergleich zu anderen Ortschaften so spät? Eine einfache Antwort darauf gibt es wohl nicht. Die Gründe waren vielfältig, hatten mit Grenzen und Fehden zu tun, mit schwierigen Wetterbedingungen und Armut. Wer auch immer die mutigen Männer und Frauen waren, die sich damals in Altastenberg, Neuastenberg, Lenneplätze, Mollseifen, Langewiese und Hoheleye ansiedelten – sie bewiesen Kampfgeist, großes Durchhaltevermögen und Kraft und legten damit die Grundsteine für die sechs liebens- und lebenswerten Orte, wie wir sie heute kennen.