Die Gretchenfrage: Umwelt- und Naturschutz oder Klimaschutz?

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Kommentar von Hermann-J. Hoffe, Herausgeber WOLL-Magazin

Man kann es als die „Gretchenfrage“ unserer Zeit bezeichnen. Umwelt- und Naturschutz oder Klimaschutz? Der Sauerländer Europa-Politiker Peter Liese dazu: „Es ist leider nicht wahr, dass Klimaschutz und Biodiversität immer einfach unter einen Hut zu bringen sind. Manchmal muss man sich entscheiden und in Konfliktfällen bin ich davon überzeugt, dass wir uns für den Klimaschutz und für die Reduktion von fossilen Brennstoffen entscheiden müssen, d. h. eben auch für erneuerbare Energien und gegen andere vielleicht wünschenswerte, aber eben nicht so dringliche Ziele“.

Für die Menschen im Sauerland und in anderen Naturlandschaften heißt das wohl folglich: Stellt mal den Natur- und Artenschutz hintenan. Das ist nicht mehr so wichtig. Es geht jetzt um die weltweite Klimarettung. Dafür müsst ihr Windindustrieanlagen in euren Wäldern und auf den Bergen akzeptieren und wertvolle Landflächen für Photovoltaikfelder bereithalten. Haselmaus, Erdkröte, Rotmilan, Schwarzstorch, Fledermaus und all die anderen Kreaturen sowie die Erhaltung des eigenen Lebensraums sind nicht mehr so wichtig. Auch menschliche Wünsche wie Gesundheit, Wohlbefinden, Wohlfühlen, Ruhe, Entspannung, Entschleunigung und Naturerfahrung müssen des bedrohlichen Klimawandels mal hintenanstehen.

Windindustrieanlagen akzeptieren

Die Kulturchefin der heimischen Tageszeitung, Dr. Monika Willer, hat in einem beachtenswerten Kommentar auf der Kulturseite der Zeitung unter anderem folgendes geschrieben: „Vor allem ist es ein Stadt-Land-Konflikt. Die Städter betrachten die in ihren Augen unattraktive Provinz als Aufstellfläche für die gewissensberuhigenden Windräder, dann kann man ja weiter nach Bali jetten“. Die Hobbygärtnerin und Naturfreundin ist sich sicher: „Wenn die Landbewohner realisieren, dass sich vor ihrer Nase Landschaftsveränderungen anbahnen, die tiefgreifender sind als damals bei der industriellen Revolution, stehen die Populisten schon parat“.

Rainer Mohrmann, Journalist aus Hallenberg meint dazu: „Auch ist zu erkennen, welche Politikverdrossenheit von den Befürwortern und Nutznießern der Windindustrieanlagen provoziert wird. Bis zur jüngsten Bundestagswahl galt der Schutz von Natur, Tieren und Pflanzen als eine Art Heiligtum grüner Politik, das für alles herhalten musste, was verhindert oder verboten werden sollte. Auf einmal wird erklärt, dass es beim Naturschutz Zugeständnisse geben müsse, um die Ziele zur vermeintlichen Luftreinhaltung durchzusetzen. Was kümmert uns der Uhu, warum sollen wir den Bestand des Roten Milans für Europa retten oder Schwarzstörche schützen? Was kümmert uns unser Geschwätz von gestern? Dass es politische Richtungen gibt, die rücksichtslos ihre Vorteile durchsetzen, wird uns in Sachen Naturschutz und Postenvergabe gerade nachhaltig demonstriert. Man sollte es nur nicht öffentlich anprangern. Diesen Arten-Schutz nehmen die Grün-Alternativen für sich in Anspruch. Das Recht ist immer auf ihrer Seite. Da spielt es auch keine Rolle, welche Naturzerstörungen durch die Windindustrieanlagen vorgenommen werden“.

Zugeständnisse beim Naturschutz

Etwas anders sieht das Hannah Roßwinkel, Vorsitzende der Partei DIE GRÜNEN in Schmallenberg. „Es stört mich, dass in der aktuellen Debatte allzu oft Arten- und Naturschutz gegen Klimaschutz ausgespielt wird“. Also die Gretchenfrage: Natur- und Artenschutz oder Klimaschutz? Oder geht beides zusammen?

Im Grundgesetz gibt es den Paragraphen 20 a, und der besagt: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Wir, die Gesellschaft müssen daher die Gretchenfrage beantworten. Dafür brauchen wir vollständige Informationen über Für und Wider, über Vor- und Nachteile von Windindustrieanlagen. Wir brauchen darüber eine offene und tabufreie Diskussion, ohne Zeitdruck und Drohgebärden aus der Politik. Denn sonst sind Regionalpläne und vorgeschobene Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger am Planungsprozess nichts anderes als Nebelkerzen, um eine undemokratische Vorgehensweise zu verschleiern.