Die Geschichte des Butterbettchens

“Um den Kopf das wärmende Tuch, am Arm den Deckelkorb mit der saftiggelben Fracht.” 

Fast jeden Tag auf beschwerlichem Weg unterwegs. Bergauf, bergab. Bei Schnee und Regen. Bei Kälte und Hitze. Bepackt mit Lebensmitteln, die für die Leute in der Stadt, in Arnsberg, bestimmt waren. Eine eher ungewöhnliche Tätigkeit, noch dazu für eine unverheiratete Frau. Denn bis in das 20. Jahrhundert hinein waren es meist Männer, die als Lebensmittel-Händler in der Stadt tätig waren. Oft besaßen sie ein Pferd und einen Wagen, auf dem sie ihre Waren anboten. Von wandernden Lebensmittelhändlern in dieser Zeit ist zumindest nichts bekannt, von einer wandernden Händlerin umso mehr.  

Elisabeth Agnes Becker, so der richtige Name des „Butterbettchens“, wurde am 31. März 1858 in Hellefeld geboren. Dort wuchs sie mit ihren vier Geschwistern in bescheidenen Verhältnissen auf. 

Struwes Tochter und die Enkelin des ersten Berger Lehrers 

Ihr Vater Anton Becker, im Dorf Struwe genannt, war alteingesessener Hellefelder, er stammte von einem alten Bauernhof. Ihre Mutter Maria Katharina Becker, geborene Stahl, war die Tochter eines Lehrers in Berge bei Meschede. Die Familielinie ihrer Mutter lässt bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen und führt zum bekannten Stertschulten Hof in Cobbenrode. Der Großvater des Butterbettchens war der erste Lehrer in Berge: Johannes Florentins Stahl. 

Elisabeths Eltern besaßen in Hellefeld eine Bäckerei und einen kleinen Kramladen. Wie es früher oft üblich war, arbeitete sie mit 17 Jahren als Dienstmädchen im Haushalt eines Arnsberger Kaufmanns. Dort lernte sie so einiges, das ihr später beim Führen des Handels behilflich war. Als sie 1878 zurück nach Hellefeld kam, hatte ihr Vater die Bäckerei aufgegeben. Stattdessen hatte er einige Felder und Vieh angeschafft und am Rande des Dorfes, im „Erlenbruch“, ein Haus erworben.  Um die mageren Einkünfte etwas aufzustocken, betrieb er einen Wanderhandel zwischen Hellefeld und Arnsberg.  

Nach dem Tod der Eltern übernahm Elisabeth den Kleinhandel. Von nun an ging sie an drei Tagen die Woche die umliegenden Dörfer ab und kaufte bei Landwirten und Kleinbauern Waren wie Eier, Butter und Speck. An den anderen drei Tagen wanderte bis nach Arnsberg, mit den vollgepackten Körben direkt zu den Bürgerhäusern. 50 Jahre lang nahm sie den beschwerlichen Weg von Hellefeld nach Arnsberg auf sich. 50 Jahre bei Wind und Wetter und „mit der Regelmäßigkeit einer wohlaufgezogenen Uhr“, wie es in dem zeitgenössischen Bericht des Arnsbergers W. Lindner heißt. Schlicht gekleidet, beschreibt er sie, Landkleid und einer blauen Schürze und „um den Kopf das wärmende Tuch, am Arm den Deckelkorb mit der saftiggelben Fracht.“ 

Hans, der störrische Esel 

Elisabeth eine recht konsequente Frau. Eine Zeit lang trug ein Esel ihre Körbe, Hans hieß er, wie aus ihren Tagebüchern hervorgeht. Er wird wohl mehr oder weniger störrisch gewesen sein, wie Esel nun mal sind. Vielleicht kam sie auch ohne ihn schneller voran. Aber als das Grautier sie einmal abschüttelte und sie in einen Graben fiel, hatte sie genug von ihm. Sie verkaufte ihn und ging fortan zu Fuß. Wer weiß wofür das gut da? Hätte sie behalten, stände das Lastentier vielleicht mit auf den Denkmälern, die ihr auf dem Marktplatz in Alt-Arnsberg und in Sundern Hellefeld gewidmet sind. Und vielleicht hätte sie dann nicht den Beinnamen „Das Butter-Bettchen“, sondern „Das Esel-Bettchen“ bekommen … 

Zwei Denkmäler für eine Marktfrau 

Wenn Elisabeth alle Waren verkauft hatte, ging sie in die Apotheke und besorgte Medikamente, die in ihrem Dorf gebraucht wurden. Erst dann machte sie sich wieder auf den Heimweg. Es war eben diese Hilfsbereitschaft und die Tatsache, dass sie „mit allen Fasern ihres Herzens“ an ihrer Heimat hing, wie es in ihrem Nachruf heißt, dass man sie bis heute nicht vergessen hat. Posthum wurden ihr zwei Denkmäler gewidmet, eine bronzene auf dem Marktplatz in Alt-Arnsberg und später eine hölzerne in ihrem Geburtsort Hellefeld. Dazu eine Internetseite, eine Brücke, ein Markt und der Butterbettchen-Weg des SGV. 

Gestorben ist Elisabeth Becker, die schon zu Lebzeiten weitum bekannt war, am 4. Juni 1932 in Enkhausen. Durch den ausführlichen Nachruf, den das Arnsberger „Central-Volksblatt“ über sie veröffentlichte, war schon am Tag ihres Todes der Grundstein für eine Legende gelegt. Der der einfachen Sauerländerin, eines echten Originals, bescheiden und stark. 

Quellen: Uni Münster und LWL