Die Franziskanerinnen von San Damiano

WOLL Sauerland San Damiano

Schwester Katharina Hartleib öffnet mit breitem Lächeln die Tür. „Schwester Gertrudis ist noch beim Zahnarzt und Schwester Veronika irgendwo unterwegs“, sagt sie und führt uns an der Hauskapelle, die direkt neben dem Eingang liegt, vorbei in ein gemütliches Zimmer mit einem großen einladenden Holztisch, bunten Vorhängen und Blumen auf dem Fensterbrett. Auf dem Tisch flackert neben hausgemachten Plätzchen eine Kerze. So sieht es auch bei unserer Freundin aus. Schwester Katharina geht erst mal Kaffee kochen.

Nichts, mit Ausnahme der Kapelle und der Kleidung von Schwester Katharina, erinnert uns in diesem Moment daran, dass hier ein Kloster ist. Wir sind zu Besuch im Konvent „San Damiano“. 2009 sind die drei Franziskanerinnen in die Olper Innenstadt gezogen und leben seitdem in der ehemaligen Vikarie. „Auf der Mauer 3“, so die Adresse direkt neben der St. Martinus-Kirche und unweit des Geburtshauses von Maria Theresia Bonzel, Gründerin und erste Generaloberin der „Franziskanerinnen der ewigen Anbetung“. 1863 erhielt der Orden die Unabhängigkeit. 1966 verlegte man das Mutterhaus mitten aus der Stadt hoch oben auf den Kimicker Berg.

Mittlerweile steht der Kaffee auf dem Tisch. Schwester Veronika kommt zu uns – vielleicht hat sie Saxophon gespielt, das kann sie hervorragend – und Schwester Gertrudis hat den Zahnarzttermin hinter sich. „Es gibt Schlimmeres“, erfahren wir. Erfahren wollen wir aber noch viel mehr. Warum wurde der Konvent eingerichtet, wie sieht der Tagesablauf der Schwestern aus, welche Aufgaben haben sie? Wie lebt es sich als Ordensfrau in der heutigen Zeit des allgemeinen Glaubensschwunds?
„Als angesichts der vielen alten Schwestern die Konvente in der Schule und dem Krankenhaus aufgelöst wurden, entstand die Idee, mitten in der Stadt einen Neuanfang zu wagen, präsenter zu sein und einen geis-tigen Ort anzubieten“, erzählt Schwester Katharina, die aus Köln übersiedelte. Schwester Veronika Fricke und Schwester Gertrudis Lüneborg kommen aus Bonn. „San Damiano“, so Schwester Getrudis, „ist auch der Ort in Assisi, an dem der heilige Franziskus seinen Ruf hörte und der eng mit dem Leben der heiligen Klara verbunden ist.“

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Mittendrin: Der Konvent San Damiano in Olpe.

Die drei sind sozusagen die junge Generation der Franziskanerinnen. Schwester Veronika ist mit ihren 49 Jahren die Jüngste überhaupt. Zumindest in Deutschland. Auf den Philippinnen und in Brasilien ist der Nachwuchs noch da. „Aber es bröckelt. Allmählich kommt auch dort die Konsummentalität an und die Ursprungsreligiosität geht verloren“, erklärt Schwester Veronika. Rund 650 Schwestern gibt es noch weltweit. 130 in Deutschland, davon leben 30 im Mutterhaus. Die Schwestern in San Damiano betrachten die Entwicklung gelassen, auch wenn sie sich wünschen, dass es junge Frauen gäbe, die nachfolgen.

„Jede von uns kann sagen, dass unsere Lebensform wichtig und richtig ist. Es kann sein, dass sie abgelöst wird von anderen Formen des gemeinschaftlichen christlichen Lebens. Vielleicht gibt es irgendwann keine deutschen Olper Schwestern mehr. Dafür ist die Generalleiterin dann eine Philippina“, überlegen sie und lenken den Blick auf ihre Ordensgründerin. In der Blütezeit im 19. Jahrhundert hatte die Kongregation weit über 2.000 Ordensfrauen. In der Zeit des Kulturkampfes, in der Bismarck verbot, neue Mitglieder aufzunehmen, schickte die Generaloberin die ersten Schwestern nach Amerika. „Heute muss man andere Möglichkeiten finden. Die jungen Menschen erleben keine jungen Ordensleute mehr. Das ist das Problem.“ Dass die Werke der Kongregation auch ohne den Orden gesichert sind, dafür sorgte Maria Theresia Bonzel mit der 1902 gegründeten Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO).
Und so gehen die Schwestern in San Damiano ihren Weg – und unterschiedlichen Berufen nach. Hört sich fast an wie eine Wohngemeinschaft. Jeden Sonntag wird ein Haushaltsplan erstellt, in dem steht, wer wann wo ist und wer das Kochen übernimmt. Und oft haut der Plan auch nicht hin. „Ein Kloster wird zu einem Kloster mit den Menschen, die in ihm leben, nicht durch die äußere Gestalt“, so die Schwestern. „Eigentlich müssten die Schulbücher neu geschrieben werden. Da wird immer noch die benediktinische Regel dargestellt“, meint Schwester Katharina.

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DIe Tür ist immer offen: die Andeutungskapelle im Haus.

„Bei uns ist es bunt“, beschreiben sie das Leben im Konvent, das auf drei Säulen aufbaut: Dienst vor Gott, Dienst am Menschen und Dienst in der Ordensgemeinschaft. Deswegen auch die Anbetungskapelle im Haus, die immer für die Bürger offen ist. Der Dienst am Menschen sieht ganz unterschiedlich aus: die Seelsorge, verschiedenste Angebote für Erwachsene, Kinder und Jugendliche, ehrenamtliches Engagement, wo es nötig und möglich ist, und stets ein offenes Ohr und Zeit für die Menschen. „Es geht nicht um große Aktionen, es geht darum, uns deutlicher zu zeigen“, erinnert Schwester Veronika daran, dass Konvente mit nur einigen wenigen Schwestern ohne Anbindung an eine Institution keinesfalls neu, sondern vielmehr die eigentliche und ursprüngliche Lebensform sind, die erst mit der Einrichtung der Krankenhäuser, der Altenheime und Schulen verloren ging.

„Anbeten und Anpacken – für-mit-bei-einander“ so das Logo zum 150-jährigen Jubiläum, das die Franziskanerinnen in diesem Jahr feiern. Da sind die jungen Schwestern von San Damiano besonders gefordert, ein ansprechendes Programm zu gestalten.

Darunter das Projekt „Girls find out“, mit dem 18 junge Mädchen und ein Kamerateam auf eine Erkundungsreise zu den Konventen rund um die Welt gehen, um den Alltag der Ordensschwestern aus ihrer Sicht zu erleben und zu dokumentieren. 180 Mädchen hatten sich beworben. „Nur zu sagen, wir feiern Jubiläum, reicht nicht. Was reizt die jungen Leute heute, sich mit unserer Lebensweise auseinanderzusetzen“, so Schwester Katharina, die in Facebook eine eigene Seite hat. „Neue Medien sind für uns wichtig, um die Jugend zu erreichen.“ Das Girls-Projekt wurde jüngst mit dem Antonius-Funke-Preis 2013 ausgezeichnet. Dieser wird für Konzepte vergeben, die christliche Werte vermitteln und dazu die reale Begegnung vor Ort und die Präsenz in den neuen Medien verknüpfen. Im Juli geht die Reise los. Mit dabei sind auch die Schwestern von San Damiano. „Dann ist der Konvent aufgelöst. Wir werden uns eine Haushüterin holen.“
von Birgit Engel (Text und Fotos)

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