Quelle: Michaela Göhr
Ein Fragebogengespräch mit der Autorin über die Muse, den Buchmarkt und was das Leben sonst so mit ihr macht
Der Austausch mit Fantasy- und Kinderbuchautorinnen macht großen Spaß. Sie liefern der Welt das, was sie gerade jetzt so dringend braucht: Tore in fremde Welten, einen Zugang ins Reich der Phantasie und Fluchtwelten aus der Routine. Sie sind es, die die Kinder ans Lesen heranführen und dabei halten können. In Zeiten, in denen wir in einer unendlich konzentrationsraubenden Bildschirmflut zu ertrinken drohen, ist dies wichtiger denn je. „Das war aber wirklich ein Monsterfragebogen! Ich hoffe, ich habe alles zu deiner Zufriedenheit beantwortet“, schreibt Michaela Göhr, Autorin der bekannten Fantasy-Reihe „Der Fantast“ und Lehrerin aus Halver, in ihrer Begleit-Mail zu unserem Fragebogen.
Wir sind der Meinung: Aber hallo! Und das, obwohl Michaela Göhr noch eine anstrengende Kinderbuchmesse in den Knochen steckt.
Hallo Michaela, gib mir bitte zunächst einige Stammdaten. Alter, Familie, Wohnort … Was treibst du sonst so neben dem Lehrerin- und Autorin-sein?
Ich bin neunundvierzig Jahre alt. Familie: zwei Männer – einer einundfünfzig, einer fünfzehn, Leseratte. Oh, ich merke gerade, dass das einen tollen Zahlendreher ergibt! Wohnort: Halver – Perle des Sauerlandes! Ich jogge täglich durch die umliegenden Wälder, betreibe Kampfsport, lese bei genügend Zeit leidenschaftlich gern und tauche im Urlaub mit Mann und Maus ab, möglichst in warmem Wasser.
Was hättest du mir angeboten, wenn ich dich besucht hätte, wo hätten wir unser Gespräch geführt?
Ich hätte dir einen Sitzplatz auf der Wohnzimmercouch oder im Esszimmer angeboten, je nachdem, was du als Unterlage zum Schreiben gebraucht hättest. Eventuell auch nach Wunsch koffeinhaltige oder -freie Kalt- oder Warmgetränke und einen Keks.
Wie, wann und warum hat das Schreiben dich gefunden?
Das Schreiben an sich hat mich schon relativ zu Beginn meiner Schulzeit gefunden. Bezüglich des Grundes musst du meine Klassenlehrerin fragen … Scherz beiseite, ich war tatsächlich schon in der Grundschule künstlerisch tätig. In der zweiten Klasse gab mir eine Mitschülerin ein Poesiealbum. Die Verse aus dem Poesiealbum-Sprüche-Buch fand ich unpassend und dachte: Das kannst du selbst mindestens genauso gut, wenn nicht besser! Also habe ich mich hingesetzt und was Eigenes kreiert. Meine Mutter hat es anschließend aus dem Album gerissen, und mir gesagt, dass ich was aus dem Buch nehmen soll. Hat stark an meiner Künstlerehre gekratzt und mich in meinem Schaffenswillen kilometerweit zurückgeschleudert. Aber sie hat es nicht weggeworfen, wie ich die ganze Zeit gedacht hatte, sondern ungefähr zwei Jahrzehnte lang aufbewahrt, um es mir dann zu geben.
Ich schreibe also schon sehr lange Kurzgeschichten, Gedichte und Lieder, Romane hingegen erst seit Herbst 2014. Mein Debüt „Der Fantast“ war eine Art der Therapie, um mich vor einem beginnenden Burnout zu retten und erschien im Februar 2016 äußerst spontan als eBook über die Plattform neobooks.com.
Was hätte dein Abiturientinnen-Ich gesagt, wenn ihm jemand mitgeteilt hätte, dass es irgendwann einmal Bücher von dir zu kaufen gibt?
Ich glaube, es hätte sich gefreut, wäre allerdings nicht sonderlich erstaunt gewesen. Gedichte hatte ich damals schon genug, um mein Zimmer damit zu tapezieren.
Was wird dein Ich in späteren Jahren sagen, wenn es auf den Bücherstapel blickt, den es da über die Jahre produziert hat?
Mein jetziges Ich ist schon manchmal baff, wenn es sieht, wie viel da bereits in den fünf Jahren zusammengekommen ist. Vermutlich wird mein zukünftiges Ich seinen eReader aufschlagen und die Bibliothek „eigene Werke“ durchscrollen …
Mit welchen Protagonistinnen und Protagonisten deiner Romane fühlst du dich am meisten verbunden? Woran liegt das?
Tatsächlich ist mir der Fantast noch immer am nächsten, weil ganz viel von mir in ihm steckt. Ich glaube, mit der Erfahrung wächst auch die Routine, nicht mehr sein Innerstes beim Schreiben nach außen zu kehren. Zudem ist Simon ebenso einmalig wie ich selbst. Eine weitere derartige Romanfigur wird mir sicherlich nicht gelingen.
Mit welchem Gefühl blickst du auf die zusehends abnehmende Lesekompetenz junger Menschen? Wie stimmt es dich, dass viele Kinder, die du vor dem Siegeszug der Bildschirme vielleicht noch hättest packen können, jetzt für die Welt der Bücher vielleicht verloren sind? Lohnt es sich, um sie zu kämpfen? Wie würdest du das tun?
Natürlich stimmt es mich traurig, dass immer weniger Kinder (gerne) lesen. Aber es gibt andere Wege, meine Geschichten zu ihnen zu bringen. Inzwischen sind meine ersten beiden Hörbücher für Kinder auf dem Weg zur Veröffentlichung. Vielleicht erreiche ich auf diesem Wege mehr? Mal sehen.
In welchem Kontakt stehen die Lehrerin und die Schriftstellerin in dir?
Oh, wir tauschen uns ab und zu aus, so zwischen Tür und Angel, quasi im Vorbeigehen. Beim Schreiben versuche ich meistens, die Pädagogin in mir auszublenden. Da „Lehrerin“ eigentlich nur eine übergestülpte Rolle für meine Schreiberseele ist, fällt mir das nicht weiter schwer.
Wofür wirst du bezüglich deiner Bücher am meisten gelobt?
Ich glaube, für die ungewöhnlichen Ideen, die dahinterstecken. Und viele Leser mögen meinen Schreibstil.
Woraus besteht deine Kernzielgruppe? Was möchtest du ihr bieten?
Da ich für Kinder, Jugendliche und Erwachsene schreibe, hängt das ganz von der Geschichte ab. Generell möchte ich jeder dieser Gruppen fantasievolle, originelle, gut geschriebene Storys bieten. Ich schreibe abseits des Mainstreams und IMMER nur das, was ich selbst gern lesen würde, ganz gleich, ob für Vier- oder Vierzigjährige.
Auf welche Weise hat die Pandemie dein Leben als Autorin beeinflusst?
Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass die Buchverkäufe im Internet drastisch zurückgegangen sind, der Verlagsvertrag für meine Kinderbücher gekündigt wurde, ich weder Lesungen halten noch auf Messen gehen konnte. Mein Leben als Autorin hat sie allerdings nicht großartig beeinflusst.
Auf welche Details willst du beim Schreiben nicht verzichten? Was gehört zum Schreiben dazu?
Schoki, Cola Zero und eine gute Tastatur. Ruhe wäre auch schön. Mein Arbeitsplatz im Wintergarten ist ideal zum Schreiben. Hier tue ich es am allerliebsten. Aber mir ist jeder Ort recht, an dem ich mit meinem Laptop (als Reise-Schreibgerät) einigermaßen ungestört sitzen kann.
An welcher Stelle setzt im Schreibprozess bei dir so etwas wie ein Flow ein? Oder musst du etwa für jede Zeile malochen?
Ich „maloche“ nicht! Schreiben ist für mich reine Freude. Wenn ich es nicht so empfinden und es mir schwerfallen würde, käme ich gar nicht auf die Idee, es zu versuchen. Natürlich ist es nicht immer völlig easy, die richtigen Worte zu finden. Aber meistens setze ich mich nach einer zündenden Idee hin und tippe los. Die Worte kommen von selbst. Wenn ich mal nicht weiterweiß, gehe ich joggen. Das ist wie Zündstoff fürs Gehirn.
- Quelle: Michaela Göhr
Bist du eher eine Arbeiterin oder wartest du lieber auf „die Muse“?
Geschichten zu schreiben ist keine Arbeit, wie ich schon sagte. Oder nur ganz selten. Meistens ist es eher ein Akt der Befreiung, um die Ideen loszuwerden, die sich bei mir stapeln, drängeln und schubsen, um aus mir rauszukommen. Ähm … ich hoffe, das beantwortet jetzt die Frage …
Was musst du tun, um eine richtig verunglückte Geschichte zu produzieren?
Keine Ahnung – vielleicht über ein Unglück schreiben? Was ist eine „verunglückte Geschichte“ überhaupt? Wenn mir etwas nicht gefällt, wird es gelöscht oder geändert. Wenn es mir gefällt, ist es nicht verunglückt.
Was rätst du Menschen, deren innerer Schriftsteller vielleicht noch zu schüchtern ist, um sich zu melden?
Ich rate jedem Menschen, auf sein Herz zu hören. Es ist verlässlicher als der Verstand oder die Stimmen der Umgebung. Wenn da ein Schreiberherz in jemandem schlägt, dann sollte er diesem inneren Bedürfnis auf jeden Fall nachgeben. Es befreit ungemein. Allerdings ist das kein „Freibrief“. Vom Schreiben zum Veröffentlichen ist es heutzutage kein großer Schritt, sofern man keinen Verlag sucht. Jeder kann seine geistigen Ergüsse einfach ohne Vorkenntnisse oder große Kosten auf den Markt werfen. Dennoch rate ich davon ab, da es sowohl einem selbst als auch dem Image der Selfpublisher insgesamt unglaublich schadet. Lieber holt man sich vorher Tipps von erfahrenen Selfpublishern sowie ehrliche, objektive Meinungen zur Geschichte ein (nicht nur von Freunden oder Familienmitgliedern), lässt seinen Text gegenlesen, im besten Fall lektorieren und korrigieren, kümmert sich um ein professionelles Cover / Layout und überlegt sich genau, wie und wo er etwas veröffentlichen möchte.
Wie bewertest du die Lage auf dem Buchmarkt? Wieso hat „es“ beispielsweise J.K. Rowling geschafft, und was genau hat sie erreicht?
Die Lage auf dem Buchmarkt ist meiner Meinung nach so angespannt wie nie zuvor. Durch die Pandemie und fehlenden Messen, Lesungen und Verkaufsmöglichkeiten haben etliche Verlage ihr Programm zusammengestrichen. Jetzt wird auch noch das Papier knapp …
J.K. Rowling hat meines Wissens sieben Jahre gebraucht, um für ihren ersten Roman einen Verlag zu finden. Sie war also hartnäckig und geduldig genug und hat an ihre Geschichte geglaubt. Erreicht hat sie Berühmtheit ihrer Figuren und auch ihrer Person. Meistens funktioniert das nicht allein durch Bücher, sondern durch passende Filme. Autoren, deren Werke nicht verfilmt werden, schwelgen nicht in Reichtümern, auch wenn sie noch so bekannt sind und sich ihre Bücher zigtausend Mal verkaufen. Das liegt daran, dass die Tantiemen, die sie bekommen, ziemlich mager sind. Es ist schwer genug, vom Schreiben zu leben, geschweige denn, reich zu werden.
Nach welchen Kriterien wählst du dein Unterstützernetzwerk aus? Was bringt dich weiter?
Ich habe ein Bloggerteam im Netz (Facebook und Instagram), das mich bei Buchveröffentlichungen durch Aktionen unterstützt. Kriterium für Unterstützer ist vor allem, dass sie hinter mir und meinen Büchern stehen und mich aus vollem Herzen empfehlen können. Deshalb war wichtigste Voraussetzung, dass sie mindestens ein Buch von mir gelesen haben.
Welche Wechselwirkungen bestehen zwischen deinem Werk als Autorin und deiner Tätigkeit als Lehrerin?
Die wichtigste Wechselwirkung besteht darin, dass ich durch das Gemeinsame Lernen Kontakt zu mehreren Schulen habe und dort auch Lesungen halten kann.
Was würdest du jungen Menschen heute am meisten wünschen?
Eine Zukunft, der sie optimistisch entgegenblicken können und etwas, das sie in jeder Lebenssituation trägt und hält.
Wo findet man dich online? Wie bekommt man ein Buch von dir?
Meine Homepage: https://derfantast.jimdofree.com
Meine Facebook-Seite: https://www.facebook.com/derfantast24
Auf Instagram bin ich auch … https://www.instagram.com/michaela_goehr
Meine Bücher findet man überall im Onlinehandel. In Buchhandlungen hingegen liegen sie nur sehr selten aus, obwohl sie per ISBN bestellbar sind. Der Kö-Shop in Halver hat sie meistens vorrätig, die örtlichen Büchereien haben einige davon zur Ausleihe.
Meine Kinderbücher „Fantastische Abenteuer“ (Band 1 + 2) sowie weiteres Merch gibt es momentan lediglich bei mir, bzw. in meinem Shop „Fantastisches“ auf der Plattform https://lieblingsautor.de
Am besten, liebsten und mit persönlicher Widmung plus Lesezeichen oder anderen Zugaben (z.B. über den „Kontakt“-Button auf meiner Homepage) bekommt man die Bücher direkt bei mir. 🙂