Die Anfänge der Mobilität im Sauerland

Quelle: Archiv des Hochsauerlandkreises

WOLL: Ein ausreichendes Wegeund Straßennetz, eine gute Infrastruktur, wie wir es heute nennen, gab es vor dreihundert Jahren im Sauerland noch nicht …
Susi Frank:
Aber ein Wegesystem fernab der großen Straßen gab es schon immer. Das waren hauptsächlich größere oder kleine Trampelpfade, die schon seit Jahrhunderten benutzt wurden. Häufig führten die Pfade auf kürzestem Wege zum Ziel und waren daher beschwerlich, weil sie über steile Bergkuppen führten. Oft waren diese Wege nur zu Fuß und in den trockenen Sommermonaten passierbar. Zudem war das Reisen gefährlich. Im dichten Wald des Sauerlandes lauerten viele Gefahren – Räuber, Wildtiere, steile Pfade – oder man wurde vom schlechten Wetter überrascht. Außerdem war Reisen teuer. Es gab noch keine Banken oder Supermärkte. Die Menschen mussten genau planen, wie lange sie unterwegs sein würden. Bei zehn Tagen Wanderung brauchte man ca. fünf Laib Brot oder genügend Münzen.

Quelle: Archiv des Hochsauerlandkreises

WOLL: Auch vor mehr als 300 Jahren mussten Waren transportiert werden. Wie haben das die Sauerländer früher bewerkstelligt?
Susi Frank:
In einem Korb auf dem Rücken oder am Arm. Ab und zu konnte man auch Lastentiere einsetzen, aber die waren für weite Strecken ungeeignet oder zu wertvoll. Falls Sie auf einen Räuber treffen, sind Sie nicht nur den Korb los, sondern auch den wertvollen Esel. Es gab auch Wanderhändler, die Kiepenkerle, die in der Nebensaison durch die Lande zogen und bei den Bauernfamilien Ware kauften und verkauften.

WOLL: Aus der Not heraus erfand der gebürtige Karlsruher Karl Drais 1817 die „Draisine“, auch Laufmaschine genannt und Ur-Form des heutigen Fahrrads. Waren solche Gefährte auch im Sauerland unterwegs?
Susi Frank:
Draisinen waren im Sauerland nicht sehr weit verbreitet. Auf Postkarten aus Arnsberg um 1900 sieht man vereinzelt einen Laufmaschinenfahrer. Aber im Großen und Ganzen waren die Städte zu bergig. Auf dem Land fand das Fahrrad auch erst Verbreitung, als das Wegenetz verbessert wurde, also ca. um 1950. Wer einmal über grobes Kopfsteinpflaster gefahren ist, kann sich gut ein Bild machen.

WOLL: Wann und wo fuhren die ersten Postkutschen?
Susi Frank:
Hier müssen wir etwas unterscheiden. Die erste Botenlinie wurde schon 1601 urkundlich erwähnt. Ernst von Bayern war Kurfürst von Köln und Fürstbischof von Hildesheim. Beide Gebiete verband er mit einem Botensystem Köln – Arnsberg – Lippe – Hildesheim. Arnsberg wurde als „Botenposten mit Wechselstation“ betrieben. Auf dieser Linie wurden allerdings nur Briefe ausgetauscht. Abseits der Linien hatten die Herrscher wenig Interesse die Strecken und Wege auszubauen. Man dachte damals sehr praktisch: Schlechte Wege halten auch den Feind länger auf.

1742 erhielt Arnsberg dann ein offizielles Postamt, dem die Aufsicht über die Posthaltereien in Meschede, Stock um, Werl und über den Brieftransport von Meschede und Brilon übertragen wurde. Es wurden zwar immer wieder Anläufe für eine Postkutschenlinie unternommen, um das Postkutschennetz auszubauen, aber das schwierige Terrain machte jede Bemühung zunichte. Nach 1816 übernahmen die Preußen die Gebiete des Herzogtums Westfalen und richteten ein preußisches Postnetz ein. Dazu bauten sie die Wege und Straßen aus, sodass auch endlich ein Postkutschenverkehr einsetzen konnte. Aber auch da war Reisen immer noch sehr schwierig, weil die Postkutschen nicht aufeinander getaktet waren. So mussten die Menschen beim Umsteigen manchmal tagelang auf den Anschluss warten. Die Post besaß bis 1838 das Monopol auf den Personen- und Gütertransport. Danach wurde der Wettbewerb auch für die Eisenbahn geöffnet.

Quelle: Archiv des Hochsauerlandkreises

WOLL: Wann fuhr die erste Lokomotive im Sauerland?
Susi Frank:
Der erste Bau einer Eisenbahnverbindung begann 1859 mit der Ruhr-Sieg-Strecke (Hagen – Siegen). Dadurch wurde das westliche Sauerland mit dem heutigen Märkischen Kreis und dem Kreis Olpe erschlossen. Davon zweigten verschiedene Linien ab. Das Hochsauerland wurde durch die Obere Ruhrtalbahn (Schwerte – Warburg) ab 1870 an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Winterberg wurde über die Bahnstrecke Nuttlar – Frankenberg erst 1906 angebunden. Allerdings wurden Teile der Strecke 1966 wieder eingestellt. Seitdem ist die Strecke nach Winterberg ein Ableger der Oberen Ruhrtalbahn. Wichtig für den weiteren Ausbau waren allerdings die privaten Kleinbahnen.

Um den Ausbau auch abseits der Hauptlinien voranzutreiben und Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung zu haben, schlossen sich zahlreiche Unternehmen und Privatpersonen zu Gesellschaften zusammen. So wurde beispielsweise Neheim ein Bahnknotenpunkt, da 1898 eine eigene Strecke Soest-Neheim-Arnsberg (Jägerbrücke) existierte und 1908 sogar noch eine Abzweigung zum Möhnesee (über Günne) dazukam.  Über die Röhrtalbahn wurde 1900 Neheim mit Sundern verbunden. Eine Wiedereröffnung der Strecke wird immer mal wieder thematisiert. Weitere wichtige Strecken waren die Kleinbahn Steinhelle-Medebach (1902) oder Finnentrop-Wennemen (1911) und Wenholthausen-Fredeburg (1911). Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 verhinderte den Ausbau weiterer Strecken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden fast alle Kleinstrecken wieder geschlossen, weil sie unrentabel wurden.

WOLL: Einige Zeit später konnten die Menschen Busse nutzen …
Susi Frank:
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte auch das Sauerland einen wirtschaftlichen Aufschwung. Es entstanden Fabriken, zu denen die Menschen auch hinkommen mussten. Die Busse deckten neben der Eisenbahn die notwendige Personenbeförderung ab. Zwar gab es schon vorher Busverbindungen in das Hochsauerland, aber erst nach dem Krieg erlebte der Busverkehr eine Hochzeit. Über Buslinien konnten die Verkehrsbetriebe ein Netzwerk flexibler aufbauen als mit dem Zug. Zwar mussten auch hier erst neue Strecken eingerichtet und asphaltiert werden, aber diese waren dennoch günstiger als Gleisverbindungen. Bis 1990 beförderten Busse den größten Teil der Pendler und Schüler, daher wurden von 1960–1990 zahlreiche Kleinbahntrassen stillgelegt.

Quelle: Archiv des Hochsauerlandkreises

WOLL: Wo tauchten die ersten privaten Automobile auf?
Susi Frank:
Das erste Automobil, zumindest im Kreis Meschede, wurde für die Dienstfahrten des Landrates Meinulf von Mallinckrodt (Landrat von 1897 bis 1926) im August 1909 angeschafft. In den 1920er Jahren verbreitete sich das Auto ganz langsam. So vermietete Heinrich Rosier in Menden 1927 die ersten Autos. Leisten konnten sich die meisten Menschen ein Auto nämlich noch nicht. Erst in den 1960er Jahren war der Wohlstand so weit gewachsen, dass ein eigenes Auto erschwinglich wurde. Die Politik förderte die Individualmobilisierung durch den Ausbau von Bundesstraßen und Autobahnen. Auch die Städte wurden autogerecht vierspurig ausgebaut, was wir heute in manchen Städten im Sauerland noch sehen können.

Die Fotos stammen aus dem Kreisarchiv des Hochsauerlandkreises & Sammlung von Bernd Schulte.