„Deutsche Mentalität mit italienischem Herzen“

Sundern die „italienische“ Stadt: Partnerschaft mit Calopezzati auf hohem Niveau 

Sunderns ehemaliger Bürgermeister Friedhelm Wolf hatte es vor Jahren treffend auf den Punkt gebracht: „Eine Städtepartnerschaft lebt nicht von Rat und Verwaltung, sondern von Menschen, die etwas bewegen wollen.“ In Sundern und in der italienischen Gemeinde Calopezzati haben die Menschen seit über 60 Jahren eine Menge bewegt. Die Städtepartnerschaft lebt und läuft auf hohem Niveau, der Förderverein Calopezzati – Sundern hat viel angestoßen. „Es sind tiefe Freundschaften entstanden“, sagt Michael Frahling, seit 2015 Vorsitzender des 2007 gegründeten Vereins. „Aus Fremden sind Freunde geworden.“  

Sundern gilt nicht von ungefähr als „italienische“ Stadt: Allein der Blick auf die Einwohnerzahlen unterstreicht das: In der Stadt im Röhrtal mit rund 27.500 Einwohnern leben 716 italienische Mitbürger, gefolgt von Polen (321), Kosovaren (254) und Türken (195). Insgesamt sind es 3031 ausländische Mitbürger. Der starke italienische Anteil hat natürlich geschichtliche Ursachen, die mit dem deutschen Wirtschaftswunder und dem damit verbundenen deutsch-italienischen Anwerbeabkommen von 1955 zu tun haben. Wirtschaft und Industrie in der Bundesrepublik boomten und brauchten Arbeitskräfte, sogenannte Gastarbeiter – zunächst für eine begrenze Zeit. Auch der starke Industriestandort Sundern, der er auch heute noch ist, boomte und benötigte dringend Arbeiter. Warum es ausgerechnet arbeitssuchende Personen aus Calopezzati und Umgebung, gelegen an der ionischen Küste in der Provinz Cosenza in Kalabrien, nach Sundern zog, ist unklar. „Erst kamen einige Arbeiter und verdienten gutes Geld und konnten die Familie in der italienischen Heimat ernähren“, so Frahling. „Später sind die Familien ins Sauerland gefolgt.“ Es ist nicht an den Haaren herbeigezogen: Praktisch aus jedem Haus in Calopezzati hat mindestens eine Person in den 1960er-Jahren in einer Sunderner Firma gearbeitet. Allein in Sundern-Stemel arbeiteten 60 Calopezzatesen.  

Piergiovanni Ceccato

Einer, den es auch ins Sauerland zog, ist Piergiovanni Ceccato, der später bei der Integration der italienischen Gäste in Sundern und Umgebung eine wichtige Rolle spielte und von 2007 bis 2015 Vorsitzender des Fördervereins war. Ceccato (79) stammt aus Vigonovo aus der Nähe von Venedig. Er kam am „9. Februar 1963 um 14.30 Uhr“ mit dem Zug in Neheim-Hüsten an und wollte eigentlich „nur die deutsche Sprache lernen“. Er arbeitete bei Tappe & Cosack, später bei Cosack Kartonagen und Steinau, bildete sich als Industriekaufmann weiter und absolvierte noch zwei Ausbildungen zum Jugend- und Heimerzieher sowie Diplom-Sozialarbeiter. Ceccato arbeitete seit September 1971 beim Caritas-Verband in Arnsberg und war Ansprechpartner vornehmlich für die italienischen Mitbürger/innen, auch in Sundern. „Wichtig war, den Familien mit ihren Kindern zu helfen, damit sie hier Fuß fassen.“ Die Situation war nicht einfach, nicht nur wegen der Sprache und der anderen Kultur. Die Familien waren teilweise hin- und hergerissen. „Sie stellten sich die Frage: Wo gehören wir hin? Ein Teil der Kinder blieb hier, andere zog es zurück nach Italien. Man kann es so formulieren: Jahrelang war es für die Familien ein ewiges Provisorium.“ Inzwischen, so Ceccato, hat sich das geändert. Ceccato attestiert den hier lebenden italienischen Einwohnern „eine deutsche Mentalität mit einem italienischen Herzen“.  

Eine bedeutende Rolle bei der Integration der fußballbegeisterten Italiener spielt(e) auch der TuS Sundern. „Fußball verbindet, Fußball macht Freunde und schafft Freundschaften. Man kann den TuS nicht genug loben“, sagt Frahling. „Es ist eine Freude, die integrative Kraft und Ausstrahlung des TuS zu erleben. Das gilt natürlich nicht nur für die Italiener. Abteilungsleiter Eric Wachholz und sein Team leisten hervorragende Arbeit.“  

Michael Frahling

Förderverein 50 Jahre nach den Römischen Verträgen gegründet  

Das gilt auch für den Förderverein Calopezzati – Sundern, der am 25. März 2007 gegründet wurde und Ceccato zum Vorsitzenden wählte. War es Zufall oder ein Signal, dass die Gründung ausgerechnet 50 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge erfolgte?  Die Römischen Verträge waren am 25. März 1957 im Konservatorenpalast in Rom unterzeichnet worden und bildeten die Grundlage für die Errichtung der Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), der Vorläuferin der Europäischen Gemeinschaft (EG) und heutigen Europäischen Union (EU).  

Zwei Jahre nach dem Förderverein zogen die Stadt Sundern und die 1.300 Seelen zählende Gemeinde Calopezzati offiziell nach: Sie gingen eine Partnerschaft ein. Diese wurde nach entsprechenden Ratsbeschlüssen am 4. September 2009 beurkundet. Regelmäßige Schüleraustasche mit Schulprojekten, gegenseitige Besuche der Stadtvertreter oder die regelmäßige Teilnahme am Patronatsfest des Kirchenheiligen San Francesco di Paola (Franz von Paola) sind einige Beispiele der lebendigen interkommunalen und internationalen Partnerschaft. Noch heute schwärmen die Sunderner beispielsweise vom Besuch in Calopezzati Ende Mai 2011. Der Förderverein, der TuS und der BVB-Stammtisch nahmen daran teil. „Die Gastfreundschaft und Herzlichkeit waren beeindruckend“, meint „TuS-Ikone“ und BVB-Fan Norbert Vedder. Höhepunkte der Partnerschaft waren auch die „Italienischen Nächte“ in der Hubertus-Halle als Benefizveranstaltungen für den Schüler- und Jugendaustausch. Wichtig, so Ceccato und Frahling, der 1983 beim Urlaub in Pietrapaola, einem Nachbarort von Calopezzati, sein Faible für Italien entdeckte, seien die gewachsenen persönlichen Freundschaften als Basis der Partnerschaft: „Die Partnerschaft ist lebendig und hat eine gute Zukunft. Es ist eine Partnerschaft der Herzen.“