Der Zustand der Pflege in Deutschland

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Am 12. Mai 2022 war der Tag der Pflege – er ist all denjenigen gewidmet, die jeden Tag ihr Bestes geben, um kranke, alte und bedürftige Menschen zu versorgen und dabei nicht selten an ihre körperliche und psychische Belastungsgrenze geraten. Anlässlich dieses Tages ist es angebracht, einen Blick auf den Zustand der Pflege in der Bundesrepublik Deutschland zu werfen. Wie ist dort der Status Quo? Wie problematisch ist momentan die Situation bezogen auf den herrschenden Fachkräftemangel und was hat sich in den letzten Wochen und Monaten möglicherweise verändert?

Der Status Quo

Wie auch in den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland immer noch einen enormen Fachkräftemangel in diversen Branchen zu beklagen. Insbesondere in der Pflege, in der es um die Gesundheit und das Leben der Menschen geht, ist die Situation in manchen Krankenhäusern und vor allem in einigen kleineren Arztpraxen sehr angespannt und wird zunehmend schwieriger. Dieser Zustand hat sich kaum verbessert, obwohl man sich von der laufenden Zuwanderung aus dem Ausland sehr viel erhofft hatte. Fachkräfte von den Philippinen oder aus anderen Ländern sind zwar hier und meistens bestens ausgebildet, benötigen jedoch einiges an Zeit zum Deutsch lernen und kämpfen bis dahin mit Sprachbarrieren. Auf dem Land, in kleineren Praxen, kann mit diesen Fachkräften aufgrund bürokratischer und finanzieller Hürden meist nicht gerechnet werden. Zuletzt hat natürlich auch noch die Corona-Krise negativ zu dem Ganzen beigetragen.  

Während es Stand 2022 mindestens 4,3 Millionen Pflegebedürfte in Deutschland gibt, haben wir lediglich 1,7 Millionen qualifizierte Pfleger, die diese Menschen versorgen können – und die Zahl der Pflegebedürftigen steigt von Jahr zu Jahr. Hingegen werden in den nächsten Jahren immer mehr Pfleger wegfallen und es wird bei Weitem nicht genug „frisches“ Personal nachkommen, um die Lücke zu schließen. Fachkräfte auf dem Ausland sind auf Dauer keine Lösung. Die Situation war demnach bereits schlecht, hat sich nicht verbessert und wird voraussichtlich auch nicht allzu schnell maßgeblich entschärft. Und hier sprechen wir zunächst nur von Kranken- und Altenpflegern.

Selbst bei Ärzten muss allerdings mittlerweile in einigen Bundesländern und Regionen von einem Mangel an Personal gesprochen werden, denn immer mehr ältere Ärzte gehen ebenfalls in Rente und benötigen dann natürlich Nachfolger für ihre Praxen. Da es diese jedoch nicht immer gibt, werden immer häufiger Praxen in ländlichen Gegenden geschlossen. Dies führt dazu, dass insbesondere auf dem Land die Patientenversorgung nicht immer gegeben ist und die Menschen in die Städte fahren müssen, wo es in der Regel aufgrund der Ärztedichte keine Probleme gibt. Vor allem Senioren ist dies jedoch nicht immer zumutbar. Auch in diesem Bereich kommt es demnach zukünftig zu Problemen, wenn keine Lösungen gefunden werden – und dass, obwohl es auf ganz Deutschland gerechnet eigentlich mehr als genug Ärzte gibt.

Was sind die größten Probleme in der Pflege?

Tatsächlich sind es diverse Faktoren, die in diese Problematik hineinspielen und sie verschärfen. Eines der größten Probleme ist in jedem Fall der demografische Wandel – in zweierlei Hinsicht. Zum einen, da es immer mehr alte Menschen mit potenziellen Krankheiten oder mit Pflegebedürftigkeit geben wird, zum anderen, weil immer mehr erfahrenes Pflegepersonal in Rente gehen wird. Gleichzeitig haben wir nicht genug junge Menschen und schon gar nicht genug nachkommendes Personal in der Pflege.

Dies ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass der Zugang zu den Berufen in der Pflegebranche als zu streng empfunden wird. Die generalistische Pflegeausbildung mit dem Abschluss Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann, welche 2020 eingeführt wurde, verlangt mindestens einen mittleren Schulabschluss oder eine bereits abgeschlossene Ausbildung zur Pflegehilfskraft. Und obwohl es keine gedeckelten Ausbildungszahlen gibt, schreckt dies viele Schüler ab.

Zusätzlich wissen die meisten Schüler jedoch auch schon früh über die Missstände in der Pflege Bescheid, schließlich wurde darüber insbesondere in den letzten Jahren häufig berichtet. Sowohl die geringe Bezahlung als auch die eher schlechten Arbeitsbedingungen in manchen Einrichtungen und Bereichen der Pflege sind der Öffentlichkeit durchaus bekannt und machen den Beruf nicht gerade attraktiv. In der Tat haben zum Beispiel bereits examinierte Pflegekräfte in der Vergangenheit offen verkündet, dass sie sich ihr Examen auch hätten sparen können – die Entlohnung stehe in keinem Verhältnis zur Belastung, der sie ausgesetzt sind, und es hätte sie karrieretechnisch nicht weitergebracht.

Schüler, die all das wissen, werden es sich gut überlegen, ob sie nach der Schule eine Ausbildung in der Pflege machen, denn die meisten wünschen sich natürlich eine gute berufliche Perspektive und hoffen, den erlernten Beruf mit Spaß ein Leben lang machen zu können.

Was muss getan werden, um die Situation zu verbessern?

Auch wenn es in der Vergangenheit von Seiten der Politik bereits kleinere Reformen gab, um den Zustand in der Pflegebranche zu verbessern, zeigten diese keine große Wirkung. Eine grundlegende Entlastung der Pflegekräfte steht nach wie vor aus und bisher ist noch nicht bekannt, ob möglicherweise die Umstellung im Ausbildungssystem 2020 eine Wirkung mit sich gebracht hat.  

Es wäre daher umso wichtiger, dass das Recruiting neuer Fachkräfte schnellstmöglich verbessert und konsequenter angegangen wird und aufgeklärt wird, um den neuen Ausbildungsberuf attraktiver bei potenziellen Auszubildenden vorzustellen. Zuvor sollten allerdings auch unbedingt die Arbeitsbedingungen grundlegend verbessert und die Gehälter angehoben werden, um auch den Beruf selbst ansprechender zu machen, andernfalls wird das Recruiting keinen positiven Effekt erzielen. Dazu benötigt es umfassende Reformen – Politik, Kostenträger und Verbände müssen handeln. Besser heute als morgen. Ob solche Reformen jedoch zeitnah kommen oder nicht, ist unklar.   

Fazit

Grundsätzlich ist die Situation in der Pflege also deutschlandweit sehr angespannt – in manchen Regionen oder Einrichtungen natürlich mehr als in anderen. Dennoch tragen eine Vielzahl von Faktoren dazu bei, dass in naher Zukunft keine eindeutige Verbesserung eintreten wird – sofern nicht konsequent Maßnahmen ergriffen werden und Reformen stattfinden. Hier ist also unter anderem die Politik in der Pflicht. Wird nicht bald etwas getan, wird die Versorgungslücke in der Pflege größer und größer und es werden weitere Praxen oder Einrichtungen schließen müssen. Es gilt, dies zu vermeiden und mit umfassenden Veränderungen nicht weiter zu warten.