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Hier spricht Cilly Alperscheid
Ostern? Geschenkt … Kaffeetrinken, ein paar Schnittchen, ab zum Osterfeuer … fertig. Geburtstag? ’Ne Leichtigkeit … Topf voll Bockwürstkes und ’ne Schüssel Kartoffelsalat, Kiste Bier, Flasche Korn … fertig. Hochzeitstag? Hömma, wann war der noch? Wenn der Gatte den nicht eh vergisst, kauft er ’ne Schachtel Pralinen oder ein paar Rosen … fertig. Aber Weihnachten? Oh Herre, das erfordert wahrlich logistisches Geschick und Fingerspitzengefühl, woll, damit dasse alle Erwartungen erfüllen kannst. So lange die Blagen noch klein sind, geht es ja noch. Da musste nur sehen, dass de die eigene Sippschaft unter einen Hut kriegst, woll. Wenn se dann aber es Friggen anfangen und selber Nachwuchs haben, fängt es an, kompliziert zu werden. Da erfordert die Planung der Feiertagsabläufe fast so ein strategisches Kalkül wie das Erstellen des Fahrplans von der Deutschen Bahn. An drei Tagen musst du versuchen, alle möglichen Besuchskonstellationen hinzubekommen. Bescherung hier, Bescherung da, dazwischen in de Pelzmesse, de Christmette, woll, obwohl heutzutage ja nur noch wenig Pelzmäntel unterm Christbaum liegen. Die Kinder kommen zu Besuch, dann Besuch bei den Kindern, um die Schwiegereltern zu treffen, und immer wieder Bescherung und Essen, Essen, Essen.
Letztes Jahr war dann wirklich mal alles anders, woll. Da durften wir ja wegen der Kontaktbeschränkungen nix machen, wonnich. Das war mal ein Weihnachten, wie ich es mir eigentlich immer gewünscht hab‘. Kein großes Kochen, nur en Schinkenschnittchen mit Spiegelei, und alleine zu Hause mit meinem halben Sakrament unterm Weihnachtsbaum vorm Fernsehen sitzen und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gucken. Und soll ich dir getz mal was sagen, ich bin so froh, dass es dieses Jahr hoffentlich wieder anders sein kann. Denn mal ganz ehrlich, was ist Weihnachten schon, ohne stundenlang in der Küche zu stehen, um zu backen und zu kochen, unterm Christbaum schaurig schön und so schief, dass sich die Balken biegen, „Stille Nacht“ und „Oh, du fröhliche“ zu singen, de Blagen zu trösten, wenn es ne schlecht ist vom ganzen Süßkram, mit den Worten: „Ich hab es dir doch gesagt, hätteste ma auf de Oma gehört, woll“, und zu sehen wie die Töchter weinend vor Rührung oder vor Wut die Geschenke von ihren Göttergatten auspacken.
Und dann kommt das Beste, denn wenn de das alles überstanden hast, dann liegste am zweiten Feiertag es abends auf em Scheselong und guckst, trotz Sodbrennen, was denn noch Gutes aufm bunten Teller ist. In Ermangelung von verpackter Ware, die von den Blagen alle vertilgt wurde, erbarmste dich erst einem angedötschten Dominostein, bei dem die Schokolade schon etwas abgebröckelt ist und wo an der Marmelade Krümel vom Spritzgebäck und Liebesperlchen von den Schokokringeln kleben, eh dass de doch in en Vorrat gehst, dir die Schachtel Mon Chéri vom Hochzeitstag holst, deinen schnarchenden Gatten im Sessel beguckst und zufrieden denkst: „Was war das wieder ein schönes Weihnachten, woll.“