Der Turbinenflüsterer

Das Kraftwerk in Wildshausen. Foto: S. Droste

Dr. Bernd Walters im vollen Einsatz für Wasserkraftwerke

Erneuerbare Energiequellen – in Deutschland wird rund drei Prozent des erzeugten Stroms aus Wasserkraft gewonnen. Auch bei uns im Sauerland gibt es Wasserkraftwerke. Wir haben eines an der Ruhr bei Arnsberg-Wildshausen besichtigt und dabei Dr. Bernd Walters kennengelernt, der alte Anlagen wie diese am Leben erhält.  

Oft werden Kinder aufgefordert, gut aufzupassen, wenn ihnen Erwachsene etwas zeigen wollen. „Hier lernst du was fürs ganze Leben“, heißt es dann. Wenn Opa Walters vor rund 60 Jahren mit seinem Enkel Bernd unterwegs war, zog es beide oft zu alten Mühlen. Der Großvater hatte ein Faible für die dort erzeugte Energie, und so mancher Müller war stolz, seinen Besitz zu präsentieren. Logische Folge: Der Enkel wuchs wie selbstverständlich mit physikalischem und technischem Wissen auf, mit einer besonderen Vorliebe für Turbinen und das „Klappern der Mühle am rauschenden Bach“. 

Marode Mühle auf Ratenzahlung 

Doch bevor dieser Kindheitstraum für ihn Hand und Fuß annehmen sollte, studierte Bernd Walters Medizin und wurde Arzt. Eine Stelle im Dortmunder Krankenhaus, eine eigene Praxis in Brilon – so weit, so gut! Doch die Wasserkraft-Gedanken waren stets präsent. Als er eines Tages hörte, dass an der Möhne in Rüthen eine marode Mühle verkauft und abgerissen werden sollte, sah er seine Chance gekommen. „Der alte Müller war so begeistert von meiner Idee „Restauration statt Abriss“, dass er auf Ratenzahlung einging“, erinnert sich Walters, und er räumt ein: „Ein solches Investment hätte ich mir damals gar nicht auf einen Schlag leisten können.“ 

Dr. Bernd Walters. Foto: S. Droste
Dr. Bernd Walters. Foto: S. Droste

Einfache Rechnung: Eine Nachtschicht = eine neue Bohrmaschine 

Mit viel Zeit, Muskelkraft und Ideenreichtum hatte er grad sein erstes kleines Wasserkraftwerk in Gang bekommen, da kamen bereits die nächsten Verkäufer auf ihn zu. „Ich erwarb eine zweite Mühle sowie eine Beteiligung an einem Kraftwerk in Allagen“, erzählt Walters. „Es war wie eine Mischung aus Hobby und Nebenerwerb. Na ja, verdient habe ich damit kaum etwas. Um mir diesen Spaß überhaupt leisten zu können, habe ich als Arzt Überstunden gemacht; gelegentlich für Dortmunder Fachärzte die Nachtschicht oder Wochenendnotdienste übernommen. Da habe ich immer gerechnet: Eine Nachtschicht bringt 600 Mark, und das bedeutet eine neue Bohrmaschine. Ja, so war das damals.“ 

Der Verdacht liegt nah, es mit einem Workaholic zu tun zu haben, denn eigentlich bestand ja seine Freizeit aus „Rumbasteln“ an den Turbinen, Wellrädern, Generatoren etc. „Ach, das war für mich ein wunderbarer Ausgleich zum Dienst an den Patienten“, lacht Walters. „Ich hätte beides nicht missen wollen.“ 

Die größte Herausforderung – mit Erfolg abgeschlossen 

Richtig Fahrt aufgenommen hat sein kleines Energieunternehmen allerdings erst mit dem Erwerb einiger Kraftwerke an größeren Flussläufen, beispielsweise an der Diemel bei Giershagen, an der Hoppecke bei Brilon-Wald, an der Ruhr in Wickede und das Kraftwerk in Wildshausen, das er uns heute zeigt. 1873 ging das Kraftwerk erstmals in Betrieb, um zunächst Strom für eine Holzschleiferei, später für eine Zellstofffabrik zu erzeugen. Die Fabrik ist längst Geschichte, aber dank Bernd Walters wird hier immer noch Strom erzeugt, der heutzutage an Energieunternehmen abgegeben wird. „Man hatte hier in den 1990ern leider alles schon in Schutt und Asche gelegt“, so Walters. „Ich habe dann nächtelang alles mit eigenen Händen wieder hochgezogen.“ Heute bezeichnet er dieses Projekt als seine größte, erfolgreich abgeschlossene Herausforderung.  

So sah es vor dem Neuaufbau aus.
So sah es vor dem Neuaufbau aus.

Stolz zeigt er uns das Gebäude: ein Mix aus neuen Mauern und antiken Fenstern, die steile Stahltreppe, die er selbst geschweißt hat – und natürlich die Gerätschaften. Das große Wellrad und der Generator fangen den ersten Blick des Besuchers. Ein untergestellter Traktor weist darauf hin, dass der, der hier zu tun hat, keinen digitalen Schreibtischjob betreibt. „Ja, hier geht’s auch schon Mal zur Sache!“ sagt Walters und lacht, und er nimmt uns mit nach oben zum Wasserstau, wo wir heute vor dem Rechen der Anlage nur angeschwemmte Blätter sehen. Diese zu beseitigen, ist wohl ein Kinderspiel im Vergleich zu größeren Objekten. „Ich hab einem Landwirt so ´nen alten Mistkran abgekauft. Damit ist auch beispielsweise ein großer Ast schnell beseitigt“, weiß Bernd Walters. Er ist ganz in seinem Element.  

Energie für 2200 Haushalte 

Und wenn es mal größere Probleme gibt? „Ich beschäftige Schlosser und Elektriker in Vollzeit, die sich um Turbinen & Co. kümmern, dazu diverse Teilzeitkräfte fürs Grobe. Zur Not bin ich ja auch rund um die Uhr erreichbar und fahre dann raus. Neben meinem heutigen Hauptjob als Betriebsarzt bin ich wöchentlich rund 25 Stunden in Sachen Wasserkraft tätig.“ Doch der Aufwand lohnt sich: „Der Gesamt-Output meiner Werke reicht für den umweltfreundlichen Energiebedarf für rund 2200 Haushalte, das macht mich schon ein bisschen stolz.“ 

Und so kämpft er an gegen schwimmende Objekte, gegen Schäden an den Anlagen – und gegen Interessenverbände. „Vorschriften und Auflagen müssen sein, machen es uns Betreibern aber auch nicht leicht. Dabei investieren wir beispielsweise in gute Fischtreppen und können von einer Fischschädlichkeit gleich Null sprechen“, versichert Walters.  

Ans Aufhören denkt Bernd Walters mit seinen 67 Jahren noch lange nicht. „Die Anlagen sind stabil und halten bestimmt noch 100 Jahre durch“, meint er. „Wenn ich mal nicht mehr kann, dann übernimmt mein Sohn das alles hier. Aber erst mal habe ich selbst hoffentlich noch lange Freude daran!“  

Wie recht doch der Großvater hatte, als er sagte „…da lernst du was fürs ganze Leben!“