„Der Sommer wird gut!“

Sauerländer Christof Sommer ist Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW

In den kreisangehörigen Städten und Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen leben rund neun Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Vertreten werden sie durch den Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen (STGB NRW) in Düsseldorf. Christof Sommer (58) aus Nuttlar ist seit dem 1. Januar 2021 Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Sommer hat sich von Beginn seiner beruflichen Laufbahn an mit Kommunalpolitik beschäftigt. Nach beruflichen Stationen im Kreis Steinfurt und beim Bildungswerk der Kommunalpolitischen Vereinigung NRW in Recklinghausen wurde er 1999 Bürgermeister der Gemeinde Bestwig und 2005 zum Bürgermeister der Stadt Lippstadt gewählt. Im November 2019 wählte ihn das Präsidium des STGB zum Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW. WOLL Herausgeber Hermann-J. Hoffe und WOLL-Fotograf Klaus-Peter Kappest haben den erfahrenen Kommunalpolitiker am Aschermittwoch in Düsseldorf zu einem Gespräch getroffen.

WOLL: Aschermittwoch, Düsseldorf, Sauerland. Was lösen diese drei Worte bei Ihnen aus?

Christof Sommer: Die Frage könnte man auch so stellen: Was ist der Unterschied zwischen Bestwig und Düsseldorf? Meistens sage ich: Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied. Die Fußgängerampeln haben hier auch eine Gelbphase. Düsseldorf ist schon eine attraktive Stadt. Das habe ich gerade erst wieder gemerkt: Kunst und Kulinarisches, da sind die wirklich ganz vorne. Ach ja, und Politik versuchen sie.

WOLL: Vor einigen Tagen waren Sie im Fernsehen zu sehen. Man hatte den Eindruck, dass es bei den vorausgegangenen Gesprächen zwischen der Innenministerin und den Vertretern der Städte und Gemeinden laut hergegangen ist. War das tatsächlich so?

Christof Sommer: Ja, uneingeschränkt. Das Problem war und ist seit langem, dass es einen großen Bedarf gibt, zu sprechen, zu regeln und abzustimmen. Es hat sehr lange gedauert, bis in den Köpfen in der Berliner Blase angekommen ist, dass wir im Moment in den Kommunen eine Riesenaufgabe stemmen. Es bestand die Hoffnung, aber leider auch nur Hoffnung, dass da etwas Konkreteres bei herauskommt als Arbeitsgruppen und „Wir geben uns Mühe und koordinieren“. So ist es aber nun unterm Strich gekommen. Das ist natürlich ein bisschen wenig.

WOLL: Welche anderen Aufgaben, neben dem Migrationsthema, bewegen die kreisangehörigen Städte und Gemeinden?

Christof Sommer: Im Grunde ist es das Abbild dessen, was gerade in den Städten passiert. Insbesondere diese Multikrisensituation. Wir brauchen eine vernünftige kommunale Selbstverwaltung. Das hat auch immer etwas mit Geld zu tun. Nordrhein-Westfalen ist das Land, in dem in den 70er Jahren eine Kommunal-Reform stattgefunden hat. Danach hat Nordrhein-Westfalen, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, die meisten Aufgaben auf die Kommunen übertragen. Deshalb sind wir bei fast jedem Gesetzgebungsverfahren involviert. Das ist das Alltagsgeschäft. Genau wie die Formulierung der Erwartung an eine Landesregierung aus kommunaler Sicht, wie wir das vor der Wahl gemacht haben. Da geht es darum, diese Interessen zu vertreten und kritisch bei jedem Gesetzgebungsvorhaben dabei zu sein. Auf der anderen Seite, was unsere Kommunen auch erwarten, steht die ständige Kommunikation durch etwa Publikationen. Ein wichtiges Instrument der vergangenen Jahre ist der sogenannte Schnellbrief geworden. Hier informieren wir unsere Kommunen praktisch jeden Tag über aktuelle Entwicklungen, sei es ein Gesetzgebungsvorhaben oder ein neues Förderprogramm.

WOLL: In vielen Städten und Gemeinden kommt zunehmend das Thema Windindustrieanlagen auf den schönen Sauerländer Bergen auf die Tagesordnung. Welche Meinung haben Sie dazu?

Christof Sommer: Da kann ich vom Schreibtisch tatsächlich etwas Tagesaktuelles holen: Gestern wurde ein „letter of intent“ über eine Regelung zur Genehmigung von Windkraftanlagen unterzeichnet. Dazu gehört auch die Umsetzung des Koalitionsvertrages. Wer genehmigt das denn? Es bleibt nun bei der Genehmigungszuständigkeit der unteren Emissionsschutzbehörden, also den Kreisen und den kreisfreien Städten, aber in enger Zusammenarbeit mit den Bezirksregierungen. Die führen eine Art Kontrolle aus und schauen, dass die Ziele erreicht werden. Der Konflikt ist klar. Planerisch wird es sehr schwierig und kompliziert. Es ist eine unserer Aufgaben, die Mitglieder zu informieren. Wir hatten vor wenigen Wochen eine Veranstaltung zu diesem Thema. Da waren sowohl in Präsenz als auch zugeschaltet über 700 Vertreter unserer Mitgliedskommunen dabei. Da merkt man erst, welche Brisanz dieses Thema hat – und welche Bedeutung. Wir wollen die 1.000 Meter-Abstandsregelung behalten, auch wenn wir damit noch relativ alleine sind, und glauben, dass man trotzdem das vom Bund vorgegebene Ziel, 1,8 Prozent der Landesfläche, erreichen kann. Wer so eine 250 Meter-Anlage vor seine Haustür bekommt, ändert seine Meinung schnell, oder wird darin bestärkt, dass er das nicht will. Die Frage ist: Wie erreiche ich denn das Ziel des Ausbaus? Und wo erreiche ich das? Warum wird dafür der ländliche Raum gewählt und nicht die Industriegebiete, etwa in den Ballungsräumen? Ich glaube nicht, dass in Köln viele Anlagen gebaut werden.

WOLL: Persönliche Frage: Wie lebt es sich als Sauerländer in der Landeshauptstadt? Trinken Sie Pils oder Alt?

Christof Sommer: Pils. Ich trinke auch Alt, die nennen das hier Bier. Aber stellen Sie sich mal vor, es wäre Kölsch. Das wäre noch viel schlimmer.

WOLL: Wie sehen und bewerten Sie als Sauerländer, der schon lange über den eigenen Kirchturm hinaus die Welt betrachtet, unser Sauerland und die Sauerländer Lebensart im Chor der vielen anderen Regionen?

Christof Sommer: Ich finde es wunderbar, dass es eine solche Vielseitigkeit in diesem Land gibt. Insbesondere lokale Besonderheiten und Spezialitäten finde ich großartig. Das meine ich nicht nur kulinarisch, sondern auch historisch. Ich war Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft historischer Stadt- und Ortskerne in Nordrhein-Westfalen. Man erlebt dann diese Unterschiedlichkeit zwischen Aachen und Minden. Aber ganz subjektiv, das Sauerland war immer schon vorne. Das liegt am Gefühl.

WOLL: Vorletzte Frage! Was hat Südwestfalen, was das Sauerland nicht hat?

Christof Sommer: Dahinter steckt ja eigentlich die Frage: Was ist Südwestfalen? Das führt dazu, dass man ein bisschen meinungsstärker auftreten kann, und sich vielleicht andersherum besser vertreten kann. Alle Kreise zusammen zeichnet aus, dass sie viel wirtschaftsstärker sind als viele glauben. Dieser Prozess hat dazu beigetragen, das Bewusstsein dafür zu schaffen. Ob man unbedingt noch eine zusätzliche Identität als Südwestfale braucht, da mache ich auch mal ein Fragezeichen. Wenn der Bürger morgens aufsteht und seine Identitäten bestimmen muss, hat er ein Problem: Dann ist er erst einmal Schmallenberger, dann ist er Sauerländer oder sogar Hochsauerländer und dann soll er auch noch die Identität Südwestfale haben, am besten noch eine Regierungsbezirks-Identität? Dann ist er auf jeden Fall Westfale, Nordrhein-Westfale. Mit Sicherheit auch noch Deutscher, EU-Bürger und Weltbürger. Südwestfalen hat die Möglichkeit, eine Region mehr ins Bewusstsein zu rücken. Auf der politischen Ebene, vielleicht auch auf der Marketing-Ebene oder der touristischen. Aber die Marke ist eigentlich das Sauerland. Das macht es schwierig, beides zusammenzubringen.

WOLL: Wie wird der Sommer?

Christof Sommer: Der Sommer wird gut.

WOLL: Vielen Dank, Herr Sommer, für das sehr interessante und informative Gespräch am Aschermittwoch in Düsseldorf.