Vor langer, langer Zeit, als Remblinghausen noch ein Kirchspiel warund Remelinchusen hieß, lebte dort ein Bäuerlein namens Bartold Kreckenköttel. Der gute Kreckenköttel hatte ein Stückchen Land gepachtet, gleich da, wo heute das große Windrad sein lustig Liedchensingt. Dort ließ er Erdäpfel gedeihen und erntete im Sommer dasHeu für sein liebes Vieh. Im ganzen Kirchspiel galt er als besonders kluger Mann, da er nicht nur die dicksten Kartoffeln hatte, sondern statt mit einer Frau aus dem Dorfe mit einer schönen weißen Ziege zusammenlebte, die er Hitte nannte. Hitte meckerte zwar hin und wieder ein wenig, aber längst nicht so viel, wie man es von den Weibsbildern um Meschede sonst so kannte. Außerdem war siesparsam im Unterhalt und gab immer frische Milch für Kreckenköttels Stippsuppe.
Von seinem Häuschen aus konnte der gute Bartold bis hinunter zum Hennesee blicken, und nach getaner Arbeit saßen er und seine Hitte oftmals zufrieden auf dem kleinen Holzbänkchen hinterm Hause, blinzelten in die Abendsonne über dem See und knuspertenMalzbonbons. So führten die beiden ein zufriedenes Lebenund waren den anderen Bauern gute Nachbarn. Wie aber die Jahre so vergingen, wurden die beiden natürlich immer älter. Das Bäuerlein bekam einen recht krummen Rücken, der ihn arg plagte, und Hitte meckerte nur noch an Sonntagen,weil sie das Meckern so anstrengte.
Eines Tages aber, als der gute Bartold mit seiner Sense inweitem Schwunge seine Sommerwiese mähte, hörte er ein Klappern aus Richtung Meschede über das Land kommen. Und wie er gerade seine Sense absetzte, um deren Klinge zu schärfen, stand plötzlich Gevatter Tod neben ihm. Er trug eine schwarze Kutte mit weiter Kapuze, und seine bleichen Gebeine schlackerten im Winde. In seiner Rechten trug der Knochenmann eine Sense mit goldener Sichel, die nur so in der Sonne funkelte. Als er den grausigen Gevatter erkannte, wunderte sich Kreckenköttel, war er doch erst dreienachzig, und das ist ja nun fürwahr noch kein Alter zum Sterben für einen echten Sauerländer. „Kommste wegen mich?“ fragte er den einsamen Wanderer. „Noch nicht, Bäuerlein“, klapperte der Sensenmann, „Ich bin gekommen, um deine Hitte zu holen. Ihre Zeit ist gekommen, und heute werde ich ihr mit der Sense den Lebensfaden durchschneiden.“
Bartold wurde es plötzlich kalt ums Herz, denn obwohl die Hitte keine Milch mehr gab, hatte er sich, wie viele Sauerländer Männer, irgendwie an seine alte Ziege gewöhnt. Weil er aber ein kluger Bauer war, sagte er mit fester Stimme: „Da krisse aber Spässkes mit dem Lebensfaden, mit sonne stumpfe Sense wie deine. Zamma her das Teil,ich dengel dich dat ma ehmt schaaf!“
Dem Tod, der sich schon öfters über sein stumpfes Werkzeug geärgert hatte, war’s recht, und er reichte Kreckenköttel die Sense. Dieser nahm das Dengelzeug zur Hand und dengelte und dengelte und dengelte. Dann zog er den Wetzstein aus der Buxentascheund wetzte und wetzte und wetzte, und zum Schluss polierte er mit seinem karierten Taschentuch die goldene Sichel auf Hochglanz. Als der Sensenmann die schöne, scharfe Sense sah, bedankte er sich beim Bauern und wollte weiter, um die Hitte zu holen. Kreckenköttel aber hielt ihn an der Kutte fest und sprach: „Was gippt datt denn, du undankbaren Peias! Denksse, ich dengel hier für umsonnz? Also, runtermitte Sense, ran anne Wiese!“
Und wie geht die Geschichte weiter? Steht alles im Sauerländer Märchenbuch oder besser in „Sauerländer Märchenstunde Spaßmärchen und Lügengeschichten aus dem Land der 100 Berge“ von Michael Martin.
Sauerländer Märchenstunde – ISBN 978-3-943-681-30-7 – 19,90 €
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