Der Sauerländer Maikäfer

Sauerländer Maikäfer

Wenn Sie heute einen Vierzigjährigen fragen, ob er Maikäfer kennt, wird er lächeln und nicken: „Das sind doch diese Schokokäfer, die roten mit den schwarzen Punkten.“

Und Sie werden auch lächeln, weil Sie wissen, dass er/sie/es den Käfer mal wieder mit dem Marienkäfer verwechselt hat. Und Sie werden wissen, dass er noch niemals einen echten Maikäfer gesehen hat, denn ein solches Erlebnis vergisst man nicht. Ebenso würde man nach einem solchen Erlebnis beim Erwähnen des Wortes „Maikäfer“ nie wieder den Bezug zu einem profanen Schokokäfer herstellen. Apropos: Besagten Schokokäfer gibt es in zwei Varianten. Den nahezu kreisrunden roten mit den schwarzen Punkten. Und eben den anderen, den länglichen, braunen. Maikäfer und Marienkäfer. Wie kommt es, dass heute fast niemand mehr Maikäfer kennt? Maikäfer sind sehr imposante Käfer, bis zu 30 Millimeter lang, die man vor allen Dingen hört, bevor man sie sieht. Sie erzeugen das Geräusch eines startenden Hubschraubers, zugegebenermaßen eines etwas kleineren Hubschraubers.

Maikäfer sind einzigartig in der Erscheinung, mit den Fächern an den Fühlern. Wie kommt es also, dass sie niemand sieht, obwohl es sie im Sauerland gibt? Die Antwort ist ganz einfach, wir rollen heute einmal diese Kolumne von hinten auf, wir bringen quasi den Rezeptvorschlag zuerst: Man sieht sie nicht, weil sie fast alle aufgegessen wurden. Maikäfer sind einfach sehr selten geworden. Und das ist tatsächlich weniger weit weg von der Wahrheit, als Sie gerade denken. Maikäfer waren früher eine wahre Plage. Wenn die Larven nach mehreren Jahren endlich das Licht der Welt erblickten, war meistens Kahlfraß die Folge. Ganze Bäume wurden einfach kahlgefressen. Sobald der Käfer flugfähig war, ging er mit seinen tausenden Brüdern und Schwestern in einem Massenflug auf Nahrungssuche.

Man kann jetzt behaupten, dass man diese Plage mit händischem Absammeln oder Insektiziden besiegt habe. Aber es geht viel einfacher. Der einfachste Weg, wie man heutzutage eine Käferplage loswird, ist es, ein Rezept zu veröffentlichen. Und eben das tat man auch damals. Man veröffentlichte Rezepte und erklärte die kleinen Krabbler zur Delikatesse. Bis ins zwanzigste Jahrhundert waren Maikäfer regelmäßige Gäste in deutschen Küchen, zum Beispiel in Form der sehr beliebten Maikäfersuppe, die sogar in einem Magazin für Staatsarzneikunde als gesund und nahrhaft propagiert wurde. Kein Wunder, dass da auf Dauer nicht viele Käfer übriggeblieben sind.

Rein evolutionstechnisch ist der Käfer aber auch nicht zu beneiden. Bis zu fünf Jahre frisst sich der kleine Geselle als hässliche Larve durch das Erdreich, nur um dann für sechs Wochen das Sonnenlicht zu erblicken, sich mit einem hübschen Käferpartner fortzupflanzen und zu sterben. Die Schokokäfer im Maikäfergewand mögen an diese Ungerechtigkeit erinnern und zeigen den Käfer wie in einer Hommage im schönen Folien-Kostüm. Bevor er dann – wie auch im realen Leben – von gierigen Mündern verspeist wird.