Der Puten-Pionier aus dem Sauerland

Foto: S. Droste

Karl-Johannes Heinemann ist auf seinem Hof in Horbach Herr über 47.000 Puten

Wenn Sie aus Meschede oder einem der umliegenden Dörfer kommen, dann sind Ihnen bestimmt auch schon mal diese ganz besonderen Trecker aufgefallen? Sie sind nicht grün oder orange, wie es sonst in der Landwirtschaft üblich ist, sondern weiß – schneeweiß. „Ein Spleen meines Mannes“, erzählt Brigitta Heinemann lachend. Und tatsächlich: Fast alle Hoffahrzeuge haben diese strahlende Farbe und besitzen damit einen hohen Wiedererkennungswert. Dabei hat der Hof den gar nicht nötig. Denn den Putenbauern aus Horbach kennt fast jeder. Er führt einen der wenigen Geflügelmastbetriebe im Sauerland. Und das auf einem Hof mit Jahrhunderte langer Tradition. 

Über die Geschichte des Hofes könnte man ganze Bände schreiben. Seit 700 Jahren liegt der idyllische Fachwerk-Hof der Familie Heinemann nun schon in dem kleinen Tal am Rande des Hennesees. Damals gehörte er zum Stift Meschede und versorgte die Bewohner der Stadt mit wichtigen Lebensmitteln. 400 Jahre später übernahmen die Vorfahren von Karl-Johannes Heinemann den Hof und setzten die Tradition fort. Zunächst vor allem mit Milchkühen, doch in den 1960er Jahren wurde der erste Schweinemaststall eingerichtet. Nach und nach verschwanden die Kühe ganz vom Hof und die freigewordene Fläche wurde für die Putenmast umgebaut. Das war vor fast 50 Jahren. Heute kümmert sich der Landwirt in Horbach nicht nur um 47.000 Puten und 1.000 Schweine. Zusätzlich produziert er wichtige Lebensmittel und bewirtschaftet mit seinen drei Auszubildenden und sechs Mitarbeitern, neben 60 Hektar Forst und 120 Hektar Weihnachtsbaumplantage, auch noch 300 Hektar Ackerbau. Zahlen, bei denen einem schwindelig werden kann, doch Karl-Johannes Heinemann bleibt bescheiden. „Fahren Sie doch mal weiter in den Osten. Dort sind das noch ganz andere Größenverhältnisse. Aber im Sauerland gibt es tatsächlich nicht viele, die so viel Ackerland bewirtschaften“, erklärt der Landwirt. „Der Ackerbau ist die Grundlage für unser Viehfutter. Außerdem speisen wir damit unsere Biogasanlage. Wir wollen auf den Hof möglichst viele Kreisläufe schließen.“ 

Foto: S. Droste
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Ein emotionales Thema 

Karl-Johannes Heinemann baut auf der Fläche vor allem Weizen, Gerste, Raps, Tritikale, Mais und Zuckerrüben an. Während das Getreide an die Tiere verfüttert wird, landen Mais und Zuckerrüben in der gigantischen Biogasanlage. „Mit der Energie könnten wir wahrscheinlich ganz Remblinghausen versorgen“, scherzt der Landwirt, doch stattdessen werden damit die Ställe beheizt.  

Die perfekte Temperatur ist vor allem für die Puten besonders wichtig, denn die Küken mögen es warm. Bei 36 Grad fühlen sie sich am wohlsten, dann wird es allerdings kühler. Der Landwirt muss jeden Tag die Temperatur um ein Grad Celsius senken – bis schließlich eine konstante Temperatur von 15 bis 20 Grad Celsius erreicht ist.  

Doch gerade für die Putenmast erntete der Landwirt in den letzten Jahren immer wieder Kritik. Er kann verstehen, dass das Thema emotional aufgeladen ist. „Aber Fleisch steht bei den meisten Leuten auf dem Einkaufszettel“, sagt Heinemann, dessen Tiere nach dem Siegel „Initiative für Tierwohl“ gehalten werden. Für die Puten bedeutet das vor allem mehr Auslauf als bei einem rein konventionellen Betrieb. „Bei uns ist nur die Hälfte der Stallfläche belegt. Die Puten laufen im Stall frei auf Stroh und können scharren. Das Stroh wird mindestens drei Mal in der Woche gewechselt und für die Tiere gibt es rund um die Uhr frisches Wasser und Futter. Wie auch unsere Schweine haben die Puten zudem auch noch Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten“, erklärt der Landwirt. „Gerade Puten sind sehr empfindlich. Ihr Federkleid darf zum Beispiel nicht nass werden, sonst könnten sie schnell krank werden. Bei uns im Stall sind sie vor Wind und Wetter sowie Keimen oder Fressfeinden geschützt. Der Stall hat rundherum Netze, die sehr viel Frischluft und Sonnenlicht hineinlassen“, erklärt der Landwirt.  

Foto: S. Droste
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Ein transparenter Hof für mehr Akzeptanz 

Ihm ist es wichtig, dass der Hof und der Betrieb transparent bleiben. Er habe nichts zu verbergen und möchte wieder mehr Akzeptanz schaffen. „Jeder ist herzlich dazu eingeladen, sich den Hof und die Tiere anzuschauen. Früher, als unsere Kinder noch klein waren, sind sie oft mit dem Kindergarten und der Schulklasse hier gewesen und haben sich die Tiere und die Küken angesehen. Leider ist das heute nicht mehr der Fall“, bedauert Brigitta Heinemann, die vor einigen Jahren sogar den kleinen Hofladen schließen musste. „Viele Leute wollen lieber gar nicht sehen, woher das Tier stammt und kaufen es lieber im Supermarkt.“ Dabei liegt dem Paar das Wohl ihrer Tiere am Herzen.  

Foto: S. Droste
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Man merkt ihnen an, dass ihnen das Thema unter die Haut geht, doch sie sind Landwirte mit ganzer Seele. Kein Wunder, dass auch die drei Kinder in die Landwirtschaft gehen wollen. Auf die sind Karl-Johannes und Brigitta Heinemann besonders stolz und eines ist jetzt schon sicher: Die nächste Generation auf dem Hof in Horbach steht schon in den Startlöchern.