Ein Priester aus dem Sauerland als Nazi?

Lorenz Pieper

Quelle: Foto-Reproduktion: Peter Bürger

Foto: Die nationalsozialistischen Kleriker Joseph Roth aus München (ganz links) und Lorenz Pieper aus dem Sauerland (ganz rechts) bei einem Treffen „brauner Priester“, vermutlich im Jahr 1933. Foto-Reproduktion: Peter Bürger (Original im Pieper-Nachlass, Abtei Königsmünster).

Peter Bürger

Kein anderer römisch-katholischer Kleriker in Deutschland hat so früh ein Parteibuch der Nationalsozialisten erhalten wie Dr. Lorenz Pieper (1875-1951) aus Eversberg. Er trat schon 1922 als Kaplan von Hüsten der NSDAP bei, wurde 1923 sogar für einige Monate Mitarbeiter Adolf Hitlers und hielt von München aus im schwarzen Priesterrock zahlreiche NS-Propagandavorträge in Süddeutschland. Kurz vor der sogenannten Machtergreifung 1933 bekannte der gewaltbereite Antisemit: „Und naturgemäß wurde ich ein Soldat Hitlers. Es ist mein Stolz, dass ich gleich zu Anfang der Bewegung zu ihr stieß!“

Jetzt haben Werner Neuhaus und ich im Schmallenberger WOLL-Verlag den ersten Teil eines umfangreichen Forschungs- und Quellenprojektes zu diesem Sauerländer veröffentlicht. Für schnelle Leserinnen und Leser enthält der erste Teil eine zusammenfassende biographische Darstellung. In den Quellenabteilungen gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, sich anhand von Originalzeugnissen ein eigenes Bild über den Weg von Pieper und seine Gesinnungsgenossen zu verschaffen.

Insgesamt vierzehn „Profile“ demonstrieren die vielen Gesichter des berüchtigten Geistlichen. Durch den Einfluss eines geistlichen Onkels war er schon in Kindestagen auf einen Weg hin zum Priestertum gelenkt worden. Eine Neigung bzw. Berufung zum Zölibat besaß er vermutlich nicht. Pieper war schon als junger Priester „modern“. Das hieß aber im frühen 20. Jahrhundert, offen zu sein für Zeitströmungen wie Nationalismus, Militarismus und Rassismus. Die „reformkatholische“ – nationale – Abneigung gegen den Papst der Weltkirche verband sich bei ihm mit einem glühenden Judenhass. Ein „Brieftagebuch 1918-1933“, das wir erstmals in unserem Band veröffentlichen, erhellt, warum wir unserem Buch den Titel „Am Anfang war der Hass“ gegeben haben. Es zeigt auch, wie der Geistliche seinem Vorbild Adolf Hitler regelrecht die Züge eines Heilands verlieh. So etwas wie Lebensfreude verspürte er fortan nur dann, wenn die „Braunen“ Zuwachs und Wahlsiege zu vermelden hatten. Als Seelsorger scheute Pieper nicht davor zurück, schon in der Zeit der Weimarer Republik als NSDAP-Parteiorganisator in der katholischen Landschaft aufzutreten.

Atelierfoto des katholischen Priesters Lorenz Pieper (1875-1951) – Reproduktion Peter Bürger (Original im Nachlass, Abtei Königsmünster Meschede)

Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kommen, wird Lorenz Pieper öffentlich als nationalsozialistischer Pionier und „Held der Bewegung“ gefeiert. Er verkündet vor dem Sauerländischen Gebirgsverein eine arische Heimat und ein „Deutsches Pfingsten“. In der Liturgie kommt es schließlich sogar zu Neuerungen im Sinne eines „germanischen Christentums“.

Zu den Widersprüchen dieses Fanatikers gehört allerdings auch sein Widerstand gegen die Krankenmorde („Euthanasie“) als Anstaltsseelsorger in Warstein. Daraus ist in der Heimatliteratur oft der Schluss gezogen worden, Pieper müsse sich vom Nationalsozialismus ab 1941 ganz losgesagt haben. Das ist aber nachweislich nicht der Fall. Der Priester beantragte bei der Parteizentrale noch im Sommer 1944 Ersatz für ein verlorenes NSDAP-Ehrenzeichen und hielt dem „Führer“ bis zum bitteren Ende seinen Treueschwur. Er predigte noch vom „Segen“ des Dritten Reichs, als die US-Amerikaner schon längst vor den Toren der Kreisstadt Meschede standen.

Zuverlässig kann man eine Biographie nur anhand von Zeitdokumenten nachzeichnen. Wir haben schon weitere umfangreiche Quellenabteilungen für einen zweiten Band erschlossen. Er soll die beiden Hauptschwerpunkte „Protest gegen die Euthanasie-Morde“ und „Entnazifizierung nach 1945“ beleuchten.

Literaturhinweis ǀ Peter Bürger – Werner Neuhaus: Am Anfang war der Hass. Der Weg des katholischen Priesters und Nationalsozialisten Lorenz Pieper (1875-1951) – Erster Teil. Schmallenberg: Woll-Verlag 2022.

(ISBN: 978-3-948496-49-4; 652 Seiten; Fester Einband; 29,90 Euro; www.woll-verlag.de)

Am Anfang war der HassQuelle: WOLL-Verlag
Am Anfang war der Hass

Von Peter Bürger ist im WOLL-Verlag auch das Buch „Feyfhundert Hundert Muaren Himmelblo“ erschienen, Südwestfälische Mundartgedichte über Begehren, Liebe und Herzensnot.

Die älteste Liebeslyrik des Sauerlandes bilden frühmittelniederdeutsche Übersetzungen zum biblischen „Lied der Lieder“ Salomons, verfasst um 1325 nach Christus in der eigentümlichen Sprache der Landschaft: „dine brusten sint beter deme wine“ – „deine Brüste sind besser als Wein“! Ein schier unglaublicher Anfang.

Quelle: WOLL-Verlag
Feyfundert Muaren Himmelblo