„Der Hochsauerlandkreis ist eine Industrieregion im Grünen“

Landrat Dr. Karl Schneider

Der Hochsauerlandkreis ist der flächengrößte Kreis in Nordrhein-Westfalen, mit fast 2.000 Quadratkilometern so groß wie das Saarland und hat 261.750 Einwohner. „Charakteristisch für den HSK: Wir haben in einer mittelständisch geprägten Wirtschaft eine starke Unternehmerschaft, einen prosperierenden Tourismussektor, ein intaktes Dorfleben und relativ sichere Arbeitsplätze. So sehe ich das Hochsauerland. Wir sind eine Industrieregion im Grünen“, beschreibt Landrat Dr. Karl Schneider die Situation im Hochsauerlandkreis.

Das WOLL-Magazin hat mit Dr. Karl Schneider über den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Kreis, über die Wirtschaft und den Tourismus, über verschiedene Probleme und über seinen Optimismus in Bezug auf die Zukunft des Hochsauerlandkreises gesprochen.

Zwölf Städte und Kommunen

WOLL: Wie beschreiben Sie den HSK, wie sind die Menschen über die Fläche des Kreises verteilt und wie praktizieren Sie interkommunale Zusammenarbeit?

Landrat Dr. Karl Schneider: Wir haben im HSK mit der Stadt Arnsberg mit 74.000 Einwohnern eine große kreisangehörige Stadt. Andererseits gibt es auch die Stadt Hallenberg mit etwa 4.500 Einwohnern. Da sieht man schon die unterschiedliche Gewichtung. Meine Heimatstadt Schmallenberg ist die flächengrößte Stadt in Nordrhein-Westfalen und hat etwa 25.000 Einwohner.

Kreis und Städte und Gemeinden stimmen sich stark ab. So gibt es zum Beispiel die vierteljährlich tagende Hauptverwaltungsbeamtenkonferenz. Das ist eine der effektivsten Runden, die wir haben. Mein Bestreben ist eine gute Zusammenarbeit mit den Kommunen. Und es ist wertvoll, dass sich die Städte und Gemeinden mit dem Kreis über die wesentlichen Strategien abstimmen. Es gibt natürlich regionale Unterschiede. Die Stadt Arnsberg hat zum Beispiel mit dem Thema Migration ganz andere Probleme als Hallenberg. Insgesamt stoßen wir bei den Belastungen an Grenzen in Bezug auf fehlenden Wohnraum sowie Betreuung in Kindergärten, Schulen und Integrationskursen.

Bei den Gesprächen mit den Bürgermeistern ist es mir auch sehr wichtig, dass wir die Kommunalfinanzen aus den unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Dabei steht die von den Städten und Gemeinden zu leistende jährliche Kreisumlage im Fokus. Weitere Themen sind zum Beispiel das Deutschlandticket für die Schülerinnen und Schüler. Wir haben abgestimmt, wer was finanziert und wollten damit vermeiden, dass es unterschiedliche Praktiken in den einzelnen Kommunen gibt.

WOLL: Der HSK war in der Vergangenheit besonders wegen Bergbau, Land- und Forstwirtschaft bekannt. Wie ist das jetzt und womit verdienen die meisten Menschen ihr Einkommen im HSK?  
Landrat Dr. Karl Schneider:
Wir sind eine Industrieregion im Grünen, denn 58 Prozent unserer Beschäftigten sind in der Industrie oder im produzierenden Gewerbe tätig. Die Elektro-, Leuchten-, Kunststoff- und Metallindustrie sind prägend. Wir haben eine innovative Holzwirtschaft und die Breite des industriellen Handwerks ist als weiterer Pluspunkt zu nennen.
Dazu kommt das ganze Dienstleistungsgewerbe mit einem Anteil von 24 Prozent und der Tourismus mit 10 Prozent. Die Landwirtschaft kommt nur noch auf 1,4 Prozent.

WOLL: Aber es gibt HSK-Kommunen, in denen der Tourismus ganz wichtig ist?

Landrat Dr. Karl Schneider: Das stimmt. Winterberg ist dafür ein Beispiel. Aber das kann Fluch und Segen sein. Tourismus ist gerade in Krisenzeiten sehr anfällig. Deswegen ist eine breite Streuung von verschiedenen Branchen ein wirksames Mittel, um krisenfester zu sein. Der industrielle Mittelstand ist für mich das Fundament für eine hohe Wertschöpfung in unserer Region.

WOLL: Sehen Sie Schmallenberg als Beispiel für eine gute Entwicklung?
Landrat Dr. Karl Schneider:
Ganz ehrlich: Schmallenberg ist wirklich ein Vorzeigebeispiel, wo die Entwicklung sehr vorausschauend vollzogen wird. Ich denke da zum Beispiel an die Ausweisung von Gewerbegebieten. Ein Glücksgriff war der Kauf von großen Flächen in Bad Fredeburg. Nach zunächst zögerlicher Nachfrage ging es dann aber in den letzten Jahren zügig mit der Ansiedlung von Firmen voran.

Aktuelle Themen

WOLL: Vor einigen Jahren wurde im HSK viel über den demografischen Wandel diskutiert. Wird das noch immer als ein Problem gesehen?

Landrat Dr. Karl Schneider: 

Ja, auch im Hochsauerlandkreis gibt es einen enormen Fachkräftemangel, der zunehmend große Sorgen bereitet. Der Kreis hat die demografischen Probleme sehr früh aufgezeigt und zum Beispiel ein Programm gestartet, um Studentinnen und Studenten im fortgeschrittenen Medizinstudium zu ermuntern, nach dem Studium wieder ins Hochsauerland zu kommen. Wir vergeben ein Stipendium und die angehenden Mediziner müssen sich dabei verpflichten, einige Jahre im Sauerland im Gesundheitswesen zu arbeiten. Das Programm ist 2012 ins Leben gerufen worden. Insgesamt wurden bislang 58 Stipendien vergeben. 26 Ärztinnen und Ärzte sind im HSK nach der Approbation tätig, zwei in einer Praxis und 24 im Krankenhaus. Zehn sind bereits über die Pflichtzeit hinaus beschäftigt. 20 Studentinnen und Studenten werden aktuell gefördert.

Unser zweites Projekt ist „Heimvorteil“. Es richtet sich an junge Menschen, die das Sauerland zum Studium oder für eine Ausbildung verlassen haben und den Weg zurück in die alte Heimat suchen. Das Projekt wird von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hochsauerlandkreis verantwortet und in enger Zusammenarbeit mit der Südwestfalen Agentur umgesetzt.

Klimawandel und Windkraft

WOLL: Mit welchen Themen beschäftigt sich aktuell der Landrat?
Landrat Dr. Karl Schneider:
Die Vielfalt der Themen, mit denen sich ein Landrat beschäftigt, ist eigentlich unendlich. Natürlich ist der Klimawandel für uns ein zentraler Punkt. Wir haben für den Hochsauerlandkreis ein Klimaschutzkonzept geschrieben und werden vielfältige Maßnahmen umsetzen.

Wir werden uns auch stärker mit der Windkraft auseinandersetzen müssen. Da werden sehr kontroverse Diskussionen aufkommen. Eine reine Verhinderungspolitik wird der Bund nicht mehr zulassen. Große Projektierer suchen geeignete Flächen für die Windkraftanlagen. Wir warten jetzt auf den Regionalplan mit der Kartierung, damit wir wissen, wo diese Bauten verortet sein können.

WOLL: Verbindung zwischen Windindustrieanlagen und Tourismus. Denken Sie, dass Gäste, die ihren Urlaub im Sauerland verbringen wollen, darüber begeistert sein werden?
Landrat Dr. Karl Schneider:
 Ich will nicht, dass das Land der 1.000 Berge jetzt das Land der 1.000 Windräder wird. Wenn wir im Hochsauerlandkreis der Windkraft mehr Raum einräumen müssen, dann sollten wir in Konzentrationszonen denken. Ich möchte nicht, dass zum Beispiel in der Stadt Schmallenberg ein Wildwuchs entsteht. Umzingelungen von ganzen Ortschaften sind nicht akzeptabel. Wir müssen eine für Menschen, Natur und Tourismus verträgliche Lösung schaffen. Es kommt niemand ins Sauerland, um Windräder zu bestaunen. Die Leute wollen die Landschaft sehen und genießen.

WOLL: Was bereitet Ihnen als Landrat noch mehr Sorgen?
Landrat Dr. Karl Schneider:
Das ist neben der Flüchtlingswelle die finanzielle Entwicklung auf allen Ebenen. Die Kosten explodieren geradezu und werden für die Kommunen immer weniger tragbar. Bund und Länder schaffen immer mehr soziale Anspruchsgrundlagen ohne die nötigen Finanzen mitzuliefern. Die Kosten kommen irgendwann unten in den Kreisen an. Allein für die Eingliederungshilfe müssen wir im nächsten Jahr fast zehn Millionen Euro mehr an den Landschaftsverband zahlen. Durch die nachlassende Steuerkraft bekommt der HSK sieben Millionen Euro weniger an Einnahmen. Weiterhin müssen wir für den Öffentlichen Personennahverkehr etwa drei Millionen Euro mehr aufwenden. Diese Entwicklungen machen mir erhebliche Sorgen, denn wo soll das zusätzliche Geld herkommen?

WOLL: Was ist Ihrer Meinung nach die Lösung?
Landrat Dr. Karl Schneider:
Ein Patentrezept habe auch ich nicht. Wir müssen Standards zurückfahren, Ansprüche vermindern, Bürokratie verringern und nachhaltig dafür sorgen, dass künftige Generationen nicht über Maß beansprucht werden. Der HSK hat in den letzten Jahren sehr viel investiert und trotzdem seine Verschuldung um etwa 65 Prozent abgebaut. Und seit meinem Amtsantritt im Jahr 2005 haben wir jegliche Netto-Neuverschuldung vermieden. Das ist für mich vorausschauende Finanzpolitik. So haben wir Rücklagen für schwierige Zeiten aufgebaut und kommen in 2024 mit einer maßvollen Anhebung der Kreisumlage aus.

Tourismus         

WOLL: Was muss man hier im Hochsauerland unbedingt gesehen haben?
Landrat Dr. Karl Schneider:
Ich bin leidenschaftlicher E-Biker und darum betone ich immer wieder, dass wir im Hochsauerland ein gut ausgebautes Radwegenetz haben. Zudem gibt es wunderschöne Wanderrouten. Man kann hier die Landschaft genießen. Als Beispiele nenne ich den Kahlen Asten und die Seenlandschaften rund um Henne und Sorpe. Eine einladende Gastronomie und viele Fernblicke runden das Bild ab.

WOLL: Und die letzte Frage: Wie sehen Sie die Zukunft des Hochsauerlandkreises?

Landrat Dr. Karl Schneider: Ich bin Optimist. Der Kreis ist gut aufgestellt. Ländliche Räume sind Wirtschaftsräume. Wir sind zukunftsfähig. Wir haben eine anpackende Mentalität und aufgeschlossene Haltung zu Innovation und Erneuerung. Wir sind bodenständig, zuverlässig und in hohem Maße anpassungsfähig. Das ist eine gute Grundlage für unsere künftige Entwicklung.

WOLL: Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen weiterhin eine erfolgreiche Arbeit für den Hochsauerlandkreis.