Der Enser See

Auentypisches Biotop bietet Pflanzen und Vögeln einen störungsarmen Lebensraum

Normalerweise sind Seen Anziehungspunkte für Menschen, die sich nach Erholung sehnen. Der Möhnesee ist das beste Beispiel dafür. Beim einzigen See auf dem Enser Gemeindegebiet ist das anders. Der Enser See liegt inmitten des gleichnamigen Naturschutzgebietes, das sich südlich von Niederense entlang der Möhnestraße (L745) erstreckt.  

Das 23 Hektar große Schutzareal ist durch keinerlei Wege zugänglich, aufgrund seines Schutzstatus besteht abseits eventueller Wege ohnehin ein Betretungsverbot. Seine Tallage sowie die üppige Uferbegrünung sorgen dafür, dass der See kaum sichtbar ist und keine falschen Begehrlichkeiten weckt. Das war freilich nicht immer so. Ältere Enser können sich noch daran erinnern, wie sie in den 1970er-Jahren mit dem Auto oder Moped bis ans Ufer gefahren sind. „Die belgische Armee hat am See einmal im Jahr ein Grillfest veranstaltet“, erzählt Peter Pawlowski, der noch Fotos in seinem Bilderalbum hat, auf denen sein Sohn spielend am Seeufer zu sehen ist. 

Seit 1981 ist das Gelände als Naturschutzgebiet ausgewiesen. In den letzten 40 Jahren hat sich die Landschaft – weitestgehend frei von menschlichen Einflüssen – gewandelt. Die Wiesen am Ufer sind Geschichte, stattdessen hat sich der Enser See zu einem vielgestaltigen Feuchtbiotop-Komplex entwickelt. Die Auenwälder reichen bis ans Seeufer, es gibt Röhrichten und Überschwemmungszonen. Die Erhaltung und Entwicklung der Erlen- und Eschenwälder ist eins der vielen Schutzziele. 

Diverse Vogelarten brüsten, raten und überwintern am Enser See 

Neben der Flora ist es auch die Fauna, die sich hier in aller Ruhe entfalten kann. Der Enser See ist ein bedeutendes Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet für viele verschiedene Vogelarten. Höckerschwäne, Kanadagänse, Stockenten, Blässhühner, Teichrallen, Feldschwirl, Fitis, Gartengrasmücke, Klappergrasmücke, Mönchsgrasmücke, Sumpfrohrsänger und Zilpzalp sind einige Beispiele. Besonders hervorzuheben sind der Mittelspecht, der in Mitteleuropa relativ selten vorkommt, und die Eurasische Wasseramsel als einzige auch in Mitteleuropa lebende Vertreterin der Familie der Wasseramseln. Die Bestände beider Arten haben sich mittlerweile gut erholt. 

Der Enser See ist für die Wasseramsel wie geschaffen, denn ihr Lebensraum ist an schnellfließende, klare Gewässer gebunden. Der See wird durch die Möhne gespeist, die ein paar Kilometer zuvor schon den Möhnesee aufstaut. Am südlichen Ende des Sees rauscht das Wasser einige Staustufen hinunter, bevor die Möhne ihre Reise fortsetzt, um wenig später in Neheim unterhalb der Autobahn 46 in die Ruhr zu münden. 

Der Kreis Soest plant bereits seit mehreren Jahren den Rückbau der Staustufen, wodurch sich anstelle des Sees ein natürlicher Flusslauf entwickeln soll. Eine solche Entwicklung entspricht den Zielen der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der Naturschutzgebietsverordnung. Die Experten gehen aufgrund von Luftbildern aus den 1940er-Jahren davon aus, dass auch nach dem Rückbau der Stauanlage ein Restsee verbleiben würde. Das Angeln ist hier übrigens verboten. 

Überbleibsel der Möhnekatastrophe 

Dass sich an dieser Stelle bis heute überhaupt ein See befindet, ist eine Folge der Möhnekatastrophe vom 17. Mai 1943. Als die britische Royal Air Force mit ihrer eigens für das Angriffsziel Möhnetalsperre entwickelten Rollbombe ein Loch in die Staumauer sprengte, ergossen sich innerhalb kürzester Zeit 90 Millionen Kubikmeter Wasser durch das Möhnetal. Zurück blieb der Enser See, der erst durch intensiv gefaltetes Gestein als geologischer Untergrund ermöglicht wird. Insbesondere am westlichen Ufer des Gewässers, das sich zum Teil steil in Richtung Höingen erstreckt, sind die mächtigen Grauwackenbänke gut sichtbar. 

Als auentypisches Biotop, das nicht nur „wegen der besonderen Eigenart“, wie es im Naturschutzkonzept des Kreises Soest heißt, sondern auch aufgrund „der hervorragenden Schönheit des Gebietes“ geschützt ist, ist der Enser See bedeutend für den Erhalt und die Förderung der hiesigen Pflanzen- und Tierbestände. Umso wichtiger ist es, dass dieser Ort weiterhin frei von Freizeitnutzung und anderen menschlichen Einflüssen bleibt und sich möglichst naturnah entwickeln kann.