Der Bismarckturm am Haarstrang: Einblicke und Ausblicke

🖊️ 📷 Jürgen Funke

Seit 85 Jahren steht er schon auf der höchsten Stelle des Haarstrangs zwischen Möhnesee und Soest: der Bismarckturm an der Kreuzung der Bundestraßen B 229 (Langenfeld (Rheinland) – Soest) und B 516 (Werl – Brilon), die über die Haar verläuft. Das wuchtige, 18 Meter hohe Gebäude zählt zu den Wahrzeichen der Gemeinde Möhnesee. In seinem Inneren gibt es für Besucher an Sonn- und Feiertagen vormittags Interessantes über die Geologie und Geschichte der Region zu entdecken. Das ausliegende Gästebuch beweist, dass viele Besucher positiv überrascht sind über die vielfältigen Informationen.
Dass dieses denkmalgeschützte Gebäude auch heute noch seinen Beitrag zur touristischen Infrastruktur der Region Möhnesee leistet, ist dem Heimatverein Möhnesee zu verdanken. Rund ein Dutzend Mitglieder kümmern sich ehrenamtlich um die Präsentation und den Erhalt. Als Turmwärter geben sie während der Öffnungszeiten gern Erläuterungen. Zu ihnen zählt auch Horst Glander aus Körbecke. In diesem Frühsommer wurden draußen am Fuß des Turmes neue Informationstafeln aufgestellt. Da kann der Besucher sehen, welches Ziel er als nächstes ansteuern könnte, zum Beispiel das Naturschutzgebiet Kleiberg (Anmerkung der Redaktion: WOLL 6/Frühling 2019).
Die Errichtung von Bismarcktürmen war nach dem Tode des ersten deutschen Reichskanzlers Otto Fürst von Bismarck 1898 im ausgehenden Kaiserreich große Mode. Viele Kommunen wollten somit ihre Hochachtung für den verstorbenen preußischen Politiker kundtun. Auch in Hamburg, im Hafenviertel St. Pauli, wurde solch ein Turm gebaut.
Wenn Horst Glander und die weiteren Mitstreiter des Heimatvereins im Frühsommer die oberste Etage betreten, gilt der erste Blick dem Nest mit sechs jungen Falken. Per Kamera und Monitor ist alles bestens zu sehen. In der oberen Fensternische über dem Eingang brütet jedes Jahr ein Falkenpärchen. Der Brutverlauf und –erfolg wird seit sieben Jahren dokumentiert. „In diesem Jahr sieht es ganz gut aus“, sagt Horst Glander. Die sechs jungen Falken kuscheln sich eng aneinander und warten darauf, dass die Eltern ihnen frisch erbeutete Mäuse bringen. Haben die putzigen Vögel erst einmal ihren Flaum verloren und Federn gebildet, dauert es nicht mehr lange und sie starten zu ihrem ersten Flug.
Als Mäusejäger sind Falken nützliche Vögel. Man erkennt den Greifvogel in der Natur oft daran, dass er auf einer Stelle verharrend „rüttelt“. Daher auch der Name Rüttelfalke. Hat er aus der Luft eine Feldmaus entdeckt, stürzt er pfeilschnell herab und schnappt sich mit seinen scharfen Krallen die Beute. Bis zum Herbst leben die Jungtiere mit ihren Eltern zusammen. Auch in Städten lassen sich die Falken beobachten. Sie nisten in Nischen von Türmen, Kirchen und hohen Bäumen. Dort übernehmen sie die fertigen Nester von Krähen und Eichhörnchen. In Arnsberg gibt es ein Turmfalkenpaar im Limpsturm, einem der erhaltenen Stadttürme. Das Paar hat ebenfalls Nachwuchs bekommen. Auch hier können sie per Kamera auf dem Monitor beobachtet werden.
Der Bismarckturm ist nicht außergewöhnlich hoch, liegt jedoch in exponierter Lage. Fernsicht gibt es in alle Richtungen. Die Kirchtürme von Soest sind bei normalem Wetter vom Nordfenster aus gut zu erkennen. Dahinter liegen die Beckumer Berge. Über Erwitte bis zum Teutoburger Wald geht der Blick in Richtung Osten. Im Westen kann man die Kühltürme der Kraftwerke an der Lippe und ab und zu sogar den Dortmunder Fernsehturm sehen. Möhnesee und der Naturpark Arnsberger Wald liegen südlich.
Wer die Stufen hochsteigt, kommt zunächst an dem Modell eines historischen Turms mit beweglichen Flügeln vorbei. So sah eine Station der Königlich-Preußischen Optischen Telegraphenlinie aus. Der Haarstrang wurde 1832 Bestandteil dieser Linie. Eine Depesche von Berlin nach Koblenz konnte in 90 Minuten übermittelt werden. Ein reitender Bote hätte drei bis vier Tage gebraucht. 62 Stationen wurden für die 588 Kilometer lange Strecke gebaut, alle in Sichtkontakt zueinander. Nr. 40 war in der Nähe des viel später errichteten Bismarckturms. Diese Art der Kommunikationsübermittlung sorgt bei heutigen Jugendlichen – im Zeitalter von Smartphones und Internet – für Stirnrunzeln.
Geologische Informationen gibt es im Untergeschoss: Der Haarstrang und das Möhnetal bilden die Grenze zwischen der Norddeutschen Tiefebene und den waldreichen Mittelgebirgen. Das wasserdurchlässige Kalksteingebirge des Haarstrangs bricht hier ab und es beginnt das quellreiche Gebirge des Sauerlandes, das aus Schiefer und Grauwacke besteht. Schüler aus Körbecke haben eine Informationstafel gebastelt, auf der die unterschiedlichen Gesteinsformationen verdeutlicht sind.