Den Kopf voller Ideen…

Besondere Erfinder und Erfindungen aus dem Sauerland 

Es reicht nicht, eine gute Idee zu haben, einen Einfall, den bisher noch niemand hatte. Eine Menge Ehrgeiz gehört ebenfalls dazu, gegen Widerstände hinweg an der Umsetzung der Idee zu arbeiten. Die hier vorgestellten Erfinder hatten es ebenfalls nicht leicht. Teils wurden sie belächelt und verspottet. Nicht jede Erfindung schaffte es zur Patentierung.  

Heute können wir von der Beharrlichkeit und dem Schöpfergeist dieser Vier profitieren und stolz auf diese außergewöhnlichen Sauerländer sein.  Wer weiß, wie viele Erfindungen es noch gäbe, wenn so manch „heller Kopf“ mehr Mut und mehr Ausdauer gehabt hätte… 

Vielleicht sollte scheinbar desinteressierten und aufmüpfigen Jugendlichen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden…  Zumindest könnte man auf den Gedanken kommen, wenn man die Lebensgeschichte des Franz Anton Lohage liest.  

Ein aufsässiger Sohn 

Der 1815 geborene Grevensteiner sollte eigentlich Schneider werden. Ebenso wie schon sein Vater, wahrscheinlich auch der Großvater. Aber der 12-Jährige zeigte deutlich sein Desinteresse für diesen Beruf. So musste er also zunächst als Ackerknecht arbeiten, später als Arbeiter in der Chemischen Fabrik Wocklum. Mit seinen „Verbesserungsvorschlägen zur Arbeitsvereinfachung“ handelte er sich – ungerechterweise – allerdings seine Entlassung ein. 

Als Ludwig von Vincke, Oberpräsident von Westfalen, von diesem Vorfall erfuhr, ermöglichte er dem Jungen den Besuch der Gewerbeschule in Hagen, später besuchte Lohage als Stipendiat das Gewerbeinstitut in Berlin, ein Vorgänger der Technischen Hochschule.  

Franz Anton Lohage gründete später in Dortmund eine Stearinfabrik. Als er 1848 im Auftrag des preußischen Staates eine Studienreise nach England und Schottland unternahm, beschäftigte er sich – gemeinsam mit einem Bekannten – mit Verfahren zur Herstellung von Stahl. Unter strikter Überwachung und Steuerung des Glühvorgangs gelang es den beiden, harten Stahl im Puddelofen zu erzeugen. Das neue Verfahren schuf ein hochwertiges Zwischenprodukt, den Schweiß-Stahl. Die gemeinsame Erfindung, eine Weiterentwicklung des sogenannten Puddelverfahrens, wurde von vielen Werken übernommen. 

Ab 1857 war er für führende Eisen- und Stahlunternehmen als Berater tätig. Darunter waren die Gutehoffnungshütte in Oberhausen, ein Unternehmen in  Sheffield und auch die Wilhelmshütte in Warstein. Während seiner Zeit für die Bochumer Gussstahlhütte gelang es ihm, große Gussstahlblöcke herzustellen. Dieses Verfahren wurde in Großbritannien und den USA patentiert.  

Was den Erfinder früherer Zeiten von den angestellt Forschenden moderner Entwicklungsbüro unterscheidet, trifft auch für Lohage zu: Er beschäftigte sich mit völlig unterschiedlichen Bereichen, so z. B.  mit der Theorie der Bierherstellung und der Entfernung von Chlor aus der Bleiche.  

Vom Waisenkind zum Industriellen 

Auch und besonders der Neheimer Hugo Bremer war für seinen Ideenreichtum bekannt. So forschte er an beheizbaren Mänteln, meldete die Herstellung von Papierbleistiften, die Zange zum Befestigen von Ösenknöpfen mittels Drahtstifte und den Fahrzeug-Kühlergrill als Patent an. Vor allem durch das nach ihm benannte „Bremer Licht“ geriet Bremer buchstäblich ins Licht der Öffentlichkeit.  Auf der Pariser Weltausstellung 1900 erhielt er für die hell brennenden Intensivflammenbogenlampen den „Grand Prix“, die höchste Auszeichnung.   

Thomas A. Edison, den er während eines Amerikaaufenthalts kennengelernt haben könnte, soll mehr als 1.000 Patente angemeldet haben, Bremer kam auf immerhin mehr als 170 Patente und zahlreiche Gebrauchsmuster. Wie schwer das Patentrecht zu durchschauen ist, hat der Neheimer bald erkennen müssen. Zahlreiche Prozesse führte er u.a. gegen den Großkonzern Siemens.  

Der in Elberfeld geborene Hugo Bremer war schon mit drei Jahren Vollwaise. Er wuchs im Heim auf, machte eine kaufmännische Ausbildung und betrieb später eine Heftzwecken-Produktionsfirma in Menden. Nach der Trennung von seinem Geschäftspartner verlegte er die Produktion nach Neheim.  Dort nahm er zusätzlich Schuhknöpfe ins Sortiment auf. 

Hugo Bremer erregte in Neheim nicht nur durch seine Erfindungen Aufsehen, sondern fiel in den letzten Lebensjahren auch durch seine Eigenarten auf. So soll er bei jedem Wetter einen Regenschirm mit sich geführt und stets zwei unterschiedliche Schuhe getragen haben. 

Breit gefächert und vor allem praktisch  

Auch der Neheimer Hubert Wiegelmann war mit nicht nur einer Erfindung erfolgreich. In den 1940er-Jahren beteiligte er sich maßgeblich an der Entwicklung der Röntgenraumsicht und meldete ein Patent für Höhenausgleichssysteme für Möbel an, ebenso wie für die Schalteinrichtungen von Krankenbetten oder elektrisch betriebene Rasierapparate mit Luftsaugvorrichtung.  

Kabinettstückchen und „coole“ Erfindung 

Nicht nur die Erfinder aus der Vergangenheit beeindrucken. Auch in der Gegenwart gibt es besonders helle Köpfe. Zum Bespiel Friedhelm Hillebrand, der 1940 in Sichtigvor bei Warstein geboren wurde. Hillebrand war zu Beginn der 1980er-Jahre bei der Telekom deutscher Projektleiter eines neuen analogen deutsch-französischen Mobiltelefonsystems. 1984 stand er vor der Herausforderung, ein System zu entwickeln, das in der Lage war, mit dem Mobiltelefon Nachrichten ohne Zusatzgeräte wie den Laptop senden und empfangen zu können: „Um SMS in jedem Endgerät und jedem Netz verfügbar zu haben, war eine kostengünstige Implementierung erforderlich“, berichtet Hillebrand, „Ich habe das Konzept 1984 entwickelt. Es stieß auf große Widerstände, konnte aber doch 1985 im Standard verankert werden. Ab 1993/4 war SMS in jedem GSM-Netz und Endgerät verfügbar. Aber niemand nutzte es, bis es von der Jugend als „cool“ entdeckt wurde und Teil der Jugendkultur wurde. Hillebrand bezeichnet SMS eher als Kabinettstückchen: „So bezeichnet man in der Malerei ein kleinformatiges Meisterwerk und so etwas ist SMS.  SMS war der Öffner für alle Dienste, die das Telefon direkt als Datenterminal benutzten. In der Spitze wurde mehr als 100 Mrd. € Umsatz der Netzbetreiber erreicht. Heute dominieren Spezialanwendungen und Notrufe.“ Von 1994 bis 1996 war Hillebrand der erste Technische Direktor des Weltverbandes der GSM-Netzbetreiber. 

Mit seiner Erfindung, dem Konzept für SMS (einschl. Cell Broadcast) reiht er sich in die Reihe der großen Sauerländer Erfinder ein. Auch wenn es völlig unterschiedliche Menschen sind, verbinden sie doch drei konstitutive Eigenschaften: Sie haben ein Problem als solches erkannt, hatten den Willen, es auf neue kreative technische Art und Weise zu lösen und waren mindestens einmal in ihrem Leben dabei erfolgreich.