„Dem Ingeniör ist nichts zu schwör!“

Johannes Schmidt: Mit Neugier und Beständigkeit immer wieder Akzente gesetzt

Sauerländern sagt man nach, dass, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dieses auch zu Ende bringen. Einer, auf den das wohl zutrifft, ist der vor 86 Jahren in Werpe geborene Bauingenieur Johannes Schmidt. Mit sechs Geschwistern in einem Arbeiterhaushalt mit Zweikuh-Landwirtschaft groß geworden, besuchte er während des Krieges und dann bis 1948 die Volksschule im Nachbardorf Wormbach. Den kaufmännischen Interessen entsprechend schloss sich der Besuch der einjährigen Handelsschule in Schmallenberg an. 1949, ein Jahr nach der Währungsreform und des neuen Geldes begann der Werper Bursche eine Schreinerlehre in der Bau- und Möbelschreinerei Biermann in Wormbach. Nach einem Gesellenjahr wechselte Johannes Schmidt das Arbeitsfeld und übernahm, aufgrund familiärer Kontakte, die kaufmännische Leitung bei dem Schmallenberger Zahnarzt und Zahntechnikbetrieb Dr. Balzer. „Hier habe ich fast alles gemacht und wusste bestens Bescheid“, erzählt Johannes Schmidt mit einem freundlichen Lächeln. Doch innerlich träumte der junge Mann aus dem Hawerland schon lange von schön gestalteten Räumen und Möbeln. „Ich dachte an Innenarchitekt oder etwas ähnliches!“ Und wie heißt es doch so schön: Wenn man etwas wirklich will, dann wird das auch!

„Gloif nit, dat döü nöü wat wöres!“

Im Dezember 1956 wird bei ein paar Gläschen Bier mit seinem Schulfreund Ewald Nückel im Schmallenberger Habbels über dessen Bauingenieurstudium in Mainz gesprochen. „Das kannst Du auch!“, sagt sein Freund und in Johannes Schmidt ist der Ehrgeiz geweckt. Der Aufforderung folgen schnell Taten. „Ich musste Algebra und viele andere Sachen in Kürze lernen, damit ich die Aufnahmeprüfung bestehen konnte. In der Volksschule hatten wir Dreisatz und Prozentrechnung gelernt, aber von Algebra a, b, x und y hatte ich noch nie etwas gehört.“ Die Aufnahmeprüfung klappt, das Studium ebenso. Mit enormem Fleiß und Sauerländer Geschicklichkeit wurde studiert und parallel im Ingenieurbüro eines Professors gezeichnet. So war die Finanzierung des Studiums gesichert. „Von zu Hause gab es nichts. Das musste ich mir schon alles selbst verdienen“, erinnert sich der Bauingenieur im Rückblick auf die Studienzeit. An den Kommentar seiner Mutter an den 27-jährigen erwachsenen Sohn erinnert er sich noch gut, als er 1961 die freudige Nachricht von der bestandenen Ingenieurprüfung überbrachte: „Gloif nit, dat döü nöü wat wöres!“ (Glaub‘ nicht, dass Du jetzt etwas wärest!“) – Im sauerländischen Werpe standen damals eher andere Leistungen als ein Bauingenieurstudium hoch im Kurs. Kaum ist das Studium beendet, heiratet Johannes Schmidt seine Jugendliebe Dorothea Nahser, vertrieben aus Ostpreußen, die mit ihren Eltern und Geschwistern im Nachbarort Felbecke wohnt. Aus der Ehe gingen drei Söhne, die Zwillingsbrüder Ferdinand und Hathumar sowie Johannes hervor.

Der frisch gebackene Ingenieur für Bauwesen fängt nach dem Studium bei der Baufirma Heine in Oberhausen an. Schnell wird ihm, neben der Planung von Bauprojekten auch die selbstständige Bauleitung diverser Bauvorhaben übertragen. Am 1. April 1963, drei Jahre nach Beendigung des Studiums, macht sich der Sauerländer zusammen mit seinem norddeutschen Studienkollegen Peter Hanßen, der auch von einem kleinen Bauernhof stammt und ähnlich denkt und handelt wie er, in der Friedrichstraße in Düsseldorf mit einem Ingenieurbüro selbstständig. Die beiden Jungingenieure sind überzeugt, dass sie viele Sachen einfacher, schneller und besser können. Die Akquisition notwendiger Aufträge lässt Johannes Schmidt schnell wieder im Sauerland vorbeischauen. „Ich habe alle Architekten in Schmallenberg, Fredeburg und Umgebung aufgesucht. Den ersten Auftrag habe ich vom Architekten Alfred Didam aus Fredeburg bekommen. Da war ich mächtig stolz“, freut sich der 86-jährige Bauingenieur auch heute noch. Ende 1963 wird aufgrund der erfreulichen Aufträge aus dem Sauerland neben dem Düsseldorfer Büro ein Zweigbüro im Amselweg in Schmallenberg eröffnet. Drei Jahre später zieht das Ingenieurbüro in das neue gebaute Wohnhaus im Ziegeleiweg 20 um, was bis vor wenigen Monaten die Hauptadresse war.

Herausforderungen gemeistert

Johannes Schmidt und sein Freund Peter Han.en erweiterten in den Folgejahren kontinuierlich das Leistungsangebot und konnten dadurch ein passables Unternehmenswachstum erreichen. 1979 trennen sich die Wege der beiden Freunde einvernehmlich. „Der Peter hatte keine Lust mehr und wir haben in aller Freundschaft die Bürogemeinschaft aufgelöst. Ab 1. Januar 1980 habe ich das Büro alleine weitergeführt.“ Johannes Schmidt ist zu dieser Zeit als Bauingenieur weit über die Grenzen von Schmallenberg im Sauerland und darüber hinaus bekannt. Unzählige Bauprojekte verdanken ihre Entstehung und Fertigstellung den hervorragenden Ingenieurleistungen und Statikberechnungen des Ingenieurbüros Schmidt aus Schmallenberg.

In den 80er Jahren erfordern die Entwicklungen und Herausforderungen im Planungsbereich und die aufkommende Digitalisierung notwendige Veränderungen und Anpassungen. Schnelle EDV-Systeme und die Verdrängung des Zeichenbrettes durch Computer rationalisieren die Arbeit und erfordern neue Kenntnisse und Fähigkeiten bei den Mitarbeitern und der Unternehmensführung. Der Eintritt der Söhne Ferdinand und Hathumar zu dieser Zeit in das eigne und ein befreundetes Ingenieurbüro in Bad Honnef kommen gerade richtig. Das Ingenieurbüro Schmidt nimmt den Schwung und Aufbruch in den 80er Jahren mit. 1990 wird ein Zweigbüro in Lennestadt eröffnet und das Schmallenberger Büro entwickelt sich ebenfalls erfreulich weiter. 1996 übergibt Johannes Schmidt das Ruder an seinen Sohn Ferdinand weiter und die Brüder tun sich zusammen. Den Zeichenstift und das „Projekte planen und berechnen“ hängt der Senior jedoch nicht an den sprichwörtlichen Nagel. Johannes Schmidt arbeitet im Bereich Statik gemeinsam mit seinen Söhnen im Ingenieurbüro Schmidt weiter. An Ruhestand und Rentnerleben wird nicht gedacht. „Ein Leben mit regelmäßigen Wanderungen in Gruppen oder anderen Rentnerbeschäftigungen habe ich mir nie vorstellen können. Das war nichts für mich.“ Beim Erzählen merkt man Johannes Schmidt noch heute an, mit welcher Leidenschaft und Begeisterung und mit welchem Ansporn er wohl immer an die Arbeit gegangen ist.

v.l.n.r.: Ferdinand Schmidt, Geschäftsführender Gesellschafter, Johannes Schmidt und Reinhard Hübner, Geschäftsführer

Ein bodenständiger Sauerländer

Heute beschäftigt das Ingenieurbüro für Bauwesen Schmidt GmbH, das seit August mit den neuen Räumlichkeiten „Auf der Lake 7a“ mit 500 m. adäquate Arbeitsplätze auf hohen technischen Niveau bietet, rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an fünf Standorten in Nordrhein-Westfalen: Schmallenberg, Lennestadt, Extertal, Bad Honnef und Dortmund. An den beiden Sauerländer Standorten arbeiten ca. 40 Personen, darunter fünf chinesische Bauingenieure, von denen zwei inzwischen auch in Schmallenberg bauen werden. „Durch Aufträge der Deutschen Bundesbahn und andere größere Projekte der öffentlichen Hand und Industrie sind wir heute in einem Umkreis von ca. 300 Kilometern und im Prinzip in ganz Deutschland tätig“, ergänzt Ferdinand Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter, der zusammen mit Reinhard Hübner die Geschäfte des Ingenieurbüros führt. Ferdinands Zwillingsbruder Hathumar starb 2017 im Alter von 55 Jahren an einer kurzen schweren Krankheit.

Das Leistungsspektrum umfasst heute eine ganze Palette von unterschiedlichen Planungsleistungen: Von Abwasserbeseitigungs-konzepten über Brückenbau, Bauphysik, Eisenbahninfrastrukturplanung, Hochbaustatik, KfW-Anträgen, Spezialtiefbau, Sportanlagen, Tiefbau bis zur Planung von Verkehrsstationen und eigener Vermessung reichen die Kompetenzen. „Wir planen, organisieren und begleiten für unsere Auftraggeber die Bauprojekte mit umfassender Kompetenz, Hartnäckigkeit und Beständigkeit, so wie das über nunmehr 57 Jahre durch den Gründer Johannes Schmidt vorgemacht wurde“, sagt Reinhard Hübner. „Die machen das wirklich gut und ich wünsche mir für die Zukunft, dass sich das Bauingenieurbüro Schmidt stetig weiterentwickelt“, ergänzt der 86-jährige in Werpe geborene, der über viele Jahrzehnte kleine und große Gebäude und Bauprojekte, darunter viele bekannte „Leuchtturmprojekte“ in der Region, gemeinsam mit den planenden Architekten im Auftrag von privaten und gewerblichen Auftraggebern realisiert hat.

Einzelne Projekte hervorheben, das will Johannes Schmidt nicht. „Das ist nicht meine Art!“ Johannes Schmidt, ein bodenständiger Sauerländer, der mit Neugier und Wissendurst in die Welt gegangen ist und im Wohlfühlraum der Heimat ein bedeutendes Ingenieurbüro aufgebaut hat. Zum Ende des Jahres scheidet er wohlverdient nach fast sechs Jahrzehnten Selbstständigkeit aus dem Ingenieurbüro Schmidt aus. Dann gehört die Zeit vor allem seiner Frau und seinem Zuhause. „Rund ums Haus gibt es genug zu tun. Da wird mir das schon nicht langweilig“, sagt Johannes Schmidt mit einem zufriedenen Lächeln und klopft seinem Sohn Ferdinand und Geschäftsführer Reinhard Hübner freundschaftlich auf die Schultern.

Dieser Beitrag erschien in der Winterausgabe 2020 des WOLL-Magazins Schmallenberg-Eslohe. Das WOLL-Magazin könnt ihr im Zeitschriftenstand oder im WOLL-Onlineshop https://woll-onlineshop.de/woll-magazin/ erhalten.