DE SCHÜTZENFESTE KOMMEN, NORMALERWEISE, WOLL …

Cilly Alperscheid

Quelle: Cilly Alperscheid

Kolumne von Cilly Alperscheid

… und mit dem Sommer kommen de Schützenfeste, also normalerweise, woll. Dann kannste von Anfang Mai bis in en September es sonntags schön einen Ort nach dem anderen abklabastern und dir en Schützenzug angucken. Ich mache das immer gerne. Zum einen, weil ich dann für unser Mia – em Jupp seine Schwester, woll – sagen kann, dass es nicht zum Kaffee kommen kann, weil ich zum Zug will. Zum andern aber natürlich, weil ich mir so gerne de Königinnen und de Kleider angucke und dann denke ich oft: „Oh, wie chic!“, aber oft auch: „Mädchen, warum machste das?“

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Die Kolumne ist erschienen im WOLL-Magazin Schmallenberg/Eslohe – Ausgabe Sommer 2021 und im WOLL-Magazin Kreis Olpe – Ausgabe Sommer 2021 und hier auch als Video

Ich meine, als Schützenkönigin biste aber auch wirklich gekniffen, woll. Dein halbes Sakrament überlegt sich es morgens aus em dullen Puff raus, den Vogel zu schießen, holt das Dingen von der Stange und geht dann zum Frühschoppen. Du musst dann im Hurra des Lebens sehen, dass de in en Frack kommst, de Haare gestellt kriegst und noch de Blumen bestellst. Ich glaube, dem Schock und dem Stress ist es dann oft auch geschuldet, dass Frauen, die sonst im normalen Leben eigentlich en ganz guten Geschmack haben, plötzlich in 35 Bruttoregistertonnen Seidentaft und Tüll gehüllt, woll, in Farben, von denen man nie gedacht hätte, dass es die überhaupt gibt, durch es Dorf marschieren.

Oder ist das vielleicht der Wunsch, einmal Märchenprinzessin oder Kaiserin Sissi zu sein? Das ist ja auch alles gut und schön, wenn du Größe 34 trägst. Aber wollen wir doch mal ehrlich sein, woll, mit Größe 48 und rund ums Klimakterium biste keine Cinderella mehr, wonnich. Und was nützt dir en Reifrock, wenn der unterste Reifen genauso breit ist wie die Hüfte, woll? Ich meine, es gibt ja nun viele Hilfsmittel für uns Frauleute. Aber auch da muss man vorsichtig sein. Mit nem Korselettchen kannste ein bisschen was machen, aber auch keine Wunder vollbringen. Unser Tante Klärchen sagte immer: „Cilly“, sagte die immer, „denk dran, Fleischist unberechenbar und Fett sucht seinen Weg.“ Denn was man an der einen Stelle wegdrückt, taucht an ner anderen Stelle garantiert wieder auf. Und was haste davon, wenn de zwar plötzlich ne Taille wie Kaiserin Sissi hast, aber dafür auf em Rücken noch en zweites Paar Bütters, woll.

Und wenn de die Probleme alle nicht hast und du hast en schönes Kleid gefunden und bist elegant wie Kaiserin Soraya, dann nutzt dir das im Zweifelsfalle auch nix. Denn deine bessere Hälfte, der König, war bis zum bitteren Ende beim Frühschoppen und wundert sich kurz vorm Zug, dicke wie en Pump, dass der schwarze Anzug, der vor zehn Jahren beim Opa auf der Beerdigung noch so gut gepasst hat, plötzlich en bisschen spack ist. Da guckt dann nämlich keiner auf deine elegante Robe, sondern nur auf die lummerige Majestät an deiner Seite. Aber dieses Jahr ist ja nun wieder alles anders. Statt Schützenzug gucken, guck ich in de Röhre und hab fast jeden Sonntag unser Mia zum Kaffee da, weil de Jupp und ich dummerweise der Kontakthaushalt seiner Wahl sind, woll. Alle amtierenden oder angehenden Königinnen haben allerdings den Vorteil, dass se noch en weiteres Jahr Zeit haben, um sich entweder in en Frack zu hungern oder sich ne gute Schneiderin zu suchen, damit dass die Leute am Zug dann „Ahhh“ sagen und nicht: „Oh Herre, wie sieht es denn aus!“, woll.