David Bieker: Porträt eines reiseverrückten Rechtspflegers

Quelle: privat

So vieles ist machbar – mit Mut und guten Freunden

Der 31-Jährige lebt in Drolshagen und arbeitet seit seinem dualen Studium als Rechtspfleger im Amtsgericht Olpe. Mit zehn Jahren bekommt er durch einen Zufallsbefund die Diagnose Muskeldystrophie.

Vor mir sitzt ein sympathischer junger Mann: reflektiert, weltoffen, weitgereist und gleichzeitig fest mit seiner Sauerländer Heimat verwurzelt. David lacht viel, spricht offen über sein Leben, seine Hobbys, außergewöhnliche Reisen, abenteuerliche Aktionen und ohne Umschweife auch über seine Krankheit, die langsam seine Muskelkraft schwinden lässt. Seit einigen Jahren nutzt er einen Aktiv- sowie einen E-Rollstuhl, und mithilfe der Exo-Skelett- und Physiotherapie versucht er, in Bewegung zu bleiben und dem Muskelabbau entgegenzuwirken.

Rechtspfleger – Schützenbruder – Fußballfan

Nach dem Abitur am Städtischen Gymnasium Olpe 2011 studierte er an der FHR in Bad Münstereifel und war bereits während der fachpraktischen Studienabschnitte überwiegend am Amtsgericht Olpe, wo er seit seinem Abschluss als Rechtspfleger tätig ist. Dort ist er zuständig für das Grundbuchamt, die Nachlassabteilung sowie Beratungshilfe und Strafsachen. So vielfältig seine beruflichen Aufgabengebiete sind, so breit gefächert sind auch seine Interessen und Hobbys.

David ist heimatverbunden und bedient zünftige Klischees eines Sauerländers: Er ist Mitglied im Kegelverein und alle zwei Wochen im Fußballstadion zu finden. Seiner Mannschaft, dem BVB, ist er mit seinen Freunden schon europaweit hinterhergereist: London, Madrid, Lissabon, Amsterdam und Barcelona – für einen echten Fan ist kein Weg zu weit. Den Bierkönig am Ballermann liebt er nicht weniger als das heimische Schützenfest.

Macher und unerschrockener Optimist

„Ich weiß, dass die Krankheit unaufhaltsam voranschreitet, und deshalb realisiere ich hier und jetzt schöne Dinge, die ich vielleicht eines Tages nicht mehr so einfach umsetzen kann.“ Auf seinen Reisen begleiten David immer gute Freunde: mal sind es alte Studienkollegen, mal ist er mit dem Kegelverein auf Tour (das Kopfsteinpflaster in Prag ist alles andere als rollstuhltauglich), mal sind es Freunde aus der Sauerländer Heimat.

Geht nicht gibt‘s nicht: 2017 hat David in Südafrika einen Paragliding-Tandemflug erleben dürfen, obwohl er damals bereits nicht mehr mit seinen Beinen bei Start und Landung unterstützen konnte. Kein Problem: Zwei Teamkollegen des Fluglehrers packten seinen Sitz, liefen beim Start mit und fingen ihn bei der Landung samtweich wieder auf.

„Viele Länder sind schon viel weiter als Deutschland beim Thema Barrierefreiheit. Am einfachsten ist tatsächlich das Reisen auf einem Kreuzfahrtschiff“, so der 31-Jährige, „da ist wirklich alles barrierefrei und leicht mit dem Rollstuhl zu erreichen.“ In einigen Hotels hingegen, die sogar mit Barrierefreundlichkeit warben, fand er Hindernisse wie eine Badewanne vor.

„Ob etwas funktioniert, finde ich nur heraus, indem ich es mache“

Die Idee zu einem Fallschirmsprung kam ihm 2016, ausgerechnet während eines Reha-Aufenthalts. Beim Blick aus dem oberen Stockwerk der Klinik fragte sich David, wie es sich wohl anfühlen würde, mit einem Fallschirm zu springen. Gedacht, gemacht: Wenige Wochen später fand er sich in einem Flugzeug wieder und wagte einen Fallschirm-Tandemsprung.

Doch damit nicht genug, in Ägypten ging er tauchen und scheute auch vor fünf Tagen Camping beim Parookaville-Festival in Weeze 2022 nicht zurück. „Wenn ich mit dem Rollstuhl nicht weiterkomme, tragen meine Freunde mich auch schon mal die Treppen hoch“, lacht David. Getragen wurde er auch von der Zuschauermenge, spontan und samt Rollstuhl auf dem Green Juice-Festival in Bonn 2016. Man ahnt es schon, Konzerte sind eine weitere Leidenschaft des Rechtspflegers.

Mehr Miteinander und aufeinander zugehen

„Mein Wunsch an die Gesellschaft wäre, dass jeder versucht, weniger egozentrisch und gegeneinander zu leben und stattdessen ein besseres Miteinander entsteht. Ich glaube, es ist enorm wichtig, dass wir alle wieder mehr aufeinander achten, sowohl auf unsere Mitmenschen als auch auf Umwelt und Klima.“

Ehrenamtlich ist David im Örtlichen Unterstützerkreis (ÖUK) für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Drolshagen als Sprecher tätig. Der ÖUK ist ein Gremium aus engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich rund viermal im Jahr mit Ratsmitgliedern und der Behindertenbeauftragten des Kreises Olpe, Petra Lütticke, treffen, um auf bestehende Barrieren hinzuweisen, zu diskutieren und gegebenenfalls entsprechende Anträge bei der Stadt Drolshagen einzureichen.

Auf Kreisebene ist er seit Oktober 2022 Vorsitzender im Beirat von Menschen mit Behinderungen für Menschen mit Behinderungen. Dieser Beirat fungiert als Ansprechpartner für den Landrat, ist ein durch den Kreisrat gewähltes Gremium und verknüpft die örtlichen Unterstützerkreise.

David Bieker – ein junger Sauerländer mit Mut, Humor und Abenteuerlust – ein Macher eben.