Das Superwahljahr

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Politik muss besser werden!

Der WOLL-Blick aus Berlin

Vor uns liegt das, was Journalisten gern ein Superwahljahr nennen. Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch im März, Thüringen folgt im April, im Juni Sachsen-Anhalt. Am 26. September 2021 findet die Bundestagswahl statt, vorher noch schnell Kommunalwahlen in Niedersachsen. Ein Jahr also für Demoskopen und Stimmungsbarometer. Ein Jahr, das zu einem großen Teil immer noch von Corona bestimmt sein wird und den Folgen für die Gesellschaft: Zeit für eine Zwischenbilanz.

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Jutta Falke-Ischinger schreibt regelmäßig die Kolumne „Der WOLL-Blick aus Berlin“

Keine Frage, die Pandemie hat von uns allen viel gefordert. Pflegekräfte und Ärzte sind am Limit ihrer Kräfte. Menschen haben ihre wirtschaftlichen Existenzen verloren. Gerade in dieser Situation sind Politik und Verwaltung aufgerufen, ihr Bestes zu geben. Und zwar auch jenseits der Milliarden-Hilfspakete. Haben sie das? Ihr Bestes gegeben? Wer hier nach professionellem Ehrgeiz sucht, nach pragmatischer Erfolgsorientierung auf allen Ebenen und Strukturen des öffentlichen Raums, der wird enttäuscht. Gemeint ist hier nicht, dass sich Politik immer wieder korrigieren muss, weil sie Zahlen oder Entwicklungen falsch eingeschätzt hätte. So ist das, da sind wir alle in der Lernkurve.

Doch ein gravierenderes Versagen ist sichtbar geworden. Großprojekte in Deutschland – das heißt inzwischen nur noch: möglichst viele versammeln sich zur großen Runde und verteilen Zuständigkeiten wie Förmchen im Sandkasten. Dann geht vieles schief und nur wenig voran. Am Ende des Gerangels mag keiner mehr sagen, was die Burg zum Einstürzen brachte. Verantwortung fürs Scheitern wird von einem zum anderen gewälzt. So war es schon beim Unglück der Love-Parade in Duisburg. Und so war das beim Durcheinander um den Berliner Großflughafen und bei der Impfstrategie. Beim Hin und Her um Masken- und Test-Organisation. Und bei der nutzlosen Corona App.

Statt auch staatliches Handeln höchsten Leistungsansprüchen zu unterwerfen, senkt die öffentliche Hand lieber gleich das Niveau der Erwartungen. Weil logistisches Versagen so weniger auffällt? Behörden-Deutschland ruht sich aus auf den Lorbeeren früherer Jahre, selbstgefällig, unbeweglich. Warum dümpelt bis jetzt die Digitalisierung auf der Stelle? Zwar gab es den Wunsch, dass wir in der Digitalisierung des öffentlichen Lebens top sein wollen. Doch leider blieb diese Ansage ohne jede Verbindlichkeit, Fristen oder Stichtage. Erst der Not gehorchend erreichte die Digitalisierung Klassenzimmer und Stundenpläne. Hauptgrund: Die Ambitionslosigkeit der Kultusministerien, die vor allem damit beschäftigt sind, sich gegen Einmischungen des Bundes (Digitalpakt!) zu verwehren. Messbarkeit und Vergleichbarkeit von Leistungen scheuen die Kultusminister wie die Fledermäuse das Tageslicht. Folge: Verwirrung und Hilflosigkeit in den (meisten) Schulen.

Desorientierung zeigt sich auch in anderen Bereichen. Warum hat die deutsche EU-Präsidentschaft nicht gesagt, am Corona-Impfplan soll sich Europas Stärke beweisen? Impfstoff gemeinsam einkaufen, ja, aber genug für alle, und genug, um Dosen weiterzugeben an Drittländer? Oder bei den Gesundheitsämtern. Wie wäre es gewesen mit: Schlagt die Johns Hopkins University bei der Genauigkeit der Corona Zahlen? Stattdessen ein Aufbegehren einzelner Gesundheitsämter gegen die Installation der einheitlichen Corona-Software.

Es wäre die Aufgabe der Politik, die Schaltstellen des Staates zu befähigen, mit mehr Ehrgeiz, ans Werk zu gehen, mit mehr Power und Eigeninitiative. Es geht hier nicht um autoritäre Vorgaben von oben. Wer aber nicht sagt, wohin die Reise gehen soll und wie schnell das Ziel erreicht werden soll, darf sich nicht wundern, wenn nach dem Start gebummelt wird.

Es ist Superwahljahr. Zeit großer Versprechungen. Und Zeit darüber nachzudenken, wie deren Umsetzung endlich verbessert werden kann.