„Das Sauerland ist ein modernes Mittelgebirge.“

Quelle: Sauerland Tourismus e.V.

Thomas Weber vom Sauerland Tourismus e.V. im WOLL-Interview

Drei Trends

WOLL: Was sind die drei wichtigsten Trends der letzten zehn Jahre?
Thomas Weber:
Der wichtigste Trend war der E-Bike-Trend, der immer noch anhält und den man auch als Boom bezeichnen kann. Denn das Sauerland war vorher landschaftlich anspruchsvoll. Die Tatsache, dass man plötzlich mit Motorunterstützung in die Berge kam, auch als älterer Mensch, hat enorm viel gebracht. Dazu kam, dass wir im Sauerland viele Tourenradwege, zum Beispiel den SauerlandRadring, den RuhrtalRadweg oder auch den MöhnetalRadweg entwickelt haben. Die haben den Menschen gezeigt, dass nicht nur Mountainbiker, sondern auch Touren-Radfahrer willkommen sind. Des Weiteren gibt es viele junge Gastronomen und Hoteliers, die mutig in das Geschäft eingestiegen sind. Dabei haben nicht alle unbedingt alles so übernommen, wie es die Elterngeneration ihnen übergeben hat, sondern sie haben die gastliche Geschichte in die Zukunft weiter entwickelt. Insgesamt wurde viel investiert, zeitgemäß ausgerichtet und neue Angebote geschaffen. Und auch der Tourismus an sich hat sich an vielen Stellen verjüngt. Dazu ist uns gelungen, Blogger und Influencer für die Region zu gewinnen. Das Sauerland hat sich insgesamt auch auf neue Milieus und Zielgruppen eingerichtet – vor allem mit einem jungen, unverbrauchten Image.

WOLL: Was haben diese Trends für das Sauerland gebracht?
Thomas Weber:
Das bedeutet zum Beispiel, dass unsere Region von 2,1 Millionen Gästeankünften im Jahr 2009, auf 2,6 Millionen in 2019 ein Plus von 23 Prozent hatte. Und bei den Übernachtungen sind wir in diesen zehn Jahren um 12 bis 13 Prozent geklettert. Das ist eine solide Entwicklung, die sich das gesamte Sauerland erarbeitet hat.

WOLL: Gibt es auch Trends, die geblieben sind?
Thomas Weber:
Natürlich. Das ist die alte und von vielen verdrängte Sehnsucht nach Idylle, nach Natur, nach innerlich zur Ruhe kommen und nach Gastfreundlichkeit. Das ist geblieben. Man weiß, dass man das im Sauerland immer gefunden hat und weiter findet. Ich glaube auch, dass wir damit eine ganz besondere und beständige Marktposition haben, weil man so etwas über alle Moden und Zeiten schätzt. Außerdem hat unser Sauerland auch durch die Pandemie einen gefühlt kräftigeren Wert bekommen. Denn gerade in einer Zeit, wo man in seiner Wohnung eingesperrt war, bekam „Outdoor“ einen ganz erheblichen Stellenwert. Man muss aber diese Freiheitslust im Zusammenspiel mit Sicherheitsbedürfnissen sehen. So darf Freiheitssuche nicht so weit gehen, dass der Ausflug ein risikoreiches Abenteuer wird, das ich nicht abschätzen kann. Sondern ich muss wissen, dass ich abends mein Auto wieder finde, dass ich wieder heil nach Hause komme. Auch die Themen Sicherheit und Hygiene gehören eng zusammen.

WOLL: Wie sehen Sie diese Entwicklung in den kommenden zehn Jahren? Was werden die wichtigsten Trends sein?
Thomas Weber:
Grundsätzlich ist Qualität und Qualitätstourismus das Mantra. Dabei müssen wir Tourismus und Regionalentwicklung zusammen betrachten. Das heißt, die Bedürfnisse von Einheimischen und Gästen wollen in Übereinstimmung gebracht werden, denn wir können Tourismus nicht an der Bevölkerung vorbei entwickeln. Trend wird sein, dass Gäste sich zunächst digital inspirieren lassen und dann kurzfristig buchen. Darauf müssen wir uns einstellen. Erfolg werden dabei all die Angebote haben, die eine schöne Zeit versprechen und die sich beim Ambiente sehr viel Mühe geben. Besonders durchdacht ist hier zum Beispiel das Konzept von den Schmallenberger Kinderland-Betrieben. Diese Häuser stellen sich immer wieder die Frage, was Familien mit kleinen Kindern brauchen, so dass alle Generationen glücklich sind. Das bedeutet allerdings auch, dass alle die Betriebe, die eher auf Masse setzen, vorsichtig sein müssen. Denn bei den Gästen wird der Wunsch immer größer, als Individuum wahrgenommen zu werden. Viele Besucher möchten gerne Kontakt und beachtet werden.

Dazu kommt die Gestaltung des Umfeldes. Hierbei spreche ich zu gerne von der „Sauerlandisierung“ unserer Produkte, denn wir sollten nicht Bayern oder Tirol kopieren. Und das funktioniert immer besser, denn viele Gastgeber im Sauerland nutzen die Farben und Formen dieser Region und die Baumaterialien und tragen so zu unserer eigenen zukunftsgerichteten Bau- und Gestaltungskultur bei. Der unterschwellig stärkste Trend aber ist die Nachhaltigkeit. Einfacher gesagt: grüner Tourismus wird das Nachhaltigkeitsding schlechthin sein. Das hat zu tun mit gesund leben und die Freizeit aktiv verbringen wollen, mit regionalen Lebensmitteln und möglichst wenig Plastikkram. Wahrscheinlich sind wir ein glaubwürdiges Gegenmodell zum Massentourismus.

Klimawandel

WOLL: Tourismus im Sauerland bedeutet auch faszinierende Fernblicke und sanfte Hügel und Berge. Wenn man die Berichte in den Medien liest, hat man das Gefühl, dass eine Mauer von Windindustrieanlagen rund um das Sauerland errichtet wird. Wie kann der Sauerland Tourismus e.V. gegensteuern?
Thomas Weber:
Der Klimawandel ist die größte Krise, der wir uns je stellen mussten. Bei der Herausforderung, eine ökologische Energieversorgung hinzubekommen, müssen wir im Tourismus unsere alte Fundamentalopposition aufgeben. Das fällt mir äußerst schwer, aber es ist wohl nötig.

WOLL: Warum?
Thomas Weber:
Tatsache ist, dass das Sauerland zu den letzten unzerschnittenen Mittelgebirgen gehört und optisch noch sehr rein und ursprünglich wirkt, wenn man von den Höhen schaut. Aus diesen gegensätzlichen Betrachtungen, hier das unzerschnittene Sauerland, da die Notwendigkeit der Energiewende, ziehe ich den Schluss, dass wir viele besondere touristische Anlagen, Orte, Hotelweiler, Seeufer und vieles mehr optisch schützen müssen. Aber wir müssen auch lernen, mit uns darüber reden zu lassen, wo es Alternativen für die Windkraft gibt. Wir können nicht sagen, dass riesige 5.000 Quadratkilometer große Sauerland macht bei der Energiewende nicht mit. Der Tourismus muss für den Erhalt der Lebensqualität der Bürger gehört werden und sich lokal Planungsfall für Planungsfall genau anschauen. Neben einem Hotel im Grünen, einem Seeufer oder einem Aussichtsturm können nicht riesige Windanlagen kommen. Doch bei allen zu schützenden Arealen bleiben trotzdem Räume übrig, die für die Windkraftanlagen geeignet sein könnten. Im Sauerland leben wir in einem Branchenmix und der Tourismus ist nicht alleine. Deshalb ist das touristische Leben für mich auch immer die Suche nach Kompromissen. Ich kann nicht nur opponieren, sondern muss zugänglich sein. Am liebsten wäre mir so wenig Windenergieanlagen wie möglich und dafür ein größeres Kompensationsprogramm für Photovoltaik. Wir haben in der Region Hunderttausende von Dächern oder Weihnachtsbaumkulturen an Hängen, die möglicherweise dafür geeignet sind. Schmallenberger Sauerland und Eslohe

WOLL: Zum Schluss: Wie sehen Sie die touristische Zukunft im Schmallenberger Sauerland und der Feriengemeinde Eslohe?
Thomas Weber:
In Schmallenberg und Eslohe, und auch in einem weiten Umfeld wie in Winterberg, Lennestadt oder Bad Berleburg, ist eine besondere Gastronomie zu Hause. Die wird inzwischen auch von vielen guten jungen Kräften unterstützt und gemanagt. Diese Gastronomie und Hotellerie hat Leitfunktion im ganzen Sauerland. Das war so sicher nicht geplant, aber es hat sich so entwickelt. Das Zusammenspiel aus manchmal historischer Bausubstanz, Baukultur und eine dem Zeitgeist entsprechende Objekteinrichtung, hat an vielen Stellen einen Mix gebracht, der sich positiv und anmutig auf Bürger und Gäste überträgt. Viele dieser gastlichen Häuser sind sehr akzeptiert und werden hoffentlich weiter gut frequentiert. Zudem ist es hier eine Besonderheit, dass alle Orte relativ stark sind. In vielen Regionen gibt es einen dominierenden Zentralort und etwas Drumherum. Hier ist die Fläche stark. Es gibt keine Hauptstadt. Wenn ich beispielsweise durch Kückelheim und Arpe gehe und schaue mir kleine Ferienhaus-Angebote an, dann finde ich jedes mal etwas, wo meine Frau und ich sofort buchen würden. Insgesamt kommt allen hier in diesem schönen Gebiet die Tatsache zugute, dass auch andere Branchen gut dastehen und zu einem versöhnlichen Gesamteindruck beitragen. Man ist nicht allein abhängig von einem florierenden Tourismus. Die Landschaft und die Menschen darin wirken dadurch wahrscheinlich etwas entspannter, weil sie auf mehreren Beinen stehen können. Und dieser Mix ist gut so.

WOLL: Wir bedanken uns für das Gespräch und die interessanten Einblicke in die Sauerländer Tourismuswelt, Herr Weber und wünschen der Tourismusbranche viel Erfolg und eine gute Zukunft.