Das Sauerland: Ein Paradies für Mountainbiker

Fahrrad fahren boomt – erst recht seit Beginn der Corona-Pandemie. Das hat seine Gründe: Es ist gesund, macht sowohl alleine als auch mit Freunden Spaß und, wenn man das Fahrrad als Ersatz für das Auto sieht, ist es sogar umweltfreundlich. Wer es gemütlich mag, fährt entspannte Touren im Flachland, am Meer oder in den heimischen Tälern. Und wer sich gerne mal etwas heftiger verausgabt und „ordentlich Schmackes inne Beine hat“, fährt auch mal über Berg und Tal oder gar Stock und Stein. Wir Sauerländer haben das Glück, in einer der schönsten Mittelgebirgslandschaften Deutschlands zu wohnen und bewaldete Hügel mit feinsten Möglichkeiten zum Mountainbiken direkt vor der Tür zu haben. Was andere Urlaub nennen, nennen wir Feierabend!

Vor allem der Hochsauerlandkreis ist für das Thema über die Landesgrenzen hinaus bekannt, so zieht vor allem der Bikepark Winterberg Besucher aus ganz Europa an, nicht zuletzt wegen des größten Mountainbike-Freeride Festivals Europas, dem iXS Dirt Masters Festival, das jährlich etwa 35.000 bis 40.000 Besucher nach Winterberg lockt. Dazu gesellen sich noch weitere kleine Bike- und Trailparks sowie unzählige Kilometer an Mountainbike-Touren. Aber was hat der Rest des Sauerlandes zu bieten? Hat das Mountainbike hier Tradition oder kommt es gerade erst an?

Mountainbiken im Kreis Olpe

Schauen wir uns zuerst einmal den Kreis Olpe an. Einem aktiven Mountainbiker fallen da direkt zwei Institutionen ein, die dem Sport schon länger aktiv eine Plattform bieten: Zum einen wäre da der Verein „Shark Attack“ aus Saalhausen, der schon lange besteht und primär im Crosscountry, dem traditionellen Bereich des Mountainbikens, einzuordnen ist. Der Verein hat mit seinem Shark Attack Festival dafür gesorgt, dass Saalhausen zu den Crosscountry-Hochburgen Deutschlands und zum jährlichen Rennkalender der MountainbikeBundesliga zählt. Zum anderen gibt es die frOErider, die Radsportabteilung des TV Olpe. Die frOErider haben sich der neuartigeren Form des Mountainbikens verschrieben, dem so genannten Freeride (daher auch der Name: Freerider + OE = frOErider). Sie sind für den Streckenbau am Fahlenscheid bekannt, wo seit 2010 der Skilift im Sommer auf „Biketauglichkeit“ umgerüstet wird und der erste und größte Bikepark des Kreises entstanden ist und immer noch entsteht, da der Park ständig durch neue Elemente und Strecken erweitert wird und in die Jahre gekommene Streckenabschnitte generalüberholt werden. Und das alles auf ehrenamtlicher Basis. Auch der ein oder andere NichtMountainbiker wird sicherlich schon von dem Projekt gehört haben, denn die frOErider veranstalten dort zudem das Rasenrennen, eine spektakuläre und unterhaltsame Benefizveranstaltung, deren Erlös jedes Jahr für einen anderen wohltätigen Zweck gespendet wird. Apropos spektakulär: Der Bikepark am Fahlenscheid ist der größte und einzige mit Lift betriebene Bikepark im Kreisgebiet. Es gibt mehrere Strecken für verschiedene Könnensstufen, die aus Steilkurven, Sprüngen, Drops, Wallrides und Northshores bestehen.

2020 hat sich mit MTB Wendener Land e.V. ein weiterer MountainbikeVerein im Kreis Olpe gegründet. Anreiz für die Gründung war primär, einen Dialog zwischen Mountainbikern, Politik, Jägern, Förstern und Waldbesitzern zu ermöglichen, da das steigende Interesse an der Sportart und der Erfolg der E-Mountainbikes zu zunehmendem Verkehr auf Pfaden im Wald führt, was natürlich auch kritische Stimmen mit sich bringt. Die Mitglieder des Vereins zeigen sich verständnisvoll und naturverbunden, so bieten sie unter anderem den Wendschen Bauern im Frühjahrs ihre Unterstützung bei der Rehkitzrettung an. Und auch um den Nachwuchs kümmert man sich, denn es ist eine Kooperation mit der Gesamtschule Wenden in Form einer MTB AG geplant.

Neben dem Bikepark am Fahlenscheid gibt es im Olper Kreisgebiet noch kleinere Bikeparks in Attendorn, Kirchveischede und Finnentrop. Diese werden ohne Lift betrieben und sind dementsprechend kostenlos nutzbar. Allerdings sind sie auch nicht so vielseitig wie der Park am Fahlenscheid, sie bestehen alle aus einem Pumptrack und einer Dirt-Line, was aber nicht heißen soll, dass man dort keinen Spaß haben kann. Ganz im Gegenteil: Für ein paar Stunden nach Feierabend oder nach der Schule sind sie eine großartige Gelegenheit, um an der frischen Luft an Kondition und Technik zu feilen und sich richtig zu verausgaben.

In Gerlingen gibt es zudem einen asphaltierten Pumptrack, den bisher einzigen seiner Art im Kreis Olpe, und auf dem Gelände des alten Wendener Sportplatzes errichtet der MTB Wendener Land einen MTB-Übungspark, dessen Bau als Jugendprojekt gedacht ist, um der nachfolgenden Generation zu zeigen, wie Projekte eigenverantwortlich umgesetzt werden können.

Mountainbiken im Hochsauerlandkreis

Im Hochsauerlandkreis sticht besonders der Bikepark Winterberg am Erlebnisberg Kappe hervor. Dieser ist mittlerweile so bekannt, dass es keiner großen Vorstellung bedarf. In der Bikesaison lockt der Park täglich hunderte Downhillbiker und Schaulustige an und gilt als der vielseitigste Bikepark der Bundesrepublik.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Bikeparks findet man zudem den Trailpark Winterberg, den „kleinen Bruder“ des Bikeparks, der bisher noch nicht so bekannt ist. Ein Trailpark ist ein Streckennetz, größtenteils bestehend aus naturbelassenen Trails über Stock und Stein, allerdings ohne Lift. Hier gelangt man mit Muskelkraft wieder zum Start der Strecken. Der Trailpark richtet sich an die Besitzer von Enduro-Bikes, aber auch mit einem klassischen Crosscountry-Mountainbike oder einem E-Mountainbike fühlt man sich hier gut aufgehoben. Somit sollte man mit einem Downhillbike lieber im Bikepark auf der anderen Straßenseite bleiben, sonst ist kraftaufwändiges Schieben angesagt.

Ein ähnliches Prinzip wird im Trailground Brilon verfolgt. Dort allerdings sind die Strecken größtenteils mit dem Bagger bearbeitet und planiert worden. Es wurden kleinere Sprünge und Steilkurven angelegt. Eines haben beide Trailparks gemeinsam: Hier kann man viel Spaß haben! Sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene können hier einen schönen Tag verbringen und ihr Können verbessern.

In der Nähe von Arnsberg kommen Trailliebhaber ebenfalls auf ihre Kosten. Der so genannte „Jägerpfad“ ist dort der Bekannteste und Längste mehrerer Trails und wird von vielen Einheimischen gerne nach Feierabend genutzt.Genau wie im westlichen Nachbarkreis gibt es im HSK zudem einige kleinere Parks, die aus einer Dirt-Line, einem Pumptrack und teilweise auch aus anderen Elementen wie etwa Wippen bestehen. Zu finden sind sie in Eslohe, Meschede und Sundern-Stockum. Auch in Hüsten gibt es einen Park, welcher von der Mountainbike-Abteilung des TUS Neheim betrieben wird. Dieser befindet sich allerdings im Umbau und ist aktuell nicht befahrbar. Dort sollen neben einer Line für die ersten Schritte auch größere Sprünge für ambitionierte Hobbyfahrer und ein Tricksprung mit einer weichen Landung entstehen. In die Planung dieses Parks war übrigens Erik Fedko, einer der aktuell erfolgreichsten deutschen Mountainbiker, der aus dem nahegelegenen Fröndenberg stammt, involviert.

Es lässt sich also feststellen, dass viele Sauerländer das Thema Mountainbike schon lange auf dem Schirm haben und den Sport als Hobby entweder alleine oder in Gruppen betreiben. Einzelne Gruppierungen und Vereine widmen sich dem Thema leidenschaftlich in ihrer Freizeit und schaffen in der Region dadurch einen Mehrwert – sowohl für Einheimische, als auch für Touristen. Kommerzielle Streckenangebote findet man entweder in Form von Bikeparks mit Liftbetrieb gegen Bezahlung oder in Form von Trailparks, welche von Städten finanziert und als kostenloses Angebot in ihr Tourismuskonzept eingebunden wurden. Kleinere Parks mit Pumptrack dienen meist als Einstiegsangebot für den Mainstream und als Sportstätte für Jugendliche und junge Erwachsene, die dort ihre ersten Erfahrungen sammeln und ihre Technik verbessern können. Aus touristischer Sicht bieten diese Parks wenig Anziehungskraft, aber es ist davon auszugehen, dass weitere Städte und Gemeinden die Anziehungskraft von Trailparks erkennen und diese mehr und mehr in ihre Konzepte einbinden werden, insofern dies organisatorisch möglich ist.

Mountainbike-Events im Hochsauerlandkreis und Kreis Olpe:

Dirt Masters Winterberg: Europas größtes und vielseitigstes Freeride-Mountainbike-Event. Spektakuläre Side-Events, Konzerte und ein energiegeladenes Publikum sorgen für grandiose Stimmung zum Saisonanfang. www.dirtmasters-festival.de Bike Festival Willingen: Ein Festival ähnlicher Größenordnung wie das Dirt Masters, jedoch mit nicht so spektakulären Side-Events und einer ruhigeren Atmosphäre. Findet meist ein bis zwei Wochen vor oder nach dem Dirt Masters statt. willingen.bike-festival.de Shark Attack Festival Saalhausen: Die Crosscountry-Bundesliga kommt ins Sauerland!

Rasenrennen Olpe-Fahlenscheid: Spektakuläres und mit viel Herzblut organisiertes Event für wohltätige Zwecke. www.mtb-sharkattack.net Super Gravity Cup Olpe-Fahlenscheid: Westdeutsche Amateur-Downhill-Rennserie. Hier macht der Nachwuchs auf sich aufmerksam! www.super-gravity-cup.de Rasenrennen Olpe-Fahlenscheid: Benefizveranstaltung der Olper frOErider www.froerider.de


Downhill: Extreme Form des Bergabfahrens, teilweise sehr steile Strecken über Wurzeln, Felsen und über große Sprünge. Benutzung von Bikes mit großem Federweg und spezieller Geometrie.

Dirt: Benutzung eines speziellen Mountainbikes ohne Federweg hinten und wenig Federweg vorne, um über Holzrampen und Absprünge aus Erde zu springen und in steilen Hügeln aus Erde zu landen. Dabei werden im Optimalfall Tricks wie Drehungen um die eigene Achse oder Saltos gemacht.

Crosscountry: Fahren über Forstwege und schmale Pfade, meist mittlere bis große Distanzen. Auch hier kann es manchmal anspruchsvoll bergab gehen, manch Crosscountry-Fahrer stellt viele Downhiller technisch in den Schatten!

Enduro: Kombination aus Downhill und Crosscountry: Abfahrtsorientierte Bikes mit weniger Federweg als Downhill-Bikes, aber mehr Federweg als CrosscountryBikes, vom Hersteller oder durch Zukaufteile für mittlere Distanzen optimiert. Fahrspaß garantiert!

Pumptrack: Ovale Wellenbahn in der Ebene, oft auch in Form einer Acht. Im Pumptrack wird nicht pedaliert, sondern „gepumpt“, daher der Name. Man fährt stehend, nicht sitzend. Hier benutzt man am besten Dirt-Bikes oder Bikes mit wenig Federweg, um möglichst viel Geschwindigkeit und somit Fahrspaß aufzubauen. Großartiges Kraft- und Ausdauertraining für den ganzen Körper. Vorsicht, Suchtgefahr!

Singletrail: Schmaler, naturbelassener und bergab führender Pfad. Hier geht’s über Stock und Stein und die Fahrt kann sehr technisch werden. Je mehr Federweg man hat, desto entspannter wird die Fahrt.

Kicker: Englisches Wort für Absprung, Rampe.

Table: So nennt man einen Sprung, bei dem es einen flachen Teil zwischen Absprung und Landung gibt. Optimal für Anfänger.

Double: Ein Sprung, bei dem zwischen Absprung und Landung nichts ist. Hier muss man sich sicher sein, die komplette Distanz klären zu können, sonst wird’s eventuell schmerzhaft.

Drop: Der Absprung liegt oberhalb der Landung, das heißt, man springt nicht in die Weite, sondern eher in die Tiefe. Gibt‘s schon in geringen Höhen für Anfänger, Profis „droppen“ auch gerne mal 10 Meter oder mehr. Northshore: Schmale Holzkonstruktion zum Überfahren, oft mit Kurven und Drops kombiniert. Hier ist Geschicklichkeit gefragt!

Wallride: Holzkonstruktion in Form einer Wand oder hohen Steilkurve.

Gap: Sprung mit großer Distanz zwischen Absprung und Landung. Die am meisten verbreitete Form ist das so genannte “Road-Gap“, ein Sprung über eine Straße.


Kolumne: Kontroverse Mountainbike

Das Thema Mountainbike ist aktueller denn je. Mehr und mehr Menschen folgen dem Ruf der Fahrradindustrie und begeben sich mit ihren geländetauglichen Rädern in die Natur. Zusammen mit den enthusiastischen Protagonisten des Sports ergibt sich daraus ein sehr vielfältiges Potpourri. Was Anfang der 1970er Jahren in den Staaten mit ein paar Verrückten einen Anfang nahm und über die Jahre massiven Weiterentwicklungen unterworfen war,ist nun längst salonfähig geworden– vom Rad mit abgebauten Schutz-blechen zum Hightech-Objekt?

Mountainbike fahren birgt Konfliktpotenzial

Doch Wachstum und Fortschritt haben auch immer ihre Schattenseiten. Denn die verschiedenen Spielarten des Sports erfordern Platz und greifen damit auch zwangsläufig in den öffentlichen Raum ein: begonnen mit Heißspornen, die auf der Jagd nach der schnellsten Zeit Wanderer und andere Verkehrsteilnehmer zu Tode erschrecken und gefährden, bis hin zu tollkühnen Piloten, die abseits der Wege nach Möglichkeiten suchen, den Fahrspaß mittels selbstgebauter Rampen, Steilkurven oder schlicht anhand der Geländegegebenheiten zu erhöhen. Das birgt sich immer wieder aufschaukelndes Konfliktpotential, das nicht zuletzt durch das E-Bike und die Corona Krise einen neuen Höhepunkt gefunden hat.

Auf den Plan gebrachte Waldbesitzer und Jäger verschönern den Wald unberechtigter Weise mit Verbots- schildern und vermitteln damit den Eindruck, dass Radfahrer etwas Verbotenes tun. Mancherorts werden gar Fallen im Wald ausgebracht, zum Beispiel mit abgeschnittenen Schrauben versehene Wurzeln – eine Gefahr für Mensch und Tier gleichermaßen. Es ist eine Spirale, die nur mittels Vereinen und Initiativen durchbrochen werden kann. Denn wenn man sich an andere Trendsportarten zurückerinnert, zum Beispiel an das Skateboarden, hat heute jede zweite Gemeinde eine legale Möglichkeit geschaffen, obwohl die Skateboarder bis tief in die 1990er Jahre überall des Platzes verwiesen wurden.

Eine große Chance für den Wald?

Der Wald im Wandel der Zeit, die massiven Veränderungen durch den Borkenkäfer: Der Mountainbike-Trend könnte hier eine große Chance sein. Anstatt einfach wieder blind aufzuforsten,könnte man jetzt über Modelle nachdenken, die für Waldbesitzer,Forst, Tourismus, Mensch und Natur gleichermaßen sinnvoll sind.Dabei sollte man vielleicht auch immer im Blick behalten, neue Refugien für die Natur zu schaffen. Das Geld, um entsprechende Flächen zu pachten oder zu entschädigen, sollte in einem solchen Wachstumsmarkt und im Sinne von lokalen Tourismusbestrebungen schließlich ausreichend vorhanden sein. Warum nicht sogar Fördermittel, zum Beispiel in Form eines Leader-Projektes, in dieser Form sinnvoll einsetzen?

Als allererstes sollten wir uns aber wieder auf ein respektvolles Miteinander besinnen, gerne auch mal die Position des anderen einnehmen und auf dieser Basis neue Wege gehen. Denn wie findet man es überall in den Alpenregionen auf Schildern zu lesen? Nehmt Rücksicht und grüßt miteinander freundlich – ein Lächeln hat noch niemandem geschadet.

Frank „Wipp“ Wipperfürth (FrOErider), Thomas Clemens (MTB Wendener Land) und Christoph Deik (Redakteur)

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