DAS PAULA-NETZWERK – EIN STARKES MITEINANDER

Wenn aus vielen Kleinen etwas Großes wird…

Frauenquote, Gleichstellungsbeauftragte und Equal Pay Day – trotz offenkundiger Bemühungen ist auch im Jahr 2023 noch nicht überall angekommen, dass berufliche Qualifikation nicht vom Geschlecht abhängt. Besonders die Chef-Etagen sind häufig noch eine Männerdomäne; nur knapp jede dritte Führungskraft ist Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge weiblich. Für die Unternehmerinnen Jana Lewe und Judith Budde-Renfordt aus Iserlohn Anlass genug, ein Netzwerk zu gründen und starke Frauen noch stärker zu machen.

Eine echte Erfolgsgeschichte

Frauenberufe und Männerberufe – ein Thema, mit dem Jana Lewe noch nie viel anfangen konnte. „Ich habe mich ganz einfach dafür entschieden, was mich am meisten interessiert hat, eine Ausbildung als Kfz-Mechatronikerin gemacht und anschließend die Meisterschule besucht. Es sollte doch selbstverständlich sein, den eigenen Weg zu gehen und sich nicht nach den Erwartungen der Gesellschaft zu richten – eigentlich schade, dass wir überhaupt darüber reden müssen“, sagt die Iserlohnerin.

Nachdem sie den Meisterbrief in der Tasche hatte, absolvierte Jana Lewe ein BWL-Studium; nichtsahnend, dass sie die theoretischen Kenntnisse schon bald auch in der Praxis anwenden könnte. Ein eigenes Unternehmen zu gründen, war nämlich nicht ihr Plan; eher durch Zufall stieß sie auf ein Weinfass als besonderes Deko-Element für den eigenen Garten, beschloss, sich selbst in der Aufarbeitung von rustikalen Eichenfässern auszuprobieren, ihr erstes Werk, ein Couchtisch, war innerhalb von zwei Tagen verkauft, und Jana Lewe entschied sich, zehn weitere Fässer zu bestellen.

„Im August 2012 meldete ich ein Nebengewerbe an, ich hatte keine großen Erwartungen, es hat mir einfach Spaß gemacht, alten Dingen neues Leben einzuhauchen, nachhaltig zu arbeiten und meiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Das Ganze wurde zum Selbstläufer, schon ein Jahr später ging ich in die volle Selbstständigkeit, und als 2015 meine Zwillinge kamen, und ich erst einmal ausfiel, stellte ich den ersten Mitarbeiter ein“, erinnert sie sich an die Anfänge der Fass-Schmiede.

Inzwischen sind es dreizehn MitarbeiterInnen – der ehemalige Pferdestall, in dem die Erfolgsgeschichte zunächst ohne Licht, Strom und Heizung begann, beherbergte nicht nur die Arbeitsplätze, sondern auch ein gigantisches Fasslager. Denn um die steigende Nachfrage überhaupt decken zu können, kauft Jana Lewe die Fässer immer dann ein, wenn sie auf dem Markt angeboten werden; mittlerweile hat sie in Frankreich und Spanien ein gutes Netzwerk an Lieferanten aufgebaut.

Drei- bis vierhundert Weinfässer werden monatlich in der Fass-Schmiede zu Couch- oder Stehtischen, Gartenliegen, Bänken, Hundekörben, Bar-Regalen oder Mini-Teichen aufgearbeitet; der Platz in der Pferdescheune reichte nicht mehr aus, um ihrem Team funktionale Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Iserlohnerin beschloss, sich auf das letzte freie Gewerbegrundstück an der Werkstraße zu bewerben und eine Halle zu bauen, in der neben der Werkstatt auch eine Ausstellung untergebracht werden sollte.

Gemeinsam mit ihrem Mann hat Jana Lewe die Planung des Neubaus selbst übernommen: „Ich weiß genau, wie die örtlichen Gegebenheiten sein müssen, um die alltäglichen Abläufe möglichst effizient zu gestalten. Besonderer Fokus lag auch auf der Absauganlage und dem Luftdruckanschluss, der Fußbodenheizung und den damit verbundenen Solarplatten. Der Planungs-, Genehmigungs- und Bauprozess hat knapp zwei Jahre gedauert, im Sommer 2022 konnten wir dann endlich umziehen – pünktlich zum zehnten Firmenjubiläum.“

Die Unternehmerin kommt kaum noch dazu, ihr handwerkliches Geschick selbst unter Beweis zu stellen; neben Logistik, Personalführung und der Gestaltung des Online-Auftrittes gehören noch zahlreiche andere Aufgaben zu ihrem Arbeitsalltag. Ein Engagement, das auch verschiedenen Initiativen nicht verborgen blieb – so konnte sich Jana Lewe zum Beispiel über eine Auszeichnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie als Vorbild-Unternehmerin sowie über den ersten Platz des Handwerkspreises der Bürgerschaftsbank NRW freuen.

Eine für alle, alle für eine

Den eigenen Horizont erweitern, Erfahrungen sammeln, Kontakte knüpfen – genau dazu sind Netzwerke da. Gern hätte auch Jana Lewe sich einem regional agierendem Netzwerk angeschlossen; mit der befreundeten Unternehmerin Judith Budde-Renfordt, die die Iserlohner Agenturen „Budde Mediendesign“ und „Headline“ führt, machte sie sich auf die Suche, fand aber trotz intensiver Recherche keins, was ihren Bedürfnissen gerecht wurde.

„Ich nehme durchaus wahr, dass weibliche Führungskräfte sich in der Arbeitswelt ganz anders behaupten müssen als Männer. Man wird kritisch beäugt, muss sein Können erst einmal unter Beweis stellen, bevor man wahrgenommen wird. Und wenn es dann doch klappt, dann ist man DIE Frau im Handwerk oder DIE Agenturchefin“, kämpft auch Judith Budde-Renfordt gegen gängige Rollenbilder an.

Die beiden Iserlohnerinnen schlossen sich zusammen und gründeten das PAULA-Netzwerk. Im Lateinischen bedeutet „Paula“ die Geringere oder die Kleine – Jana Lewe und Judith Budde-Renfordt möchten zeigen, dass sich viele vermeintlich Kleine zu einer beachtlichen Größe vereinen können. Mit Gründungsberatungen, handfester gegenseitiger Unterstützung und Austausch haben sie sich vielfältige Ziele gesetzt und sprechen besonders die Frauen an, die Unternehmen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen. Die Treffen und Veranstaltungen finden zu wechselnden Zeiten statt, sodass sie gut in den beruflichen und familiären Alltag integrierbar sind und niemand ausgeschlossen wird. Mittlerweile haben sich knapp dreißig Paulas aus unterschiedlichen Branchen dem Netzwerk angeschlossen.

„Uns geht es nicht um Emanzipation mit der Brechstange oder aufgesetzte Gender-Sternchen, sondern um echte Wertschätzung und Gleichberechtigung. Wir sind froh, uns gefunden zu haben, aber viel besser wäre es eigentlich, wenn es eines solchen Netzwerkes gar nicht bedürfen würde“, sind sich Jana Lewe und Judith Budde-Renfordt einig. Dem ist nichts hinzuzufügen …