Das Hobby als Beruf

Interview mit Skilehrer Julian Witting

Würde Julian Witting in Köln leben, würde dieses Interview wahrscheinlich in unsere Rubrik „Die besten Kölner sind Sauerländer“ passen. Leider wohnt der gebürtige Olper (Jahrgang 1991) derzeit in Stuttgart, was ihn allerdings nicht weniger interessant macht. Denn beruflich hat er einen eher untypischen Weg eingeschlagen, den vor einigen Jahren viele Menschen nicht gegangen wären, von dem heute aber viele, vor allem jüngere (und sportliche) Menschen, träumen. Denn wie heißt es so schön: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

WOLL: Hallo, Julian, stell dich bitte kurz vor.

Mein Name ist Julian Witting und ich bin älter als ich mich fühle und jünger als viele mich schätzen. Spaß beiseite – ich bin 30 Jahre jung. Aufgewachsen in Hünsborn, im wunderschönen Sauerland, habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht und bestreite meinen Lebensunterhalt als Skifahrer. Nicht als Leistungssportler, sondern als Skifahrer und Skilehrer, der Menschen über Social Media hilft, das bestmögliche aus ihren Skitagen zu machen. Das fängt damit an, dass ich Skifahrern und Skifahrerinnen helfe, sich mit meinem Online-Skigymnastik Kurs auf das Skifahren für maximalen Spaß und ein möglichst verletzungsfreies Erlebnis vorzubereiten, geht weiter über Skitechnik-Tipps, Reiseempfehlungen und Tipps zum Skimaterial und hört auf mit inspirierenden und motivierenden Lifestyle-Videos und Skilehrer-Dienstleistungen direkt am Gast auf der Piste.

WOLL: Wie bist du zu diesem eher untypischen Beruf gekommen?

Mit 15 Jahren habe ich bereits meine Skilehrerausbildung begonnen und hatte die Möglichkeit, mich bei meinem Skiverein, dem WSV SchneeKanonen e.V. aus Sondern am Biggesee, auszuprobieren. So habe ich anfangs erste Vereinsausfahrten als Skilehrer begleitet und die Erfahrung sammeln dürfen, dass es mir sehr viel Spaß bereitet, Menschen für meine Leidenschaft, fürs Skifahren, zu infizieren und begeisternde Gruppenerlebnisse zu kreieren. Schnell habe ich mit meinen Freunden, Marius Quast und Bastian Brutzer, eine Jugendfreizeit bei den SchneeKanonen übernehmen dürfen, die ich ab meinem 18. Lebensjahr vier Jahre als Fahrtenleiter durchgeführt habe. Daneben habe ich auch als Vorstandsmitglied der SchneeKanonen mehr Verantwortung übernommen und zunehmend gemerkt, dass sich meine Welt ausschließlich um das Skifahren dreht.

Während meines Maschinenbaustudiums habe ich versucht, mich körperlich optimal auf das Skifahren vorzubereiten und angefangen, über die besten Trainingsstrategien und Ernährungsweisen zu recherchieren. Auf diesem Weg bin ich auf die ersten Fitness-Influencer auf YouTube gestoßen, die ihr Wissen als Personal Trainer oder Ernährungsberater veröffentlicht haben, wodurch sie mehr Menschen helfen konnten, als in ihrer Offline-Tätigkeit. Im nächsten Schritt habe ich mich gefragt, warum das denn niemand im Skisport macht und habe für mich in dieser Nische eine Chance gesehen.

WOLL: Reichen deine Influencer-Aktivitäten, um deinen Lebensunterhalt zu bestreiten, oder musst du auch noch auf andere Art und Weise Geld verdienen?

Unter normalen Umständen – wenn es pandemiebedingt keinen Lockdown gibt – kann ich gut von meiner Selbstständigkeit leben, wobei ich nicht nur als klassischer Influencer tätig bin. Wie ich bereits gesagt habe, verdiene ich auch einen Teil meines Einkommens durch meine Online-Programme und auch durch meine Skicoachings und Skicamps. Skicamps sind Mehrtages-Intensivskikurse, bei denen mein Tiroler Partner Dominic und ich die Skitechnik unserer Gäste innerhalb von drei Tagen transformieren.

WOLL: Und kommen dann auch Kunden aus deinem alten Umfeld beziehungsweise dem Sauerland zu deinen Ski-Camps?

Ja, das kommt immer mal wieder vor. Einige SchneeKanonen zählen zu meinen Gästen, aber auch Sauerländer, die ich vorher gar nicht kannte.

WOLL: Wo hast du das Skifahren gelernt und wie hat dich das Sauerland dabei geprägt?

Ich habe das Skifahren ganz klassisch mit sieben Jahren in Serfaus-Fiss-Ladis in Österreich begonnen und habe meine Skitechnik in den jährlichen Skiurlauben in den örtlichen Skischulen weiterentwickelt, bis wir dann Mitglied bei SchneeKanonen wurden. Dort hat mein weiteres Skifahrerleben begonnen; in dem Sinne, dass ich für die Skilehrerausbildung gefördert wurde.

Das Skifahren im Sauerland habe ich dann erst als Skilehrer kennenlernen dürfen. So habe ich das Vereinstraining am Fahlenscheid geleitet und als Skilehrer in der Skischule Fahlenscheid gearbeitet. In Winterberg war ich erst viel später und habe Winterberg im letzten März so richtig kennenlernen können.

WOLL: Bist du auch jetzt noch für die SchneeKanonen Olpe aktiv?

Aktuell leider nicht. Da sich meine Hauptgeschäftszeit mit den Vereinsaktivitäten deckt, schaffe ich es aktuell leider nicht, mich dort zu engagieren. Allerdings nehme ich im Sommer sehr gerne  an Fahrradtreffs teil, wenn ich mal im Sauerland bin.

WOLL: Inwiefern hat sich der Skisport für dich geändert, seitdem du deine Brötchen damit verdienst?

Früher war Skifahren Urlaub und nach dem Skifahren konnte ich dann noch den Einkehrschwung üben oder in die Sauna gehen. Als Reiseleiter und Skilehrer fielen dann nach dem Skifahren immer noch ein paar organisatorische Dinge an, aber im Großen und Ganzen, war das schon noch mehr Skiurlaub als heute.

Heutzutage sind die meisten Skitage für mich Arbeitszeit, wo es entweder darum geht, Content oder Produkte zu kreieren oder meinen Gästen ein tolles Erlebnis mit einer weitreichenden skitechnischen Entwicklung zu bieten. Nach dem Skifahren geht es für mich meistens direkt ins Auto zur nächsten Destination oder an Computer oder Smartphone, um meiner Community Mehrwert durch Produkte oder Inhalte liefern zu können. Denn die Freude und Dankbarkeit meiner Community und Gäste erfahren zu können, ist das, was mich erfüllt und motiviert, mich immer weiterzuentwickeln und meiner Community noch besser helfen zu können.

WOLL: Skifahren ist ja sehr saisonal geprägt. Was machst du im Sommer, um deinen Lebensunterhalt zu finanzieren?

Vor der Saison ist nach der Saison. In der Saison bleibt keine Zeit für langfristige Weiter- und Produktentwicklung. Daneben ist es mein Job, mich um meinen Körper zu kümmern, damit ich in der Saison leistungsfähig und gesund bin. Im Sommer wurde mir in der Vergangenheit also nicht langweilig. Nach den schwierigen Jahren, in denen es für mich kaum möglich war, meinen Job richtig auszuführen, spüre ich, dass noch ein weiteres Projekt in mir schlummert, dass ich neben meinem Skibusiness aufbauen möchte. Was das sein wird, will ich jetzt aber noch nicht verraten.

Und finanziell schaut es bei mir im Sommer so aus, dass ich neben den saisonalen Einnahmen auch langfristige Partnerschaften pflege, wodurch auch im Sommer Umsatz generiert wird. Andererseits habe ich meiner Community in den letzten Sommern so einige Mountainbike- und Bergabenteuer dargeboten.

WOLL: Also hält dich deine Arbeit im Sommer auch für den Winter fit oder musst du zusätzliches Training einbauen?

Nicht hinreichend, sodass ich mein Training noch um einige Faktoren ergänze, damit ich die beim Skifahren auftretenden Belastungen bestmöglich kompensieren kann. Dafür ist es nicht nur wichtig, eine gute Ausdauer zu haben. Ausdauer ist wichtig, damit ich mich in der Höhe gut akklimatisieren kann und den Tag beziehungsweise die Tage über leistungsfähig bleibe. Andererseits brauche ich auch Kraft, um den beim Kurvenfahren auftretenden Kräften entgegenwirken zu können. Dass Krafttraining hat außerdem die angenehme Begleiterscheinung, dass die passiven Strukturen wie Bänder, Knochen, Gelenke, Bandscheiben und Sehnen durch das Gewichtetraining robuster und somit weniger verletzungsanfällig werden. Weitere wichtige, aber für viele Skifahrer unbekannte Faktoren sind Beweglichkeit, Koordinationsfähigkeit, Agilität und ebenso die Reaktionsfähigkeit bei hohen Geschwindigkeiten.

So viele Projekte erfordern Kreativität und Organisationstalent. Woher nimmst du die mentale Stärke, obwohl du deinen Körper mit sportlichen Aktivitäten herausforderst?

Für mich ist der wichtigste Faktor, um mental leistungsfähig zu bleiben, zu wissen, warum oder wofür ich das Ganze mache. Was ist also mein Hauptmotiv im Leben, warum ich die einen Dinge tue und andere unterlasse?

Andererseits durfte ich die Erfahrung sammeln, dass es sich bei steigender Arbeitslast deutlich angenehmer lebt, wenn man die Tätigkeiten, die man nicht unbedingt selber machen muss und andere vielleicht viel besser können, auf mehrere Schultern verteilt.

Zudem sind Pausen für langfristigen Erfolg ein absolutes Muss.

WOLL: Wer unterstützt dich bei deinen Projekten?

Natürlich auf mentaler Ebene meine Freundin, Familie und Freunde. Im Geschäftsleben übernimmt mein Manager die Akquise neuer und die Pflege laufender Partnerschaften. Dann helfen mir einige Filmer, Fotografen und Videoeditoren meine Social-Media-Kanäle in herausragender Qualität zu bespielen. Und in der Vergangenheit hatte ich noch eine studentische Assistentin, die mir den Rücken, bei meinen Terminen, E-Mails und Organisationsarbeiten, freigehalten hat.

Ohne mein Team wäre das alles in dem Rahmen so nicht möglich! Und dafür bin ich sehr dankbar.