Das Geheimnis einer guten Nachbarschaft

Im Idealfall können am Gartenzaun gute Nachbarschaften und sogar Freundschaften entstehen. Manchmal kann es aber auch richtig krachen. Vieles lässt sich regeln, bevor es zu einer Klage kommt. Dafür gibt es ehrenamtlich tätige Schiedsfrauen und Schiedsmänner. Etwa 5.000 Fälle jährlich verhandeln die Schiedsleute in NRW. Mit Erfolg: Der größte Teil kann gelöst werden und landet gar nicht erst vor Gericht.

Kompetent und verschwiegen

Birgit Berls ist seit 2016 als Schiedsfrau für die Gemeinde Eslohe im Einsatz. Die Cobbenroderin ist überzeugt: „Wenn beide Parteien dazu bereit sind, lassen sich fast alle Streitigkeiten so gut klären, dass man auch weiterhin entspannt nebeneinander wohnen bleiben kann.“

Sie sei ein Mensch, der gerne hilft, so Birgit Berls über sich selbst. Man spürt: Ihr Schiedsamt übt sie mit viel Herzblut aus. Als gelernte Rechtsanwaltsgehilfin ist die 58-Jährige sattelfest im Lesen von Gesetzestexten. Kompetenzen im Bereich Mediation hat sie in mehreren einschlägigen Fortbildungen erlangt. Verschwiegenheit ist nicht nur selbstverständlich: „Daraufhin werden alle Schiedsleute vereidigt.“

Der Ablauf eines Schiedsverfahrens

Ein Schiedsverfahren laufe immer nach einem bestimmten Schema ab, erklärt sie: „Zunächst werde ich von einer der beiden Parteien kontaktiert. In Vorgesprächen mit beiden Lagern versuche ich für mich zu ergründen, was die eigentliche Ursache des Streits ist. Oft kommen die Leute erst, wenn schon viel ‚Porzellan zerschlagen wurde‘. Das macht die Sache nicht einfacher. Sind die Vorgespräche gelaufen, setze ich den Termin zur Schiedsverhandlung fest. Jede der beiden Parteien erhält von mir eine Ladung per Postzustellungsurkunde. Die Schiedsverhandlung findet auf neutralem Boden, meist in einem Raum im Rathaus, statt. Hier beratschlagen die beiden Kontrahenten, wie eine Lösung des Problems beigeführt werden kann. Ich bin vor allem dazu da, die Gesprächsregeln (beispielsweise, dass jeder den anderen ausreden lässt) festzulegen und zu überwachen und Dinge auf den Punkt zusammenzufassen. Ich selbst bin absolut neutral. Im Idealfall haben sich beide geeinigt. Alles wird protokolliert, schriftlich fixiert und unterschrieben. Die so entstandene Schlichtung ist für beide Parteien bindend und hat 30 Jahre lang Bestand. Kann keine Einigung erzielt werden, stelle ich eine Erfolglosigkeitsbescheinigung aus, mit der der weitere Gerichtsweg beschritten werden kann.“

Nähe und Distanz

Jedes Jahr verhandelt Birgit Berls so für das Gemeindegebiet Eslohe etwa drei bis fünf Fälle. Vom ersten Kontakt bis zur Urteilsfindung vergehen in der Regel vier bis sechs Wochen. Die Klassiker der Streitigkeiten sind Hecken, überhängende Zweige oder Laubabwurf, aber auch üble Nachrede, Beleidigungen bis hin zur leichten Körperverletzung. „Natürlich beschäftigen mich die Fälle auch persönlich“, gibt sie zu. Manches geht ihr sehr nah, wie zum Beispiel der Fall eines Familienstreits, bei dem keine Einigung gelang. „Mit der Zeit baut man aber eine gesunde Distanz auf.“ Einmal habe man sie angerufen, um Eheprobleme zu schlichten. In solchen Fällen muss sie passen. „Hierfür bin ich nicht ausgebildet. In diesem Fall habe ich das Paar an eine Eheberatung verwiesen“, erinnert sie sich.

Hat das Schiedsamt sie persönlich verändert? „Wahrscheinlich ist das so“, meint Birgit Berls. „Die Menschen, die mir nahestehen, behaupten, mit mir könne man sich gar nicht mehr richtig streiten“, schmunzelt sie.

Für die Zukunft wünscht sich die Schiedsfrau mehr Beachtung des Schiedsamtes – in der Öffentlichkeit, aber auch in den Reihen der Rechtsanwälte und der Polizei. „Wir wollen und können helfen und entlasten natürlich auch die Gerichte enorm.“ Zudem sei ein Schiedsurteil das Resultat aus gefundenen Kompromissen, die auf ein zukünftiges Miteinander ausgerichtet sind. Anders als ein Gerichtsurteil.

Das Geheimnis guter Nachbarschaft?
Für Birgit Berls ganz klar: „Früh genug miteinander reden!“