Das (fast) geheime Leben der Bienen

Stirbt die Biene – stirbt der Mensch. Mehr als 350 Imkerinnen und Imker kümmern sich um 2.118 Bienenvölker im Kreis Olpe und sorgen dafür, dass es den Insekten gut geht. Natascha Blöink aus Finnentrop und Iris Hennecke aus Lennestadt sind zwei von ihnen. Zunehmend entdecken Frauen das ökologisch wertvolle Hobby für sich.

Warum gehört die Biene zu den Top 3 der landwirtschaftlichen Nutztiere? Warum kann der Mensch ohne die kleinen geflügelten Tiere nicht überleben? Woher wissen die besonderen Insekten, wo der leckerste Nektar zu finden ist? Wie schlafen Bienen überhaupt? Und wie erweckt man scheinbar tote Bienen zum Leben? Auf diese und noch viele andere Fragen kennen unsere Imkerinnen und Imker die Antworten. Mit ihrer wichtigen Arbeit leisten sie einen großen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt. Lassen wir sie erzählen …

30.000 nützliche Haustiere

„Ungefähr 30.000“, antwortet der 8-jährige Theo Hennecke aus Langenei stolz auf die Frage, wie viele Haustiere er habe. Angesichts dieser Menge fragt man sich unwillkürlich, wie man diese alle zu Hause unterbringen könnte. „Nee, keine Hunde oder Katzen“, ergänzt der Langeneier lachend, „Meine Haustiere sind meine Bienen.“ Damit ist er der jüngste Imker im Kreis Olpe. So wie Theo sind auch Onkel Thomas Hennecke, Cousin Steffen Hennecke und seit einiger Zeit auch Mama Iris im Imkergeschehen involviert. „Theo war von Anfang an begeistert von diesem Hobby, schaute gern zu, wenn die Verwandtschaft sich um die Bienen kümmerte. So bekamen wir vor drei Jahren zwei Bienenvölker und halten sie bis heute in unserem Garten,“ erzählt Iris von den Anfängen. „Ich machte einen Imkerkurs beim Imkerverein Altenhundem e.V., der zur Hälfte von Frauen besucht wurde.“ Dort erfährt sie alles Wissenswerte über das „geheime“ Leben der Bienen.

„Sterben die Bienen, sterben spätestens vier Jahre später auch die Menschen“, so die düstere Prognose. „Die Biene zählt neben den Rindern und den Schweinen zu den drei wichtigsten Nutztieren der Landwirtschaft, da sie als Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen unersetzlich ist. Damit hat sie einen direkten Einfluss auf unsere Ernährung“, erläutert Natascha Blöink. Sie ist seit fünf Jahren Imkerin und betreut zehn eigene Völker, die sich sowohl in ihrem Garten als auch im Finnentroper Wald befinden. „Gäbe es keine Honigbienen, ginge weltweit die Ernte massiv zurück.“ Ohne das Engagement der Imkerinnen und Imker können die Honigbienenvölker kaum überleben. Doch wie gestaltet sich ihre Arbeit?

Imkern lernen im Imkerverein

Natascha, die auch als Ausbilderin für den Imkerverein Altenhundem e.V. tätig ist, erläutert: „Das Bienenjahr beginnt meistens im März. Kurz davor starten auch unsere Imkerkurse in Lennestadt-Altenhundem. Dort begleiten wir Imkerei-Neulinge auf ihrem Weg mit den Honigbienen. Die Insekten befinden sich noch in der sogenannten Winterruhe und rücken zu einer „Wintertraube“ zusammen, bei der sie sich eng um die Königin scharen und Wärme speichern. Als Imker behalten wir im Spätsommer und Herbst die Futtervorräte im Auge und behandeln sie vorbeugend gegen die Varroamilbe, die für sie gefährlich werden kann. Diese Behandlung erfolgt auch noch einmal im Dezember.“ Iris erinnert sich an die erste Zeit mit ihren neuen „Haustieren“: „Wir haben einen Bienenvolk-Ableger aus unserer Verwandtschaft bekommen. Am Anfang war es natürlich eine Überwindung, sich dem Bienenvolk, welches aus etwa 30.000 bis 60.000 Tieren besteht, zu nähern. Gute Schutzkleidung ist unabdingbar. Theo ging ohne Berührungsängste mit ihnen um. Auch einzelne Stiche machten ihm nichts aus.“ An dieser Stelle ein Tipp von den Bienenprofis: „Sollte man gestochen werden, sollte man den Stachel sofort herauskratzen. Ein Pinzettengriff beim Entfernen des Stachels kann dazu führen, dass eventuell noch mehr Gift in die Einstichstelle gelangt.“

Imkern im Wohngebiet

Nachdem im Frühling die Temperaturen steigen, werden die Bienen aktiver und starten zu ihrem Reinigungsflug und entleeren ihre Kotblase außerhalb des Bienenstocks. „Das erkennt man oft an kleinen gelben Flecken auf Autos oder Gartenstühlen“, erklärt Iris. Ihre Bienenvölker leben mitten im Wohngebiet. Gab es keine Bedenken seitens der Nachbarn? „Im Gegenteil. Am Anfang mussten wir sicherlich etwas Überzeugungsarbeit leisten, aber die Einflugschneise der Insekten stört niemanden. Unsere Nachbarin freute sich aber über eine reiche Himbeerernte, die sie in diesem Maße noch nie hatte. Die intensive Bestäubung durch unsere Bienen machte es möglich.“

Im Mai und Juni ist die Schwarmzeit der Bienen eine besondere Herausforderung für Imkerinnen und Imker. Das heißt, einige Bienenvölker teilen sich und ziehen an andere Orte. Damit verlieren die Imker einen Teil der Bienen und des Honigs. Außerdem könnten die Tiere sich an eher ungeeigneten Plätzen wie Nachbargrundstücken oder öffentliche Orten niederlassen. Um das zu verhindern, werden die Völker jede Woche mindestens einmal kontrolliert und je nach Bedarf wird zusätzlicher Platz in der Beute (Haus der Bienen) geschaffen.

Von Mai bis Juli steht außerdem das Honigschleudern auf dem Imkerprogramm. „Etwa 25 Kilogramm Honig produziert ein Bienenvolk pro Jahr. Der Honig, der vom Deutschen Imkerbund (DIB) zertifiziert wird, genügt besonderen Qualitätsmerkmalen, wie einen geringeren Wassergehalt und Naturbelassenheit“, beschreibt Natascha die Besonderheiten des Imkerhonigs. „Zu erkennen sind diese Honige an den einheitlichen Etiketten. Diese bekommt man nur nach Ablegen einer Prüfung im Bereich der Honigkunde. Auch diese bietet der Imkerverein Altenhundem e.V. an.“

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus

Dieser Verein hat 131 Mitglieder im Alter von acht bis 94 Jahren, die sich um 761 Völker kümmern. Damit gehört er zu den größten im Imker-Landesverband Westfalen-Lippe. Für die kommende Zeit hat der Imkerverein große Pläne. Natascha wirft einen Blick in die Zukunft: „Der Verein plant ein Umweltbildungs- und Bieneninfozentrum in Kirchhundem. Das alte Gebäude des Tennisvereins auf dem Alten Feld wird renoviert und mit neuen Räumlichkeiten zu einem Lager- und Weiterbildungsort und Treffpunkt für Imker. Auch einen Imkerinnen-Stammtisch können wir uns vorstellen. Zurzeit sind 17,5 Prozent der Mitglieder weiblich, Tendenz steigend.“

Natascha möchte in Zukunft besonders Kinder über die Arbeit der Bienen informieren. „Ich biete Workshops in Kindergärten und Schulen an, wo die Kinder zu Mini-Bienenexperten werden und lernen, die Bienen und damit unsere Umwelt zu schützen. Dabei tauchen auch mal unkonventionelle Fragen auf, zum Beispiel nach dem Schlaf der Bienen – sie hängen sich einfach zwischen die Waben – oder woher sie wissen, wo der leckerste Nektar und Pollen (sogenannte Trachtquellen) zu finden sind – durch ihren „Schwänzeltanz“ oder wie weit sie fliegen können – bis zu fünf Kilometer“, erweitert Natascha auch unser Bienenwissen.

Im Spätsommer endet das Bienenjahr, dann wird „abgeschleudert“, die Bienen werden gefüttert und noch einmal gegen die Milbe behandelt. Damit endet dann auch der Imkerlehrgang, der insgesamt neun Termine umfasst.

Ein abwechslungsreiches und nachhaltiges Hobby – auch für euch?

„Es ist ein vielfältiges, naturnahes Hobby und ich gehe nun mit anderen Augen durch die Gärten und Wälder“, beschreibt Iris ihre Faszination für das Imkern. Natascha stimmt ihr zu: „Es ist wirklich interessant zu sehen, wie das Zusammenspiel der Bienen funktioniert. Sie haben unterschiedliche Aufgaben und auch jedes Volk verhält sich anders, manche sind entspannter, andere können aggressiver sein. Das ist, wie bei uns Menschen, auch mal tagesformabhängig.“

Für diejenigen, die Interesse am Imkern haben, empfiehlt es sich, einen Imker oder eine Imkerin zu kontaktieren und ihnen bei der Arbeit mit den Bienen zuzusehen – so wie Theo damals bei seinem Onkel. „Ich würde mich auch im Verein anmelden und einen Kurs machen, da man so die geballte Ladung Fachwissen und Unterstützung von anderen Imkern bekommt. Auch kann man sich hier teures Equipment wie die Schleuder leihen und muss nicht direkt alles kaufen. Außerdem ist der Austausch untereinander sehr wertvoll.“ Dann braucht es nur noch einen Schutzanzug, eine Beute und ein Bienenvolk mit einer Königin. Diese kann man sich tatsächlich auch per Post schicken lassen. Natascha erinnert sich: „Als wir im letzten Jahr drei Stück bestellt haben, hat der Postbote sie im Frühjahr einfach vor die Tür gelegt. Als ich das Paket öffnete, waren alle Tiere scheinbar tot. Bekümmert holte ich sie ins Haus und dann erwachten sie tatsächlich wieder zum Leben. Man sollte also wissen, dass Bienen bei unter acht Grad in eine Art Starre verfallen.“

Wäre die Imkerei also ein Hobby für mich? Ich überlege noch und schaue vielleicht den Expertinnen Iris und Natascha noch eine Weile über die Schulter. Und Theo könnte ich nach einem Ableger fragen. Seine Bienen kennen schließlich die Pollen-Hotspots meines Heimatortes schon …