Das Essen „vor“ dem Kühlschrank

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Was Omma und Oppa noch wussten

Zuhause angekommen und die Sahne vergessen? Noch mal eben schnell ins Auto und zum Supermarkt um die Ecke, dann ist es doch erledigt. „Aber es regnet schon wieder und ich habe gerade erst die Schuhe ausgezogen.“ Diese Situation kennt wohl so mancher von uns. Hier könnte man sich fragen, was die Oma wohl dazu sagen würde. Wahrscheinlich würde sie ihren Vortrag mit den Worten: „Also damals …“ anfangen. Ich möchte hier dazu aufrufen, nicht nach den ersten beiden Wörtern auf Durchzug zu schalten, denn was sie zu erzählen hat, könnte noch wertvoll für uns sein.

Thea Schulte (76) aus Kirchilpe ist eine dieser Sauerländer Ommas, die einige solche Vorträge halten könnte. Sie bewirtschaftet heute noch ihren Bauerngarten. Das Einlegen, Dörren und Kochen der geernteten Erzeugnisse zählt selbstverständlich dazu. In einem Gespräch, quasi über den Gartenzaun, hat sie uns ein paar ihrer Tricks vertraten. Früher waren diese besonders im Winter wertvoll. Nicht nur unsere Essgewohnheiten haben sich in den letzten 50 Jahren verändert, auch manch andere Dinge.

Hört man Thea Schulte zu, wird schnell klar, dass die meisten dieser Veränderungen auf die eine oder andere Weise zusammenhängen. In den 60er und 70er Jahren hat sich ihre Familie noch nahezu vollständig selbst versorgt. Der Haushalt war damals deutlich größer. Wenn man ein Dutzend hungriger Leute zu versorgen hatte, brauchte man immer größere Mengen an Nahrungsmitteln. So waren manche Tätigkeiten, die uns heute in unseren kleinen Haushalten viel zu aufwendig erscheinen, deutlich lohnenswerter. Das Konservieren von Lebensmitteln ist eine davon. Im kühlen Keller lagerte damals allerlei Obst und Gemüse. Eingekochte und eingelegte Obsterzeugnisse säumten die Lagerregale. Im Räucherschrank hing Gesalzenes und Gepökeltes im Buchenrauch. Und an einer kühlen schattigen Stelle im Garten warteten einige eingeschlagene Kohlköpfe auf ihren Einsatz in der Küche. Der Keller eignet sich, laut Oma Thea, heute nicht mehr für die Einlagerung. Wie unsere Winter, so ist auch dieser durch das Heizen mit fossilen Brennstoffen zu warm dafür geworden.

„Schneller, einfacher, günstiger.“
Die ständige Verfügbarkeit von Energie und hilfreicher Technologie lässt uns den Wert vieler alter und bewährter Methoden vergessen. Nahrungsmittel werden in unserem Leben immer mehr zur Nebensache. Während über 60-Jährige noch fast eine Stunde für das Kochen „verschwenden“, ist es bei den 15- bis 29-Jährigen nur noch eine halbe Stunde. Das sagen großangelegte Befragungen. „Schneller, einfacher, günstiger“ ist die Devise. Vielleicht sollten wir hin und wieder innehalten und den Berichten der älteren Generation lauschen, um wieder eine andere Perspektive auf unser Essen zu gewinnen. Wenn alles nur einen Griff zum Kühlregal entfernt ist, verliert man schnell den Wert eines Lebensmittels und die damit verbundene Erfahrung und Arbeit aus den Augen. Ein klassisches Wintergericht war früher zum Beispiel „Fitzebohnen mit eingekochten Rippchen“. Die Fitzebohnen hatte Thea mit ihrer Familie auf alte Weise konserviert und so konnten sie sich im kühlen Keller den ganzen Winter über halten.

Wir suchen Ihre Tricks!
Interessant ist, dass die beschriebene Konservierungs-Technik schon durchgeführt wurde, bevor man überhaupt ansatzweise verstand, wie sie funktioniert. Als Louis Pasteur 1864 den Zusammenhang von Verderbnis und Mikroorganismen entdeckte, nutzten die Menschen dieses Verfahren schon seit Jahrhunderten. So wie Thea Schulte kennen sicherlich auch noch andere WOLLLeserinnen und -Leser solche Tricks. Ich interessiere mich sehr für diese Kniffe und würde mich über ein paar weitere Konservierungsmethoden freuen. Also, wenn Sie noch eine auf Lager haben oder Oma auch immer noch gerne Vorträge dieser Art hält, würde ich gerne ein bisschen was davon aufschnappen. Briefe oder E-Mails mit weiteren Verfahren und Rezepten können Sie an folgende Adresse senden:
WOLL-Magazin – Redaktion
Kückelheim 11, 57392 Schmallenberg
redaktion@woll-magazin.de • Tel. 0 29 71 – 87 0 87

Fitzebohnen, oder Salz- bzw. Schneidebohnen, sind eine in Nord-, Ost- und Westdeutschland bekannte Speise, die auch heute noch eine recht große Beliebtheit genießt. Zur Herstellung wird die Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) verwendet. Die Bohnen wurden nach der Ernte gewaschen und die Enden, Fäden und Stiele entfernt. Anschließend schnitt man sie in mundgerechte Stücke. Am besten setzte man die Schnitte gewinkelt, damit man möglichst lange Scheiben erhielt (fitzeln). Die so geschnittenen Bohnen wurden kurz blanchiert und dann schichtweise abwechselnd mit Salz in einen Steintopf gegeben. War der Topf voll, wurde er mit einem sauberen Tuch und einem Holzdeckel verschlossen. Schließlich wurde der Holzdeckel mit einem Stein beschwert. Nach einigen Wochen und mehrmaligem Auswechseln und Säubern des Tuches sind die Fitzebohnen dann bereit, gekocht und serviert zu werden.

Der hier für die Konservierung verantwortliche Prozess wird als Milchsäuregärung bezeichnet und ist wahrscheinlich schon seit der Jungsteinzeit bekannt. Eine Gärung findet immer nur unter Ausschluss von Sauerstoff statt. Die für den Prozess verantwortlichen Milchsäurebakterien kommen, wie viele andere Bakterien, natürlich auf den Bohnen vor. Milchsäurebakterien ertragen eine deutlich saurere Umgebung als die meisten anderen Organismen, die das Lebensmittel verderben lassen können. Das Salz bewirkt eine deutlich verminderte Aufnahme von Sauerstoff der Flüssigkeit innerhalb des Steintopfes. So bildet sich in dem Topf eine optimale Umgebung für die Gärung. Bei der Gärung verstoffwechseln die Milchsäurebakterien Kohlenhydrate aus den Bohnen und bilden dabei Milchsäure. In kurzer Zeit sinkt so der pH-Wert auf ca. 4,0 – 4,5 und damit ist er für die meisten Mikroorganismen tödlich. Den gleichen Effekt nutzt man auch bei der Herstellung von Sauerkraut oder Salzgurken.

Julius Bette
Hallo, mein Interesse für Apfelsorten hat mir dieses Thema schmackhaft gemacht. Bevor Lebensmittel immer und überall verfügbar waren, bildeten Nahrung und deren Beschaffung einen essentiellen Bestandteil im Leben der meisten Menschen. Im Mittelalter arbeiteten 90 % der Menschen direkt in der Landwirtschaft, Anfang des 20. Jahrhunderts 37 %, heute sind es noch circa 1,3 %. Die durch diese Verringerung gewonnenen Vorteile haben aber auch einen faden Beigeschmack. Seitdem die meisten Deutschen nicht mehr jeden Tag für ihr Essen buckeln müssen, verliert dieses auch an Wertschätzung. Die technologischen Fortschritte in der Landwirtschaft haben uns viel harte Arbeit erspart, doch mit dem Erfahrungsschatz der alten Methoden sollten wir gut haushalten. Vielleicht können wir sie in Zukunft ja noch gebrauchen. Als ausgebildeter biologisch-technischer Assistent, studierter Naturschutzbiologe und selbsternannter Apfelsortenexperte habe ich viele unterschiedliche Perspektiven auf dieses Thema und der Erhalt unseres Sauerländer Kulturschatzes liegt mir am Herzen. Ich hoffe, dass Sie meinen Hunger nach neuen Geschichten über alte Erfahrungen rund um das Thema Ernährung stillen können. Ich freue mich schon drauf!