Das Auge isst mit

Kräuterwanderung durch Erflinghausen

Wir müssen nicht lange suchen; wo vor dem Haus die einladenden Tische mit den bunten Wildblumensträußen stehen, muss wohl jemand wohnen, der ein Faible für Kräuter hat. Wir sollen recht behalten: Wenig später tritt Anna Kremer durch die Tür und begrüßt uns. In der Hand hält sie selbstgemachte Kräuterlimonade, die wir natürlich gerne probieren. Echt lecker!

Hilfe bei Entzündungen und Schwellungen

Wenig später marschieren wir los. Nach ein paar Schritten unser erster Stopp. „Wer kennt diese Pflanze?“, werden wir gefragt. In diesem Fall ist es nicht schwer, das „Johanniskraut“ wächst wirklich überall und ist wegen der auffallend gelben Blüten auch nicht zu übersehen. Anna Kremer erklärt uns, wie sie aus den jungen Knospen dieser Pflanze Rotöl herstellt. Sie nutzt dazu kaltgepresstes Sonnenblumenöl und lässt den Auszug einige Tage ziehen. Da die Knospen stark rotfärbend sind, entsteht ein dunkelrotes Öl, das bei Schwellungen oder Entzündungen auftragen werden kann. Im Beet in Kremers Vorgarten thront eine Königskerze. Ihre Blüten lindern Halsschmerzen und Reizhusten. Ein paar Schritte weiter entdecken wir ein schmalblättriges Weideröschen, welches bei Prostatabeschwerden hilft. Unser Weg führt uns an einer Weide entlang. Hier wachsen Malven. „Eine ganz tolle Pflanze“, lobt Anna Kremer, die die Blüten erntet, trocknet und bei Bedarf in Wasser auf maximal 60 Grad erhitzt, um die schleimlösende Wirkung der Pflanze zu nutzen. Überschüssige Blüten wirft sie nach der Mahd wieder auf die Weide. Damit es hier auch im nächsten Jahr blüht.

Anfassen kein Problem

„Diese Pflanze kennt ihr alle“, mutmaßt Anna Kremer. Klar, jeder von uns hat schon mal (unliebsame) Bekanntschaft mit der Brennnessel gemacht. „Anfassen kein Problem, meint die Fachfrau und demonstriert uns, wie sie, von unten nach oben streichend, die Pflanze pflückt. Hier wachsen sowohl männliche als auch weibliche Pflanzen, erfahren wir. Den Unterschied kann man an den Blütenrispen sehen. „Die männlichen stehen nach oben, die weiblichen hängen nach unten – wie bei den Menschen“, scherzt Anna Kremer. Abgesehen von der medizinischen Wirkung punktet die Brennnessel in der Küche. Sie ist reich an Vitamin C und verfeinert Suppen, Salate, Pestos und Smoothies.

Glückliche Hühner und junge Familien

Wir begegnen einem von Anna Kremers Nachbarn. Er ist gerade dabei, seine Wiese zu mähen. „Du sollst doch nicht alles absemmeln“, ruft ihm die Kräuterfrau zu. „Wir möchten hier eine Blumenwiese sähen“, entgegnet er schlagfertig. Inzwischen hat sich ein kleiner Hund zu uns gesellt. Eine Weile darf er mitlaufen, bis er von Anna Kremer nach Hause geschickt wird. „Nicht, dass er uns noch auf unsere Kräuter pieselt.“ Wir kommen vorbei an glücklichen Hühnern, die in ihrem Pirk jede Menge Platz haben und in Ruhe picken und scharren dürfen. Was die Eier angeht, sind die Erflinghausener äußerst fortschrittlich. Die frisch gelegten Eier kann man sich nämlich rund um die Uhr in einem Automaten ziehen. Außer den Hühnern gibt es noch – wahrscheinlich ebenso glückliche – Schafe und Esel. „Wir haben viele junge Familien“, erzählt uns Anna Kremer. Die entscheiden sich bewusst für diesen Lebensort.“ Ist aber auch schön hier! Wir müssen uns jedoch wieder auf unsere Kräuter konzentrieren und entdecken die echte Kamille, die mit dem „hohlen Köpfchen“, probieren Spitzwegerich, Knoblauchrauke und natürlich den Gundermann, den Würzer der Natur. Beim Beinwell steckt die Kraft in der Wurzel, bekommen wir erklärt. Von Herbst bis Winter gräbt man die Wurzel aus und raspelt sie. Die geraspelte Wurzel wird danach noch mal in Öl oder Alkohol für vier bis sechs Wochen eingelegt, dann kann man sich damit einreiben. Das hilft bei Muskelkater. Die Blätter kann man für Kohlrouladen nutzen.

So viele Informationen müssen wir erst mal verarbeiten. Inzwischen sind wir wieder am Ausgangspunkt angekommen und dürfen uns ausruhen. Die Hausherrin serviert uns „bunte Schnittchen“. Der Clou auf dem Bauernbrot mit Wildkräuterfrischkäse sind die bunten, essbaren Blüten. Malven, Königskerze, Borretsch oder Kapuzinerkresse – für den Gaumen und für das Auge ein Highlight. Danach gibt es Bruschetta mit Wildkräuterpesto frisch aus dem Ofen und zum Abschluss noch Stuten mit Blütenbutter. Alles schmeckt wunderbar. So gestärkt und mit guten Ideen versorgt, treten wir den Heimweg an. Sicher werden auch wir jetzt öfter mal Wildkräuter für Küche oder Wehwehchen verwenden.