Brot zum Frühstück, Schützenfest und Bier aus dem Wasserhahn

Xiangli Tong-Schmidt und Qiang Lu sind schon seit 2004 in Deutschland. Xiangli TongSchmidt hat Architektur in Karlsruhe studiert, bevor sie 2012 ins Sauerland gezogen ist. „Ich habe zuerst in Wormbach gewohnt“, erzählt die 41-Jährige, „doch dann habe ich Heimweh bekommen und bin 2014 nach China zurückgekehrt.“ Nur zwei Jahre später ist sie aus Liebe nach Deutschland zurückgekommen. Ihr Mann ist Deutscher und sie sind Eltern eines Sohnes. Qiang Lu hat Bauingenieurwesen in Kaiserslautern studiert und ist 2015 ins – bis ihm dahin unbekannte – Sauerland gezogen. Seine Frau und er haben ebenfalls einen Sohn.

Die Vorzüge der Region

„Schnee und Natur fallen mir als erstes ein, wenn ich das Wort Sauerland höre“, erzählt Xiangli Tong-Schmidt und ihr Kollege stimmt ihr zu: „Mir auch. Natur und Wandern.“ Den Chinesen gefallen die Arbeit und auch der Standort Schmallenberg sehr gut. „Die Leute in Schmallenberg sind sehr nett! Besonders unser Chef, der Herr Schmidt, ist ein guter Mensch“, beschreibt Qiang Lu. Seine Kollegin ergänzt: „Ich finde es hier sehr schön. Die deutsche Lebensweise ist viel angenehmer als die chinesische, hier hat man weniger Stress.“ So richtig beim Schützenfest mitgefeiert haben beide noch nicht, bisher haben sie aus sicherer Entfernung zugeschaut. „Ein Kollege hat mir gesagt, da musst du viel Bier trinken, dann kannst du Schützenkönig werden“, lacht der 41-jährige Qiang Lu. „In China haben sie mir schon vor 20 Jahren erzählt, dass es in Deutschland zwei Wasserhähne gibt: aus einem kommt Wasser und aus dem anderen fließt Bier.“

Wünsche und Hoffnungen

„Was mir hier fehlt, ist ein größerer Elektronikfachmarkt wie Saturn oder Media Markt“, bemerkt Qiang Lu, der sich für aktuelle Techniktrends interessiert. Auch die Anbindung an die Autobahn könnte besser sein. „In China gibt es viele Autobahnen und die liegen auch viel näher an den Kleinstädten“, zieht Xiangli Tong-Schmidt den Vergleich. Und wie wird Schmallenberg in zehn Jahren aussehen? Auch auf diese Frage hat sie eine Antwort: „Ich glaube, dass vieles so bleibt, wie es ist. Es ist einer der Vorteile in Deutschland, dass alles sehr stabil ist. Wenn man positiv denkt, dann ist es konstant, wenn man negativ denkt, dann ist das konservativ.“ Ihr Kollege ergänzt: „Ich habe ein Foto von der Oststraße um 1980 gesehen. Es hat sich bis heute fast nichts geändert. Ich hoffe nur, dass die jungen Leute hierbleiben. Denn das ist für die Wirtschaft und alles andere besser.“

Zwischen China und Sauerland

Die Entfernung zwischen Deutschland und China beträgt mehr als 7.000 Kilometer. Da ist es nicht verwunderlich, dass Heimweh aufkommt, auch wenn die beiden Chinesen ein- bis zweimal im Jahr ihr Heimatland besuchen. „Ich habe Heimweh, wenn ich frühstücke“, erzählt Qiang Lu. In China wird morgens kein Brot gegessen, sondern es gibt warme Speisen wie zum Beispiel Nudeln. Die kann man hier jedoch nicht kaufen, der nächste Asia-Markt ist in Dortmund. Momentan erschwert die Corona-Pandemie den Besuch im Heimatland und die Sorgen um Verwandte und Freunde dort sind groß. „Mein Vater ist 2017 verstorben. Meine Mutter war schon zweimal schwer erkrankt. Sie ist jetzt bei meiner Schwester in Straßburg“, erzählt Xiangli Tong-Schmidt. Qiang Lu veranstaltet jede Woche Online-Treffen mit seinen Eltern, auch damit sie ihr Enkelkind sehen können. „Ich glaube, zu Beginn der Pandemie ist viel Zeit verloren gegangen. Politiker und Fachleute haben die Lage falsch eingeschätzt und gedacht, dass das nur in China passieren kann und nicht in Europa“, so seine Meinung. „Die Menschen in China haben schon vor der Pandemie Masken getragen. Europäer und auch Deutsche waren da zögerlich.“ Ist China moderner als das Sauerland? „In China braucht man kein Bargeld, da alles mit dem Handy bezahlt werden kann. Hier geht das nicht überall“, schildert Qiang Lu. China hat sich nicht so früh entwickelt wie Deutschland. „In Deutschland sind die Systeme schon besetzt. In China gab es früher nichts und jetzt ist auf einmal alles da. Wenn sie dort etwas bauen, neues Internet zum Beispiel, dann ist das sofort der höchste Standard“, erklärt Xiangli Tong-Schmidt.

Über Sprache und Gewohnheiten

Xiangli Tong-Schmidt und Qiang Lu sind Han-Chinesen und gehören damit zur größten Volksgruppe der Welt. In China machen sie 92 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. „Heute ist fast alles gleich. Nur ganz weit weg, beispielsweise in Tibet oder in Xinjiang, gibt es andere Minderheiten. Vom Aussehen bis zur Kultur, alles ist anders“, beschreibt die Chinesin. Ihr Kollege nennt ein anschauliches Beispiel: „Wenn ich nach Bayern fahre, kann ich dort auch verstehen, was die Leute sagen. Aber in China kann man das nicht verstehen. Das Schreiben ist gleich, aber die Aussprache ist völlig anders.“ Im Schmallenberger Alltag der Chinesen finden sich natürlich auch kulturelle Unterschiede. Ein gemeinsamer chinesischer Kollege hat den Chef des Ingenieurbüros Schmidt immer mit „Herr Schmidt“ angesprochen, obwohl dieser wollte, dass er ihn beim Vornamen nennt. „Er hat monatelang gebraucht, um ‚Ferdinand‘ zu sagen. In der chinesischen Kultur darf man das nicht. Er ist nicht nur der Chef, er ist auch älter und ein erfahrener Ingenieur, den man zu respektieren hat“, erläutert Xiangli Tong-Schmidt. WOLL bedankt sich bei Xiangli Tong-Schmidt und Qiang Lu für das interessante Gespräch und die spannenden Einblicke in die Gedanken- und Lebenswelt von Chinesen und wünscht den beiden Schmallenberger Familien mit chinesischem Hintergrund eine gute und glückliche Zukunft im Schmallenberger Sauerland! Dies insbesondere, da beide Familien in naher Zukunft ein Haus bauen werden.