Blick aus Berlin

Quelle: Disput/ Berlin!GmbH

Weihnachten geht früh los in diesem Jahr. Das KaDeWe geht voran; bereits am 8. November hat der Advent Einzug gehalten im Nobel-Kaufhaus am Tauentzien, die Schaufenster leuchten und glitzern weihnachtlich, obwohl draußen noch T-Shirt-Wetter herrscht.

Auch wer Anfang November aus den Tiefen der U- und S-Bahn zum Potsdamer Platz nach oben steigt, findet sich inmitten von Weihnachtsbuden wieder, der Geruch von Zuckerwatte und Glühwein mischt sich in die milde Herbstbrise.

In diesen Tagen sind, wie sonst auch, Scharen von Touristen unterwegs in der Hauptstadt. Besonders beliebt ist die Route unter den Linden Richtung Brandenburger Tor. Familien in Parkas und Pudelmützen trotzen, gerne in der Viererreihe untergehakt, der fremden Umgebung und verschaffen sich Raum in einer Stadt, die zwar das Geld der Gäste gerne nimmt, sie im Stadtbild aber nur schwer erträgt. Doch die „Visitor Economy“ ist wichtig für Berlin und deshalb hat man BürgerInnenforen geschaffen, die laut Tagesspiegel herausfinden sollen, „wie viel Tourismus für die Einheimischen erträglich ist.“

Deren Toleranzschwelle liegt bekanntlich niedrig. Deshalb versucht man in der Hauptstadt auch, die Fremden in Randbezirke umzuleiten. An kreativen Vorschlägen, die die Menschen von den touristischen Hotspots weglocken sollen, herrscht kein Mangel. Doch ob farbige Linien und Richtungspfeile auf dem Boden die Touristen wirklich vom einmal eingeschlagenen Weg abbringen, bleibt fraglich.

Mit Maßnahmen dieser Art jedenfalls müssen sich Besucher im Sauerland höchstens dann abgeben, wenn es auf den Waldlehrpfad geht.

In Berlin ist es ein Dauerbrenner: Alle wollen dahin, wo es schön ist. Auch nachts. In Prenzlauer Berg beschweren sich Anwohner über Partylärm bis in die frühen Morgenstunden. Weitere Triggerpunkte kommen hinzu: Touristen, die mit Rollkoffern über Kopfsteinpflaster rumpeln oder Reisebusse, die in zweiter Reihe parken. Ein Hauptstadtbewohner bringt es auf den Punkt: Besucher und Berliner haben wenig Berührungspunkte – wenn sie sich nicht gerade anrempeln.

Dabei verlieren die einstigen Hotspots der Hauptstadt inzwischen durchaus an Attraktivität: Die Friedrich-Straße, mal umgewidmet zur Fahrrad-, dann zur Fußgängerzone, ist jetzt nur noch eine dunkle, leere Straßenschlucht. Viele Läden gingen zugrunde, demnächst wird auch noch Galeries Lafayette die Tore schließen. Das letzte Glanzlicht der Straße – erloschen!

Dafür kann der Fremde bei den täglich stattfindenden Demos in der Stadt ordentlich Berliner Luft schnuppern – und das noch gratis. Man könnte mitlaufen bei den Eltern, die gegen Subventionen für die Fossilindustrie demonstrieren, oder bei der Demo zum internationalen Tag Alleinerziehender auf dem Alex. Das wäre dann auch mal eine Destination für Alleinreisende, die sich keiner organisierten Single-Reise anschließen wollen. Die bringen ohnehin nicht immer, was sie versprechen, wie der

Tagesspiegel neulich schrieb. Er titelte: Sieben einsame Herzen auf Tour durch Berlin.

Im Sauerland geht es da geselliger zu, man streitet sich auch nicht um den Platz auf Bürgersteigen oder Waldwegen. Und das Nachtleben endet ohnehin mit Einbruch der Dunkelheit.

Ausnahme: die Schützenfeste auf den Dörfern. Die sind auch für solche Gäste zu empfehlen, die sich mischen möchten mit der Wohnbevölkerung. Außerdem bietet das Sauerland auch Wandertouren für Singles aller Altersgruppen.

Sowohl in der Hauptstadt als auch im Sauerland ziehen die Zahlen der Übernachtungen wieder an, sind aber noch nicht ganz auf dem Stand von 2019. Gastfreundschaft wird im Sauerland großgeschrieben, die Gäste sollen sich wohlfühlen und wiederkommen. In Berlin hingegen sollen sie vor allem Geld für die vielen Attraktionen, die die Stadt zu bieten hat, ausgeben: Oper, Theater, Galerien, Museen, Konzerte, Geschäfte und Restaurants. Als Bonus obendrauf gibt‘s die Berliner Schnauze. Ganz umsonst. Frei Haus sozusagen.

Wie sagte schon 1823 Johann Wolfgang von Goethe über Berlin: „Es lebt dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.“