Beste Startchancen im Sauerland

Unsere Welt verändert sich und damit auch unsere Arbeitswelt. Das spüren wir bereits jetzt an vielen Stellen – auch im Sauerland. Doch wie steht es tatsächlich um den Arbeitsmarkt in der Region? Welche Möglichkeiten und auch Chancen bietet das Sauerland Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, vor allem auch den ganz jungen? WOLL hat mit Oliver Schmale, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Meschede, und Tanja Schubert, der operativen Geschäftsführerin, gesprochen.

WOLL: Warum brauchen wir hier in Meschede eine Agentur für Arbeit?
Oliver Schmale: Weil wir gebraucht werden. Für den Arbeitsmarkt, für den Ausgleich am Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Daneben haben wir viele Beratungsfunktionen, etwa in der Orientierungsphase am Ende der Schulzeit. Und ganz traditionell sind wir natürlich für den Fall der Arbeitslosigkeit zuständig. Arbeitgeber auf der anderen Seite haben das Interesse, Stellen zu besetzen. Sie haben offene Beschäftigungsmöglichkeiten und wenn sie nicht selbst jemanden an der Hand haben, dann lassen sie sich von uns passende Bewerberinnen und Bewerber vorschlagen. Unser Aufgabenfeld ist groß und es ist wichtig für die Region, dass wir da sind.

WOLL: Oft hört man, dass Firmen Schwierigkeiten haben, Stellen zu besetzen. Ist das tatsächlich ein Problem im Sauerland?
Oliver Schmale: Es ist deutlich zu erkennen, dass sich der Arbeitsmarkt verändert hat. Während wir vor etwa zehn Jahren noch deutlich mehr Bewerber als Stellen hatten, hat sich das inzwischen umgekehrt. Natürlich werden nicht alle Stellen bei uns gemeldet, aber derzeit zeichnet sich das Bild ab, dass wir nun im Verhältnis statt etwa auf 0,7 Stellen pro Bewerber auf 1,5 Stellen kommen. Die demografische Entwicklung ist deutlich zu erkennen. Das wird sich in den nächsten Jahren zeigen, das zeigt sich aber auch eben jetzt schon. Die Zahl an Schülern und Absolventen geht zurück, genauso wie die gesamte Bevölkerung.
Tanja Schubert: Natürlich hat auch die Pandemie diesen Effekt noch einmal verstärkt. Schulen waren über lange Zeiträume geschlossen und unsere Berufsberater hatten somit keine Möglichkeit, direkt in die Schulen zu gehen und Schülerinnen und Schüler in ihrer Berufsorientierungsphase zu beraten. Zudem testen Schülerinnen und Schüler sich gerne aus. Der Weg zu einem Beruf ist ja sehr vielfältig. Aber in der Pandemie fielen natürlich auch die Praktikumsmöglichkeiten weg. Daher wussten viele Schülerinnen und Schüler nicht konkret, wo sie sich hinbewegen sollten. Einige haben sich daher erst einmal dazu entschieden, weiterbildende Schulen zu besuchen, um die  Zeit zu nutzen, um noch mal zur Schule zu gehen und dann zu schauen, wie der erste Berufseinstieg aussehen könnte. Sie waren also erst einmal eher abwartend oder sind ganz andere Wege gegangen.

WOLL: Was macht die Arbeitsagentur, um dem Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel im Sauerland entgegenzuwirken?
Oliver Schmale: In die Schulen zu gehen ist sicher ein wichtiger Baustein, aber das wird perspektivisch nicht ausreichen und das reicht auch unter den jetzigen Umständen schon nicht aus. Unsere Kernaufgabe ist die Arbeitsvermittlung. Das heißt also, dass wir Menschen ohne Arbeit vorbereiten und zu neuen Jobs hinführen, eventuell auch zu neuen Jobs, die sich im HSK auftun. Es geht also um die Qualifizierung und Aktivierung von Menschen. Allerdings ist auch die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren zurückgegangen, sodass auch dies nicht ausreichen wird, um den Mangel zu beseitigen.

Die Region ist sehr stark darin, in diesen beiden Bereichen für die eigenen Ortsangehörigen zu sorgen, aber auch darin, in den Betrieben aufeinander zu achten. Dort sehen wir ein großes Potential Die Welt ändert sich, die Arbeitswelt ändert sich und damit auch die Arbeitsbedingungen. Wir plädieren dafür, frühzeitig in den Eigenbetrachtung zu gehen und zu schauen, wo Weiterentwicklung nötig und möglich ist. Hier können wir beraten und unterstützen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Thema Zuwanderung. Wir werden es nicht schaffen, dem Mangel ohne Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen wollen, nicht erfolgreich begegnen können. In manchen Branchen, etwa in der Pflege, ist das schon jetzt sehr gut sichtbar. Wir müssen diese Menschen hier vor Ort dann aber auch entsprechend unterstützen. Da müssen wir sicher noch ein wenig mehr in Sachen sozialer Integration tun. Und warum sollte diese Region das nicht genauso schaffen wie andere Regionen auch? Im Sauerland ist man in der Gruppe gut miteinander vernetzt und es wird darum gehen, mehr Menschen einzubeziehen und aktiv mit aufzunehmen.

Tanja Schubert: Es gibt außerdem viele Menschen, vor allem Frauen, die wegen unterschiedlicher familiärer Verpflichtungen zu Hause bleiben oder sich in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis befinden. Wir wollen hier die Chancen aufzeigen, und den Frauen, aber auch Männern, den Weg ebnen, aus einer familiären Phase wieder in die Erwerbstätigkeit einzusteigen oder zu überlegen, wie ich die geringfügige Beschäftigung ausweiten kann. Da gibt es also Erwerbspotential, das vorhanden ist, aber nicht ausgeschöpft wird.

WOLL: Nochmal zurück Ausbildung. können Sie sagen, welche die gefragtesten Ausbildungsberufe
sind?

Tanja Schubert: Nach wie vor gibt es immer noch die spezifischen Berufe, die sehr gefragt sind. Das ist bei den Frauen der kaufmännische oder auch der medizinische Bereich. Bei den jungen Männern sind es häufig die Berufe im Industriebereich wie etwa der Industriemechaniker. Es sind die Berufe, die allgemein bekannt sind. Eine Herausforderung ist es, den Jugendlichen zu zeigen, dass das Feld der Ausbildungsmöglichkeiten sehr groß ist und es auch viele Alternativen gibt, die sehr ähnlich sind. So ist der Gießereimechaniker ein ähnlicher Beruf wie der Industriemechaniker, der ein genauso interessantes Beschäftigungsfeld und viele Chancen mit sich bringt, aber eben viel weniger bekannt ist.

Gerade auch bei Frauen ist es wichtig, dass sie ihren Fokus öffnen und sich nicht nur auf die bekannten frauentypischen Berufe konzentrieren. Gerade im MINT-Bereich besitzen Frauen viele Kompetenzen und Fähigkeiten, und trotzdem ist es oft nicht ihre erste Wahl. Dasselbe gilt natürlich auch für Männer in „Frauenberufen“.

WOLL: Können junge Menschen, die im Sauerland ihre Ausbildung machen, damit rechnen, dass sie später Karriere machen können?
Oliver Schmale:
Das können sie mit einer Ausbildung im Sauerland überall. Sowohl hier, als auch weit über die Grenzen des Sauerlandes hinaus. Unsere Wirtschaftsstruktur bietet so viele Möglichkeiten. Der Industrieanteil ist immer noch sehr hoch. Das verarbeitende Gewerbe hat einen überproportional hohen Stellenwert. Zudem wächst der Dienstleistungssektor, aber nicht zulasten des verarbeitenden Gewerbes.

Viele mittelständische Unternehmen bieten Verbindungen nach außen. Die arbeiten und verkaufen ihre Produkte schließlich nicht alle nur im Sauerland, sondern weltweit. Die Chance ist also groß, die Türen zu öffnen und Kontakt zur Welt zu haben. Es gibt hier sehr viele Weltmarktführer, sodass man also auch in Singapur oder Berlin arbeiten kann.

Eine exzellente Ausbildung ist den Unternehmen hier sehr wichtig. Denn damit tun sie auch etwas für sich und die gesamte Region.
Tanja Schubert: Die Firmen suchen nicht nur Fachkräfte, sondern vor allem auch Arbeitskräfte. Auf allen Ebenen wird gesucht. Daher sind die Chancen hervorragend, nicht nur nach einem Studium, sondern auch nach einer Ausbildung Karriere im Sauerland zu machen. Ich denke, dass viele diese Chancen verkennen. Sie denken, dass sie zwingend ein Studium brauchen, um die Karriereleiter hinaufzusteigen. Aber dem ist nicht so.

WOLL: Wie wird ich der Arbeitsmarkt in Zukunft verändern?
Oliver Schmale: Die demografische Entwicklung und damit die Frage des Arbeitskräfteangebotes spielt hier in der Region eine ganz besondere Rolle. Da sind wir hier aber auf einem guten Weg. Die Transformation ist bereits in vollem Gange und viele Tätigkeiten können schon heute zu einem großen Teil etwa digitalisiert oder maschinell umgesetzt werden. Arbeitsplätze verändern sich, aber genau das kann auch eine Chance sein, in einer sich verändernden Welt, einen neuen Platz zu finden. Hier ist es die Aufgabe der Arbeitsagentur zu unterstützen. Die Region ist bisher sehr verantwortungsvoll mit dieser Entwicklung umgegangen. Die Menschen erarbeiten gemeinsam Lösungen. Unser Appell ist, auf die Unterstützungsstrukturen und auf den guten Zusammenhalt im Sauerland nicht nur zu vertrauen, sondern ihn auch in Anspruch zu nehmen.

WOLL: Vielen Dank für das Gespräch!