Berufsschulen bei der Digitalisierung besser ausrüsten

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DGB-Ausbildungsreport: 70 Prozent sind mit der Ausbildung zufrieden

Der DGB-Ausbildungsreport 2020 zeigt: 70 Prozent der Jugendlichen sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht eine leichte Verbesserung gegenüber der letzten Befragung, beklagt aber, dass angesichts der Pandemie „bei vielen die praktische Ausbildung auf der Strecke bleibt“. Im WOLL-Interview bezeichnet Marijke Garretsen, DGB-Jugendbildungsreferentin Dortmund-Hellweg, die Ausstattung der Berufsschulen im Bereich der Digitalisierung als „teilweise desaströs“. Das Azubi-Ticket sieht sie als „wichtigen Schritt für die Mobilität junger Menschen“.

WOLL: Den Ausbildungsreport der DGB Jugend NRW gibt es seit 13 Jahren. Im letzten Jahr haben gut 5.000 Auszubildende in NRW daran teilgenommen: Wie war die Resonanz im Kreis Soest?

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Die duale Ausbildung darf ihren guten Ruf nicht verlieren: Marijke Garretsen.

Marijke Garretsen: Wir freuen uns immer sehr über rege Teilnahme an unseren Azubi-Umfragen. Je mehr wir befragen können, umso genauere Aussagen können wir natürlich über die Situation der Auszubildenden machen. Häufig wird leider nur über Auszubildende geredet, aber die selber kommen nicht zu Wort, das ist bei unserem Fragebogen anders, da die Auszubildenden uns direkt Feedback geben. Über die Resonanz speziell in Soest kann ich keine valide Zahl nenne, da wir erstmals keinen Unterschied zwischen den Kommunen machen. Es gibt einen bundesweiten Ausbildungsreport und einen, extra für die Situation der Auszubildenden in NRW, aber wir differenzieren nicht darüber hinaus. Die Umfragen sind anonym.

Eigene vier Wände während der Ausbildung

WOLL: Ein Ergebnis ist, das 70 Prozent der Jugendlichen mit ihrer Ausbildung zufrieden, 30 Prozent eher unzufrieden sind: Wie bewerten Sie dieses Ergebnis? Ist eher eine Verbesserung eingetreten?

Marijke Garretsen: Pauschal ist dies immer schwer zu sagen. Es kommt durchaus auf die Branche an. Darüber hinaus schwanken die Zahlen leicht von Jahr zu Jahr. Alles in allem würde ich sagen, dass eine leichte Besserung zu sehen ist für den letzten Befragungszeitraum. Angesichts der Coronapandemie machen wir uns aber große Sorgen um die Auszubildenden. Die praktische Ausbildung bleibt bei vielen auf der Strecke. Homeschooling kann eine solide Ausbildung nicht ersetzen.

WOLL: Das Thema „Wohnen und Mobilität“ war der Schwerpunkt der Umfrage. Viele Azubis wollen in ihren eigenen vier Wänden wohnen, auch als Zeichen einer beginnenden Selbstständigkeit: Wie ist die Situation im Kreis Soest? Reicht die Ausbildungsvergütung aus Sicht der befragten Jugendlichen dafür aus?

Marijke Garretsen: Auch hier ist es wieder von Branche zu Branche unterschiedlich. Was wir sehen ist, dass Auszubildende in der Industrie, die tariflich gebunden sind, deutlich besser dastehen als Auszubildende beispielsweise in der Gastronomie. Letztere können sich selten leisten, in eigene vier Wände zu ziehen und dann auch noch genug Geld zum Leben und für die gesellschaftliche Teilhabe übrig zu haben.

„Das Azubi-Ticket ist ein wichtiger Schritt“ (Marijke Garretsen)

WOLL: Das Thema Mobilität ist gerade in den ländlichen Gebieten von großer Bedeutung. Wie sieht es damit am Hellweg aus? Seit 2019 gibt es ja ein günstiges Azubi-Ticket…

Marijke Garretsen: Das Azubi-Ticket ist wirklich ein wichtiger Schritt für die Mobilität von jungen Menschen. Das zeigt auch die hohe Nachfrage im Kreis Soest. Dass es so gut ankommt, ist für uns ein Indiz, dass wir mit der Forderung und Durchsetzung des Azubi-Tickets genau richtig lagen. Was uns aber auch nicht überrascht, denn in vielen Umfragen und Gesprächen vorab haben wir gemerkt, dass ein solches Ticket, ähnlich einem ja schon lange existierenden Semesterticket, längst überfällig ist.

Bedeutung der Digitalisierung für die Zukunft

WOLL: Der DGB fordert seit Jahren eine Ausbildungsgarantie: Allen Jugendlichen müsse auf jeden Fall der Eintritt ins erste Ausbildungsjahr möglich sein – über berufliche Schulen oder bei beruflichen Ausbildungsstellen. Im zweiten Jahr sollen sie möglichst in einen Betrieb wechseln. Im Kreis Soest, so die Bilanz im letzten Jahr, gibt es auf einen Bewerber im Schnitt gut zwei mögliche Ausbildungsstellen. Das heißt, hier ist die Situation doch relativ komfortabel für die Auszubildenden…

Marijke Garretsen: Das ist richtig. Zumindest war es bis jetzt so. Wie sich das nach der Coronapandemie verhält, wird sich zeigen. Wir sind natürlich happy, wenn es eine solche Situation gibt, leider sieht es in den meisten Regionen Deutschlands aber anders aus und grade für die jungen Menschen dort, setzen wir uns mit einer solchen Forderung ein. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass eine freiwillige Verpflichtung da leider nicht viel bringt.

WOLL: Wie sieht Ihre Vision für den Ausbildungsmarkt der Zukunft aus – auch und besonders vor dem Hintergrund der Digitalisierung?

Marijke Garretsen: Deutschland ist für die duale Ausbildung weltweit bekannt. Dass diese qualitativ auch gut bleibt, ist enorm wichtig. Das heißt, dass die Ausbildungsorte auch mit der Zeit gehen müssen. Ich selber habe in meiner Ausbildung in den überbetrieblichen Kursen an Maschinen gearbeitet, die teilweise so alt waren, wie ich. Und da ich vorher schon studiert habe, war ich deutlich älter als der Durchschnitt meiner Mitschüler und Mitschülerinnen. Das kann nicht sein. Die Coronapandemie und der Distanzunterricht führen uns gerade vor Augen, wie desaströs teilweise die Ausstattung der Berufsschulen im Bereich der Digitalisierung ist. Der Umgang mit digitaler Technik ist aber heutzutage aus keinem Berufszweig mehr wegzudenken. Die berufliche Ausbildung muss da entsprechend ausgerüstet sein, damit die duale Ausbildung ihren guten Ruf nicht verliert.