Dechant Georg Schröder über spürbare Veränderungen
Wenn man seit 35 Jahren im Amt ist und davon allein 30 Jahre in Schmallenberg, kann man auf enorme Veränderungen zurückblicken. Wie sind diese zu bewerten, was bedeuten sie für die tägliche Arbeit und für die Menschen, die diesen Weg mitgehen? Für Dechant Georg Schröder waren die Umstrukturierungen in all den Jahren immer spürbar, die äußere Gestalt blieb nie, wie sie war. Doch welche sind die gravierendsten Unterschiede zwischen damals und heute und welche die größten Herausforderungen?
Georg Schröder ist einer, der es wissen muss, denn er hat sämtliche Entwicklungen mitgetragen und ist seit 2013 Leiter des Pastoralen Raumes Schmallenberg-Eslohe – mit 28 Kirchengemeinden in fünf pastoralen Bereichen.
WOLL: Betrachtet man die Schwerpunkte der Tätigkeiten damals und heute: Welche grundlegenden Veränderungen gibt es und wo werden sie am meisten spürbar?
Georg Schröder: Als Neupriester in Fredeburg war ich damals für eine Gemeinde zuständig. Es gab einen Pfarrer, einen Vikar und eine Gemeindereferentin. Heute sind wir mit neun Priestern und vier Gemeindereferenten/-innen für den ganzen Pastoralen Raum verantwortlich. Dieses Zusammenspiel mehrerer Gemeinden erfordert einen hohen Aufwand an Organisation und Kommunikation. Das Internet und die modernen Medien spielen da zwar eine positive Rolle, doch die Gottesdienste, Sakramente sowie die Jugend- und Messdienerarbeit in den Gemeinden sind geblieben. Und ob es wenige oder viele Gottesdienstbesucher sind: Eine Predigt muss immer gleich vorbereitet werden. Großen Schaden haben die Missbrauchsfälle in der Kirche verursacht – da ist viel Gespräch nötig. Hier im Sauerland haben wir insgesamt andere Möglichkeiten, als in der Stadt an die Menschen heranzutreten. Hier kennt man sich. Deswegen passiert die Entfremdung von der Kirche zeitversetzt im Vergleich zur Stadt. Kirchliche Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser sind da und auch wenn zukünftig weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, sollte man diese erhalten. Denn dann tut man ganz konkret etwas für die Menschen. Das ist das christliche Profil und diese Werte müssen wir versuchen umzusetzen.
WOLL: Neue Aufgaben, Ansprüche, Herausforderungen – macht es das heute schwieriger?
Georg Schröder: Heute ist das Individuelle vorrangig, jeder hat seine Ansprüche, die er durchsetzen möchte. Es gibt viele Kirchenaustritte. Die Frage ist: Brauche ich für meinen Glauben die Kirche? Jeder sollte sich das fragen. Ich meine: Glaube ohne Gemeinschaft ist nicht im Sinne unseres christlichen Auftrags.
WOLL: Früher war alles besser – können Sie diese Aussage unterstreichen?
Georg Schröder: Auf keinen Fall! Früher gab es mehr Druck, heute haben die Menschen mehr Freiheiten. Der Mensch soll sich und den Glauben entdecken können und die Kirche sollte Hilfestellung leisten, zusammen mit den Menschen Fragen stellen. Als Priester in die Diskussion zu gehen, ist mir lieber, als alles als beschlossen und verkündet hinzunehmen.
WOLL: Welche gravierenden Veränderungen wird es in der Zukunft geben?
Georg Schröder: Für jeden pastoralen Raum wird eine hauptamtliche Verwaltungskraft eingesetzt, die die Kirchenvorstandsarbeit koordiniert und unterstützt und erster Ansprechpartner ist. Pfarrer müssen raus aus der Verwaltungsarbeit und mehr Zeit und Gedanken für die Seelsorge haben. Wir müssen Kirche strukturieren – mit wenigen Priestern. Dann stellen sich die Fragen: Wie lebt Glaube? Wie lebt Gemeinde? Jeder sollte selbst aktiv werden, damit der Glaube leben kann. In kleinen Gruppen könnten Angebote vielfältiger gestaltet werden. Wir haben unterschiedliche Formen von Gottesdiensten zu pflegen, getragen von unterschiedlichen Leuten, ohne Hauptamt. Und das möchte ich als Pfarrer fördern. Allerdings wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren.
WOLL: Was wünschen Sie sich persönlich für Ihre Arbeit in der Zukunft?
Georg Schröder: Wir befinden uns in einem starken Veränderungsprozess und es wird oft gefordert, dass wir zurück zu den Strukturen der 50er Jahre gehen – das geht nicht. Ich möchte die Veränderungen mit gestalten und dabei sein. Priester ist heute ein exotischer Beruf, wer wird das noch? Ich möchte, dass Glaube sichtbar gelebt wird, dass Menschen angesprochen werden von der Botschaft Jesu Christi – das ist ein bleibender Auftrag. Und ich möchte den Menschen Glaube, Hoffnung und Zuversicht geben – ob sie das annehmen, ist Sache des Einzelnen. Neue Wege werden sich auftun, wenn von vielen Gläubigen Verantwortung für Glaube und Kirche wahrgenommen werden darf. Eine Frage stellt sich immer wieder: Christliche Gemeinde/Gemeinschaft – was ist das?
Für Dechant Georg Schröder gibt es als Leiter des Pastoralen Raumes viele Herausforderungen und neue Wege. Mit den Veränderungen sowie mit dieser letzten Frage und deren Antwort sollte sich jeder auseinandersetzen, dem die Zukunft christlicher Glaubensgemeinschaft am Herzen liegt.
Zur Person – Dechant Georg Schröder:
1985-88 als Neupriester in Bad Fredeburg
1988-93 in Brilon
1993-heute Pfarrer in Bad Fredeburg/Schmallenberg
2001 Dechant des Dekanats Wormbach
2006 Dechant des Dekanats Hochsauerland-Mitte
1994 Pastoralverbund mit drei Gemeinden entsteht; Entstehung eines Pfarrteams für mehrere Gemeinden; stetiges Wachstum
2013 ein großer Pastoraler Raum entsteht – seitdem leitender Pfarrer des Pastoralverbunds Schmallenberg-Eslohe