Berufe im Wandel der Zeit

„Zum Glück ist das aus der Mode gekommen!“

Kaum eine Branche ist so schnelllebig wie die der Mode. Von der einen auf die andere Saison sind neue Schnitte, neue Farben und neue Stoffe im Trend. Edith Kappest, die 1950 ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau begann, traf sich im Schmallenberger Geschäft Dorfkinder, um sich mit Irmgard Schulte auszutauschen, die seit 1987 im Einzelhandel auf der Weststraße in unterschiedlichen Geschäften gearbeitet hat, und seit letztem Jahr zum Team der Schmallenberger Dorfkinder zählt.

„Damals gab es nicht so viele Berufe wie heute, aus denen man wählen konnte, und ins Büro wollte ich nicht“, erklärt Edith Kappest ihre Berufswahl. Sie lernte in einem Geschäft in Hilchenbach, das neben Mode auch Kurzwaren verkaufte. Dazu gehörten zum Beispiel Knöpfe, Gardinen oder auch Federn für Federbetten. Das Einzige, was der Laden nicht führte, waren Anzüge und Herrenoberbekleidung. Neben dem Verkaufen war es auch die Aufgabe der Lehrlinge, den Laden in Schuss zu halten. „Wir mussten auch putzen, den Boden bohnern und den Ofen stochen“, führt die Rentnerin weiter aus. Im Geschäft herrschten außerdem strenge Regeln: Wenn Kundschaft im Laden war, mussten sich die Mitarbeiterinnen untereinander siezen und auch das Hinsetzen war nicht gestattet.

Fürs Leben gelernt

Auch für Irmgard Schulte kam kein Bürojob in Frage. „Ich wollte aber auch nicht in die Gastronomie, weil ich als junge Reiterin am Wochenende mit den Pferden aufs Turnier fahren wollte“, führt die Oberkirchenerin aus. „Also bin ich eines Tages mit meiner Mutter nach Schmallenberg gefahren und habe so meine Lehrstelle in einem Schuhladen gefunden.“ In ihrer Ausbildung als Schuhfachverkäuferin hat sie fürs Leben gelernt, auch wenn der Ton damals noch ein bisschen rauer war: „Ich finde es für beide Seiten schön, für die Kundinnen und Kunden, aber auch für uns Verkäuferinnen, wenn man sich kennt, hier in Schmallenberg.“ Deshalb möchte sie bis zur Rente als Verkäuferin auf der Weststraße arbeiten.

Mit der Zeit wechselte sie dann von Schuhen auf Bekleidung. Das Geschäft, in dem sie jetzt arbeitet, Schmallenberger Dorfkinder in der Weststraße 9, bildet auch aus. Von der Zusammenarbeit mit den erfahrenen Kolleginnen profitieren nicht nur die Azubis, findet Irmgard Schulte: „Auch für uns ist das ein Vorteil, mit den ‚Jungen Leuten‘ zu arbeiten. So gehen die neusten Trends und technologischsten Entwicklungen nicht an uns vorbei.“

Im Laufe der Jahre haben sich viele Dinge geändert. Statt Kopfrechnen kann man jetzt einen Taschenrechner benutzen, die Kaufbelege müssen nicht mehr per Hand ausgefüllt werden und auch die Lieferung der Waren ist leichter geworden. „Wir bekommen heute alles direkt in den Laden gebracht“, so Irmgard Schulte. Edith Kappest hin gegen kann andere Erinnerungen teilen: „Wir mussten mit dem Bollerwagen zur Post oder zum Bahnhof laufen und die Waren abholen. Es kam auch vor, dass wir ‚vornehmen‘ Kunden Waren nach Hause bringen mussten – selbst wenn es nur eine Tüte Knöpfe war. Das waren Botendienste, die meist die Lehrlinge übernehmen mussten. Und wehe, man klingelte nicht am Lieferanteneingang, sondern an der Haustür, dann gab es Schelte!“

Irmgard Schulte und Edith Kappest (v.l.)

Ein Fachgeschäft braucht Qualität

Heute betritt man das Geschäft, schaut sich in Ruhe um oder genießt die fachkundige Beratung. Früher jedoch war das so nicht ohne weiteres möglich. Die meisten Waren lagen hinter Glas in den Regalen und warteten darauf, von der Verkäuferin oder dem Verkäufer zur Ansicht oder zur Anprobe für den Kunden herausgenommen zu werden.

Damals wie heute ist die Beratung ein wichtiger Faktor im Verkauf. „Das hebt uns schließlich vom Online-Handel ab“, sagt die Verkäuferin im Schmallenberger Dorfkinder-Geschäft. Neben all den Dingen, die sich geändert haben, gibt es eben doch Dinge, die grundsätzlich so bleiben, wie sie waren. „Auch nach 30 Jahren im Schützenverein kennen die meisten Männer ihre Kragenweite nicht“, schmunzeln die Verkäuferinnen.

Aus der Mode gekommen

Ein Kleidungsstück, das, da sind sich beide einig, „zum Glück nicht mehr in Mode ist“, ist das Korsett. Unterhaltsame Anekdoten hat Edith Kappest auf Lager, die beim ‚Einschnüren‘ in der Ankleidekabine einmal eine Kundin vorfand, die sich mehr Kleidung entledigt hatte, als sie sollte. Es sind schöne, lebendige Erinnerungen, die der Rentnerin ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Auch wenn Lehrjahre keine Herrenjahre sind, wie man so schön sagt, spürt man, wie gerne sie den Beruf ausgeübt hat. Auch Irmgard Schulte ist die Begeisterung anzumerken. Beim gemeinsamen Austausch kommen sie von einem Thema aufs nächste. Ihre Leidenschaft für die Mode und den Beruf ist zeitlos.

Die Unterhaltung der beiden Damen zeigt auch, mit welchen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften Verkäuferinnen ausgestattet sein sollten: Freundlichkeit und Respekt im Umgang mit Menschen. Tag für Tag begegnet man Kunden – alten Bekannten, neuen Leuten. Auf jeden muss man sich neu einstellen und dabei immer den Überblick behalten.