Gewaltige Veränderungen in der Landwirtschaft
In einer von Veränderungen geprägten Zeit ist auch in der Berufswelt seit einigen Jahren ein Wandel bemerkbar. Die fortschreitende Technisierung und Digitalisierung schafft nicht nur neue Branchen, sie verändert auch bestehende Berufe, teils grundlegend.
Neue Herausforderungen
Der Hof Ax in Schmallenberg ist in der vierten Generation im Ackerbau und in der Viehzucht tätig. Die landwirtschaftlichen Veränderungen im Laufe der Jahre spürt man enorm. Gerade in der Landwirtschaft ist der Einsatz von Maschinen und Technik eine erhebliche Erleichterung, dafür gibt es andere Dinge, die den Arbeitsalltag erschweren.
Otto Ax ist 61 Jahre alt und hat von klein auf die Arbeit auf dem Hof kennengelernt. Ob beim Melken, Säen oder Ernten: „Früher wurde ganz viel von Hand erledigt, die körperliche Arbeit war sehr anstrengend, aber man kannte die Hektik von heute nicht“, erzählt er. Die Pferde waren eine große Hilfe. Als der erste Trecker angeschafft wurde und anfallende Arbeiten erleichterte, war dies ein großer Fortschritt.
Zu Zeiten seines Großvaters und auch seines Vaters Franz gehörten zu den Höfen ein paar Kühe, Schweine und Hühner, man hatte Ackerland mit Getreide, Kartoffeln und Gemüse zu bewirtschaften und viele Landwirte besaßen außerdem ein Stück Wald – von allem etwas. Jeder auf dem Hof musste mit anpacken, jeder wusste, was zu tun ist. Auf die Frage, ob für ihn früher oder heute alles besser sei, gibt er eine einfache Antwort: „Die frühere Zeit hat mir besser gefallen. Es ging insgesamt ruhiger zu, man hat sich mehr Zeit genommen. Heute ist alles so viel größer und hektischer. Immer weniger Bauern müssen immer mehr bewirtschaften und produzieren.“
Vorgaben erfordern ein Umdenken
Das kommt zum einen daher, dass fast alles, was zu tun ist, von der EU vorgeschrieben wird. „Es gibt strenge Richtlinien und Gesetze, die genau eingehalten werden müssen. Und alles muss dokumentiert werden.“ Zum anderen ist es heute kaum möglich, sich auf nur ein Standbein zu konzentrieren. Schlechte Ernten, die Klimaveränderung und eine harte Preispolitik führen dazu, dass man Alternativen schaffen muss, um zu überleben. So kam es bei den meisten landwirtschaftlichen Betrieben, die noch existieren, zu einem Umbruch. Otto Ax und seine Frau Martina spezialisierten sich damals auf den Anbau von Kartoffeln und auf die Milchwirtschaft. Beide Bereiche wurden vergrößert und erwirtschaften seitdem den Hauptertrag. Doch trotz Kartoffel-Vollernter und Sortiermaschine ist der Anbau auch heute noch mit viel Handarbeit verbunden.
Immer mehr Leistung
Mehr Kartoffeln zu ernten heißt aber auch, größere Flächen anzubauen, und mehr Milch zu erzeugen heißt, mehr Tiere anzuschaffen. Doch damit ist es nicht getan. Für die Fütterung des Milchviehs ist viel Grünland erforderlich, das wiederum mehrmals im Jahr gemäht und als Wintervorrat einsiliert werden muss. Der Ertrag hängt besonders von den äußeren Bedingungen ab, ähnlich wie bei der Kartoffelernte. Zu trockene, warme Sommermonate sind nicht vorteilhaft, zu feuchte oder kühle Sommer führen ebenso zu Einschränkungen. Otto Ax erklärt es so: „Um viel Milch zu erzeugen, benötigen wir sehr gutes, energiereiches Futter. Das gelingt aber nur, wenn punktgenau gemäht wird. Ist das etwa durch tagelangen Regen nicht m.glich, verliert das Viehfutter schnell an Qualität, was sich in der Milchmenge deutlich bemerkbar macht.“ Bei bis zu vier Schnitten im Jahr ist das eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.
Eine Herausforderung in der heutigen Zeit sind auch der Umwelt- und Tierschutz sowie die Nachhaltigkeit. Auch dabei gibt es strenge Vorgaben zu erfüllen, die von außen oftmals aber nicht gesehen werden. Teilweise fehlt die Wertschätzung gegenüber den Landwirten und ihrer Arbeit. „Heute wird in allen Bereichen mehr Leistung erwartet“, erklärt auch Caspar Ax, der wie sein Vater in das Leben eines Landwirts hineingeboren wurde. „Man muss in immer kürzerer Zeit immer mehr hinbekommen.“
Ein Schritt in die Zukunft
Doch die Arbeit auf dem Familienhof macht auch Freude. So entschloss sich der gelernte Forstwirt im vergangenen Jahr dazu, gemeinsam mit seiner Partnerin Lena den landwirtschaftlichen Betrieb zu übernehmen und weiterzuführen. Kartoffeln und Milch sollen weiterhin die Haupteinnahmequelle sein. Doch beiden ist bewusst, dass man mit der Zeit gehen und auch mal neue Wege einschlagen muss, um einen lohnenswerten, landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Da Nachhaltigkeit und Regionalität einen immer höheren Stellenwert erlangen und die beiden hinter dieser Philosophie stehen, haben sie mit ihrem kleinen Hofladen einen weiteren Schritt in die Zukunft gewagt. Es gibt heute längst nicht mehr so viele landwirtschaftliche Betriebe wie vor 50 Jahren und für Familien mit Kindern ist ein Bauernhof immer wieder ein Erlebnis. Daher ist es für Familie Ax wichtig, dass erkennbar ist, woher die Produkte stammen. „Wir wollen der Landwirt zum Anfassen sein“, sagt Otto Ax – ein weiterer Schritt in die Zukunft.
Hof Ax früher und heute:
• Anfangs hatte der Hof Ax eine Fl.che von etwa 15 Hektar zu bewirtschaften, heute sind es 90 Hektar (21 Hektar Acker- und 69 Grünland).
• 1960 wurde auf dem Hof ein Hektar Kartoffeln angebaut, heute werden 13 Hektar Kartoffeln bewirtschaftet
• Hatte man bis zum Jahr 1980 nur 18 Milchkühe, so sind es heute 75 plus Nachzucht.
• Vor 40 Jahren bekam man etwa 80 Pfennig pro Liter Milch, heute sind es 31 Cent.
• In den 60er Jahren ben.tigte man für fünf Hektar Grünland 14 Tage, um die Ernte einzufahren. Heute dauert es nur zwei Tage, bis 50 Hektar verarbeitet und einsiliert sind.
• Früher hatte man wesentlich mehr Handlungsspielraum in der Landwirtschaft, heute bekommt man vieles vorgeschrieben (der „gläserne Landwirt“).
• Der alte Hof Ax befand sich in der Weststraße gegenüber von MERTE. Im Jahr 1975 wurde die erste Scheune auf dem heutigen Gelände „Am Stenn“ gebaut, 1980 der Kuhstall und 1983 das heutige Wohnhaus. Zur Zeit wird für Tierwohl investiert.
• Noch bis vor drei Jahren haben Else (93 Jahre) und Franz Ax (99 Jahre) den Familienbetrieb tatkräftig unterstützt.
Dieser Beitrag erschien in der Winterausgabe 2020 des WOLL-Magazins Schmallenberg-Eslohe. Das WOLL-Magazin könnt ihr im Zeitschriftenstand oder im WOLL-Onlineshop https://woll-onlineshop.de/woll-magazin/ erhalten.