„Beim Erfinden kommt es darauf an, kreativ zu sein. Und hartnäckig.“

Prof. Matthias Hermes von der Fachhochschule in Meschede 

Wer sich mit dem Thema „Technische Patente aus dem Sauerland“ beschäftigt, kommt an diesem Mann nicht vorbei: Matthias Hermes ist seit 2013 Professor für Fertigungstechnik und Umformtechnik an der Fachhochschule Südwestfalen, Standort Meschede. Der Prof. Dr.-Ing. hat bereits ein Dutzend Patente angemeldet. Für seine innovativen Ideen wurde er zudem mit zahlreichen Preisen geehrt. Höchste Zeit, dem Professor mal bei seiner Arbeit über die Schulter zu schauen. 

Die Versuchshallen in Sachen Maschinenbau befinden sich außerhalb der Fachhochschule.  „Das hier ist die schmuddelige Seite der FH“, sagt Professor Hermes und lacht. Er führt uns durch ein wahres Labyrinth aus Gängen, die in regelmäßigen Abständen von schweren Brandschutztüren unterbrochen sind. Schließlich erreichen wir den Raum, in dem der sympathische Dozent seinen Studenten und Studentinnen die Praxis des Ingenieurwesens beibringt.  

Erstes Patent bereits als Student 

Überhaupt ist ein Praxisbezug für ihn das A und O eines Studiums. „Ich habe nach dem Abitur eine Lehre zum Werkzeugbauer gemacht, weil ich eben keine Lust mehr auf Theorie hatte“, erzählt der 44-Jährige. Da ihn die Lehre dann aber doch nicht ausreichend forderte, schickte ihn sein Meister kurzerhand noch nebenbei zur Fachhochschule Soest. „Ich habe mir damals quasi ein eigenes Duales Studium gebastelt.“ 

Bereits als „HiWi“ (= wissenschaftlicher Mitarbeiter) an der Uni Dortmund reichte er dann gemeinsam mit seinem Professor sein erstes Patent ein. Die Freude am Entwickeln und Tüfteln hat der zweifache Familienvater bis heute nicht verloren. Auf die Frage nach einer seiner Erfindungen zeigt er uns ein gebogenes Blech.  

Erfindungen im Zeichen des Umweltschutzes 

„Wenn man das so sieht, wirkt es nicht besonders spektakulär“, sagt Matthias Hermes – und erzählt im selben Atemzug von der großartigen Neuerung, die eben dieses Stück Metall darstellt. Zwei bis drei Jahre Forschung stecken in dem Blech, das durch Hermes´ innovatives Verfahren in Sachen Metallfirmung perfekt in eine Flugzeugturbine passt. Der Professor zeigt uns eine Zeichnung, die aus Sicherheitsgründen geheim bleiben muss. „Hier wird das Blech angebracht“, sagt er und zeigt auf einige Teile. Sein Blech wird die Reibung verringern und sorgt so dafür, dass der Luftstrom besser genutzt werden kann. So zumindest haben wir es verstanden. Im Endeffekt bedeutet das vor allem: „Eine höhere Effizienz und somit weniger Kerosinverbrauch, weniger Kosten und vor allem weniger Umweltverschmutzung.“ Und als das dank eines unscheinbaren Stückes Metall. 

Der Professor zeigt uns ein seine erste Erfindung. Ich rätsele eine Weile herum, wo es Verwendung finden könnte, und liege erstaunlicher Weise richtig – wenn auch einen halben Meter zu tief: Das Teil ist für ein Auto bestimmt. Auch hier geht es letztendlich um Sicherheit, aber auch eine leichtere Bauweise und somit einen geringeren Energieverbrauch. Umweltschutz also, direkt vom Entwickler.  

Gemeinsam mit zwölf Angestellten forscht, schraubt, tüftelt und erfindet Professor Hermes hier Sachen. Dass es dabei nicht immer ernst zugeht, ist Ehrensache. „Einmal haben wir eine riesige Rauchtrommel gebaut und dann Rauchringel quer durch den Hörsaal gejagt.“  

Schon in seiner Jugend hat Matthias Hermes gern an Zweirädern gebastelt. Zu seinem 14. Geburtstag bekam er einen 1954er-Traktor geschenkt, einen blauen Eicher mit 16 PS. Der steht heute noch einsatzbereit in seiner Garage. Sehr zur Freude seiner Töchter, die einmal in die Fußstapfen ihres Vaters treten möchten. Der hat nichts dagegen; im Gegenteil wünscht er sich, dass sich viel mehr Mädchen und Frauen für Maschinenbau begeistern. „Unsere Frauenquote ist wirklich Mist, dabei sind meine weiblichen Studenten echt gut!“ 

Direkter Bezug zur Praxis 

Zurück zum Erfinden: Wie kommt man überhaupt darauf? „Oft erhalten wir Forschungsaufträge oder Anfragen von Firmen“, so der Professor, „da geht es dann auch oft um Problemlösungen.“ Dann macht er sich allein oder mit Kollegen daran, eine Lösung zu finden. Ein Prozess, der ihm viel Freude bereitet – und oft alles andere als geradlinig ist. Die Spezialität des Lippstädters ist die Metallumformung. So kann er durch zum Beispiel durch spezielle Verfahren Rohren ganz bestimmte Formen geben, ohne dass diese wie früher zusammengelötet werden müssten. Das bedeutet, weniger Materialverschleiß, weniger Fehler, weniger Schwachstellen, weniger Energieverbrauch. Und somit wie gehabt weniger Umweltbelastung. Viele Werkzeuge, die für den Bau der nötig sind, fertigen der Professor und seine Mitarbeiter übrigens selbst an. Oder zumindest fast: Roboter „Roby“ ist in der Fertigungskabine im wahrsten Sinne des Wortes für die ganz heißen Eisen zuständig. Ständige Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen andere Fachbereiche wie etwa der Informatik sind ebenfalls an der Tagesordnung. 

„Mir kommen ständig irgendwelche Ideen.“ Der Erfinder deutet auf die Halle voller Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Rohre, Bleche, Schrauben und Tische. „Und ich habe das große Privileg, dass ich hier auch frei forschen kann.“ . „Wenn man feststellt, dass es so nicht geht, dann geht es halt irgendwie anders.“ 

Hochgeschwindigkeitshochdruckumformen 

Eine seiner neuen Erfindungen ist eine Maschine, die Metallrohre innerhalb einer Millisekunde unter einem Druck von 4.000 Bar bearbeitet – angetrieben von Hydraulik. „Da merkt das Rohr gar nicht, dass es umgeformt wird!“ 

Demnächst möchte das Team um Professor Hermes papierdünne Fahrradrahmen aus Titan herstellen, die dann ganz individuell an den Fahrer angepasst werden können. Das können wir uns zwar nicht so recht vorstellen, aber sehen möchten wir es natürlich gerne. 

Beim Erfinden kommt es darauf an, kreativ zu sein. Und hartnäckig. Hat der Erfinder dennoch schon mal vor einem Problem kapituliert? Er schüttelt den Kopf. „Wenn man feststellt, dass es so nicht geht, dann geht es halt irgendwie anders.“ 

Eine echte Flugzeugturbine hat die Halle des Professors übrigens noch nicht gesehen. Die Konstruktionspläne sind aber so genau, dass sein Blech trotzdem auf den Zehntelmillimeter passt. 

„Bei so etwas wie Flugzeugtriebwerken macht jeder ein kleines Pömpelchen, da bin ich sozusagen nur ein kleines Rädchen“, sagt der Professor. Und sein Blech ist nur ein Blech. Doch die Wirkung ist eine ganz, ganz große!