Begleiterin meiner Wege

Quelle: Norman Sinclair

Wie die Pilgerrose ins Sauerland kam

Es gibt Begegnungen im Leben, die kann man sich nicht ausdenken oder planen. Die kommen, ob man will oder nicht. Von einer solchen Begegnung will ich berichten. Das Jahr hat gerade begonnen. Anruf aus dem Münsterland: „Was können Sie mir über die Heidenstraße als Pilgerweg erzählen?“ Merkwürdiger Anruf. Der Anrufer spricht eindeutig nicht westfälisch. Kennt sich aber sehr gut im Münsterland aus. Wir versprechen, in Kontakt zu bleiben. Bei meinem nächsten Besuch in Dülmen muss ich dann unbedingt nach Lengerich zum Wohnort des Anrufers Dr. Norman Sinclair kommen. Wir telefonieren noch einige Mal miteinander. Es dreht sich immer um das Thema Pilgern und Pilgerrose. Dann die Meldung aus Winterberg: „Am 18. Mai wird in Winterberg an der Jakobuskirche eine Pilgerrose gepflanzt. Der Initiator dafür, Dr. Norman Sinclair, kommt ins Sauerland.

Wir treffen uns am Freitag, den 18. Mai vor der St. Jakobuskirche in Winterberg. Die wichtigsten Attribute für das Pflanzen einer Pilgerrose entdecke ich im Auto von Dr. Norman Sinclair. Ungefähr 30 hellrote Rosen warten auf ihre neuen Standorte im Sauerland. Wer ist dieser Norman Sinclair und was, um Himmels willen, treibt er mit den Rosen? In einem Café am Winterberger Marktplatz kommen wir ins Gespräch. Als Sauerländer erlaube ich mir die direkte Frage: „Also, wie ein Westfale sehen Sie nun wirklich nicht aus und westfälisch sprechen tun Sie auch nicht? Erzählen Sie mal!“

Revolution oder Kloster 

Es ist das Jahr 1969. In Deutschland revoltieren die Studenten. In Venezuela kämpfen unterschiedliche politische Richtungen um die Macht. Mit 286 Dollar in der Tasche wird der junge und kluge Norman Sinclair von seinen Eltern nach Deutschland geschickt. Nach Irrungen und Verwirrungen kommt er in Münster an und wird von wohlwollenden Menschen aufgenommen und findet im Franziskaner-Kloster in Münster Unterkunft. Als begeisterter Biologe überzeugt er seine Förderer und die Konrad-Adenauer-Stiftung. Nach einem erfolgreichen Biologiestudium schließt sich ein Medizinstudium an. Aus dem kleinen Venezolaner mit asiatischen Augen Norman Sinclair wird Dr. Norman Sinclair mit überragenden Kenntnissen in wissenschaftlichen Bereichen, die etwas mit Biologie zu tun haben. Nach verschiedenen Stationen in Deutschland führt es den Sohn einer Filipina und eines Europäers von den Kanaren zurück ins Münsterland. Norman Sinclair nimmt typisch westfälische Überzeugungen an und fühlt sich wohl in der westfälischen Universitätsstadt und dem ländlich-bäuerlichen Umland.

Begeisterung für das Pilgern

Mit Beendigung seines wechselseitigen Berufslebens – vorwiegend im Münsterland – steigt bei Dr. Norman Sinclair das Interesse für das Pilgern. 2009 bereitet er sich auf eine lange Pilgerreise auf dem Jakobusweg nach Compostella in Spanien vor. Für die 980 Kilometer auf der letzten Wegstrecke in Spanien benötigt er am Ende acht Wochen und vier Tage. Eine Wanderung voller Emotionen. Die Begegnungen mit Pilgern aus aller Welt geben dem Leben und Weg des Venezolaners aus dem Münsterland eine neue Richtung. Er nimmt Kontakt zu Mathilda auf, einer Gärtnerin in Malaga, die die Pilgerrose züchtet, bekommt zwei Exemplare geschenkt und pflanzt eine davon in der naheliegenden Jakobuskirche. Danach ist er von der Idee fasziniert, die Pilgerrose auf den Jakobuswegen in seiner westfälischen Heimat und darüber hinaus zu pflanzen. Denn Dr. Norman Sinclair ist Biologe. Pflanzen allgemein und Rosen im Besonderen begeistern ihn.

Seit sechs Jahren bekommt er nun regelmäßig Pilgerrosen von Matilda aus Malaga und sorgt dafür, dass sie hier im Land an dafür passenden Stellen gepflanzt werden: als Symbol für das Pilgern. Für das Pilgern auf dem Jakobsweg. Das der anerkannte und ausgezeichnete Mediziner nebenbei zusammen mit einem Partner eine Gärtnerei im nicht weit von Münster entfernten Lengerich betreibt, von der die Rosen den Weg in das Umland antreten, ist nur eine weitere spannende Geschichte im Leben des Südamerikaners in Westfalen.

Wie die Rose Castell d’Alaquàs zur Pilgerrose wird

Kunst, Kultur und Natur sind auf dem Jakobsweg reichlich zu finden. An einigen dieser Orte in Deutschland und Spanien erfreut seit einiger Zeit eine besondere Rose namens Castell d’Alaquàs die Pilger. Sie markiert nicht nur besondere Orte entlang des Jakobsweges für den Pilger, sondern weist darauf hin, dass hier etwas in Bewegung ist. „Die Rose ist Symbol für den Pilgerweg und für den Weg des Lebens“, sagt Dr. Norman Sinclair, der diese besondere Rose in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt hat. Sinclair: „Von Anfang an steht die Rose für besondere Ereignisse und Orte. Sie ist mit Liebe gespendet und ehrenamtlich gepflanzt. So hat diese Rose in Spanien in Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis eine besondere Bedeutung erhalten. Im Sommer 2021 wurden im wunderschönen Park Campo del Moro in Madrid 1.500 Stück gepflanzt – als Zeichen der Solidarität in der Corona-Krise und im Gedenken an die vielen Toten, die die Pandemie in Spanien gefordert hat.

Nun ist die Pilgerrose, nach einer ersten Pflanzung im Jahr 2021 in Remblinghausen, seit dem Pfingstwochenende auch im Sauerland angekommen. „Das ist erst der Anfang. Viele Stationen auf dem Jakobswegen, die durch das Sauerland nach Köln und weiter nach Spanien führen, sind Orte, an denen die Pilgerrose einen schönen Platz bekommen sollte“, meint der Pilgerrosen-Botschafter aus dem Münsterland. Zum Schluss unseres Treffens in Winterberg teilt Dr. Norman Sinclair noch seine Lebensphilosophie mit: „Streng Dich an, bis Du selbst sagen kannst: Es war nicht einfach, aber ich habe es geschafft!“

Meine Pilgerrose auf meinem Lebensweg…
… Jeder Schritt meines Lebens, wo ich dich bewundern kann,
denn du bist ein Wunder der Natur.
Deine strahlende Kraft, die auf dem Weg leuchtet und als Begleiterin meiner Wege,
lass ich dich Rosa Pilgerin des Weges meines Lebens nennen.
Du bist du, mit Pracht und Schönheit und deinem subtilen Duft,
der dir vor die liegende Straße und ihre Flugbahn verzaubert.
Ich werde dich wiederfinden und mit deiner Liebe als Führer und Begleiter aufwachen.
Nein, es ist ein Stolperstein, es ist die Wahrheit des Lebens,
du bist meine Pilgerrose und ich werde da sein und auf dich warten,
während mein Leben auf der anderen Seite meiner Ewigkeit vorbeizieht.
Norman Sinclair